Z Geburtshilfe Neonatol 2006; 210 - P177
DOI: 10.1055/s-2006-946265

Nebenwirkungen des Konzepts der antiretroviralen Transmissionsprophylaxe für das Neugeborene

RL Schlößer 1, R Linde 1, D Dunsch 1, H Buxmann 1, K Bauer 1
  • 1Klinikum der J.-W.-Goethe Universität, Frankfurt am Main, D

Fragestellung: Das Konzept der antiretroviralen Transmissionsprophylaxe sieht nach den Deutsch-Österreichischen Empfehlungen eine antepartale antiretrovirale Behandlung der Schwangeren, die Geburt durch elektive Sectio caesarea, eine postnatale, risikoadaptierte antiretrovirale Behandlung des Kindes und den Stillverzicht vor. Über Nebenwirkungen (NW) dieser Maßnahmen beim Neugeborenen liegen nur wenige Daten vor.

Methodik: Retrospektive Analyse der Daten aus den Krankenakten der Neugeborenen HIV-positiver Mütter, die in den Jahren 2001–2005 im Perinatalzentrum Frankfurt am Main geboren und stationär behandelt wurden. Neben anamnestischen Angaben (Gestationsalter, Geburt per Sectio, antiretrovirale Behandlung der Schwangeren, Drogenabhängigkeit) wurden folgende Items erhoben: Transmissonsrate, Dauer des stationären Aufenthaltes, Atemstörungen, Notwendigkeit der maschinellen Beatmung, primäre (erster HB<14mg/dl) und sekundäre (letzter Hb<12mg/dl) Anämie, Leukopenie, Bluttransfusionen, Leberfunktionstörungen, gastrointestinale Störungen, metabolische Azidose, nosokomiale Infektionen. Frühgeborene <34 SSW (FG) wurden von Neugeborenen ≥34SSW (Near Term Infants, NTI) gesondert betrachtet.

Ergebnisse: In den Jahren 2001 bis 2005 wurden 143 Neugeborene von HIV-positiven Müttern in unserer Klinik geboren. Zwei Kinder wurden wegen komplexer Fehlbildungen von der Studie ausgeschlossen, so dass 141 Neugeborene (15 FG, 126 NTI) untersucht werden konnten. 99% der Kinder kamen durch Kaiserschnitt zur Welt. Das mittlere Gestationsalter der FG betrug 31 SSW, das der NTI 37 SSW. Die Dauer des stationären Aufenthaltes aller Patienten betrug im Mittel 21,5 Tage, nach Berücksichtigung von FG und Kindern Drogenabhängiger Mütter 16 Tage. 4 Kinder (allesamt NTI) waren Ende 2005 infiziert (2,8%). Sämtliche untersuchten NW außer der metabolischen Azidose (33% bei FG, 46% bei NTI) kamen bei den FG häufiger vor, wobei die Unterschiede bezüglich der Items Primäre Anämie (33% der FG, 25% der NTI), Leberfunktionsstörungen (33% der FG, 23% der NTI) sowie nosokomialer Infektionen (26% der FG, 13,4% der NTI) nicht signifikant waren. Am häufigsten waren gastrointestinale NW (80% der FG, 46% der NTI). 66% der FG hatten Atemstörungen (53% masch. Beatmung). Auch bei 19 NTI (15%) lagen respiratorische Störungen nach der Geburt vor, 4 (3,1%) mussten beatmet werden. Bei 33% der FG wurde Blut transfundiert, aber auch bei 8,7% der NTI war dies notwendig.

Schlussfolgerungen: Das Konzept der Transmissionsprophylaxe der HIV-Infektion führt auch bei reifen, bzw. sogenannten Near Term Infants zu Nebenwirkungen. Dies sollte bei der Aufklärung der Schwangeren eine Rolle spielen.