Z Geburtshilfe Neonatol 2006; 210 - V52
DOI: 10.1055/s-2006-946068

Funktionelle und molekulare Surfactantveränderungen bei Hyperoxie

W Bernhard 1, H Dombrowsky 2, T Tschernig 3, G Vieten 4, GA Rau 5, F Ohler 1, C Acevedo 5, C Behrens 5, H von der Hardt 5, C Poets 1
  • 1Zentrum Kinder- und Jugendmedizin, UKT, Tübingen
  • 2Forschungszentrum Borstel, Borstel
  • 3Anatomie, Med. Hochschule Hannover
  • 4Kinderchirurgie, Med. Hochschule Hannover
  • 5Kinderklinik, Med. Hochschule Hannover, Hannover, D

Hintergrund: Surfactant besteht aus Phosphatidylcholin (PC), -glycerol (PG) und -inositol (PI) sowie Neutrallipiden und den Surfactantproteinen (SP-A bis -D) als Hauptkomponenten. Seine molekulare Zusammensetzung ist hochspezifisch, mit Dipalmitoyl-PC (PC16:0/16:0), Palmitoylmyristoyl-PC (PC16:0/14:0) und Palmitoylpalmitoleoyl-PC (PC16:0/16:1) als selektiv sezernierten PC-Komponenten, aber niedrigen Konzentrationen polyunsaturierter (PUFA)-Phospholipide. Beeinträchtigungen der Surfactantfunktion und pathologische Veränderungen seiner Zusammensetzung hängen von Art und Dauer einer Lungenschädigung sowie reaktiven Prozessen der Lunge ab. Während die Sauerstoffgabe bei respiratorischer Insuffizienz klinisch wichtig ist, führt Hyperoxie zu einer inflammatorischen Lungenschädigung, die das Organ zusätzlich kompromittiert. Fragestellung: Welchen Einfluss hat die Hyperoxiedauer auf die Funktion von Surfactant und Typ-II-Pneumozyten? Methodik: Adulte Ratten wurden für 2 Tage (d) bzw. 7d mit 85% Sauerstoff exponiert. Die reaktive Schädigung wurde histologisch und immunhistochemisch verifiziert. Sezernierter (SSF) und im Gewebe gespeicherter (GSF) Surfactant wurden mittels Differenzial- und Gradientenzentrifugation aus Lungenspülflüssigkeit und lavagiertem Lungengewebe isoliert. Die Surfactantfunktion wurde mit dem pulsating bubble surfactometer bestimmt. Surfactantproteine wurden mit Immunoblot und HPLC quantifiziert. PC, PG und PI Spezies wurden mit HPLC und Massenspektrometrie und der PC-Metabolismus mittels [Methyl-3H]Cholin-Einbau an perfundierten Lungen bestimmt. Ergebnisse: Progrediente Leukozyteninfiltration, Verbreiterung der Alveolarsepten und Erhöhung von SP-A, SP-D und Bromodeoxyuridineinbau bestätigten die hyperoxie-induzierte Schädigung. Die Surfactantfunktion war nach 2d Hyperoxie verschlechtert (minimale Oberflächenspannung [gmin]=15,9±0,8 vs. 3,3±0,4mN/m;p<0,001), erholte sich aber nach 7d (6,3±1,3mN/m). Bestimmung der hydrophoben Surfactantproteine und organische Extraktion vor gmin-Messung zeigten, dass die beeinträchtigte Funktion durch hydrophile Proteine, nicht aber durch SP-B/C-Erniedrigung bedingt war. Phospholipidpools und -synthese waren nach 2d unverändert, aber nach 7d um 40–60% erhöht. Hingegen wurde der Einbau neusynthetisierten Materials in GGS und SSF progredient auf 71–79% (2d) und 59–60% (7d) der Kontrollwerte erniedrigt. PUFA-Lipide waren in Gewebe und Alveolarraum progredient zu Lasten von PC16:0/16:0 und PC16:0/14:0 erhöht. Schlussfolgerung: Hyperoxie hemmt initial die Surfactantfunktion, die sich aber trotz reaktiver Inflammation und Gewebekonsolidierung partiell erholt. Jedoch führt Hyperoxie zu einer progredienten Schädigung der Funktion von Typ-II-Pneumozyten und Hemmung des Einbaus neusynthetisierter Phospholipide in den Surfactant. Hyperoxie erhöht PUFA-Lipide, die als Präkursoren inflammatorischer Eicosanoide in der Pathophysiologie des hyperoxischen Lungenschadens wichtig sein könnten.