Z Geburtshilfe Neonatol 2006; 210 - V30
DOI: 10.1055/s-2006-946046

Vergleichende Genomanalyse von Meningokokken zur Identifizierung von Virulenzfaktoren – Ergebnisse erfordern prospektive Untersuchung

C Müller 1, U Vogel 2, M Frosch 2, R Berner 1
  • 1Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • 2Hygieneinstitut der Universität Würzburg, Würzburg, D

Invasive Meningokokkeninfektionen zählen zu den seltenen, aber anspruchsvollen Krankheitsbildern der pädiatrischen Intensivmedizin. Besonders häufig betroffen sind Kinder unter 5 Jahren (38% der Fälle), insbesondere einjährige und jüngere Kinder (26% der Fälle). Im Jahr 2004 betrug die bundesweite Inzidenz 600 Fälle oder 0,73 Fälle pro 100.000 Einwohner. Im Kontrast dazu zeigen Screeninguntersuchungen an Gesunden in über 30% eine nasopharyngeale Besiedelung mit Meningokokken. Dies wird erklärt durch unterschiedliche Virulenzfaktoren verschiedener Meningokokkenstämme einerseits und unterschiedliche Sensibilität des Wirtes andererseits.

Das Nationale Referenzzentrum für Meningokokken in Würzburg erfasst zusammen mit dem Robert-Koch-Institut alle invasiven Meningokokkeninfektionen und typisiert die eingesandten Isolate. Eine vergleichende vollständige Genomanalyse zweier hypervirulenter Stämme mit einem avirulenten Stamm identifizierte etwa 130 potentiell pathogenetisch bedeutsame Gene, während überraschenderweise fast alle bisher als virulenzassoziiert betrachteten Gene auch im Genom des avirulenten Stammes gefunden wurden. Umgekehrt ist der größte Teil der neu als potentiell virulenzrelevant identifizierten Gene noch nicht im Bereich der als funktionell bedeutsam bekannten Cluster orthologer Gene von hypervirulenten Stämmen vertreten.

Diese Daten verdeutlichen, dass das bisherige Verständnis genetischer Unterschiede von verschieden virulenten Meningokokkenstämmen begrenzt ist.

In einer prospektiven Studie von Juli 2006 bis Juni 2008 sollen alle Isolate invasiver Meningokokkeninfektionen sowie zusätzlich 100 Isolate asymptomatischer Träger durch vollständige vergleichende Genomanalyse mit dem bisher etablierten Meningokokken-Pathoarray verglichen werden.

Parallel sollen die betroffenen Patienten auf bisher bekannte – und über die Möglichkeit einer Blutbank – auch auf in Zukunft in Frage kommende Faktoren für eine genetische Prädisposition zu invasiven Menigokokkeninfektionen untersucht werden.

Durch die Verknüpfung von Informationen über das Pathogenom des Erregers, den klinischen Schweregrad und immunologisch begründbare Wirts-Prädispositionen wird ein detailliertes Verständnis für die Entwicklung invasiver Meningokokkeninfektionen zu einer besseren Risikostratifizierung von Patienten und zur Entwicklung neuer Zielantigene für Meningokokkenimpfungen führen.