Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - P60
DOI: 10.1055/s-2005-871511

Gleichzeitig auftretende tuberkulöse Meningitis bei 2 Geschwistern

S Meyer 1, A Baghai 1, M Klotz 2, T Polcher 1, G Löffler 1, T Struffert 3, L Gortner 1, M Hermann 2
  • 1Universitätsklinikum des Saarlandes
  • 2Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
  • 3Abteilung für Neuroradiologie, Homburg, D

Hintergrund: Die tuberkulöse Meningitis (TBM) stellt die schwerste Verlaufsform der Tuberkulose (TB) dar. Aufgrund initial fehlender spezifischer Symptome ist eine rasche Diagnosestellung meist schwierig. Die hohe Morbidität und Mortalität der TBM erfordern allerdings eine umgehende tuberkulostatische Therapie. Durch die BCG-Impfung kann die Inzidenz disseminierter Verlaufsformen bei Kindern signifikant reduziert werden [1]. Patienten: Im Folgenden berichten wir über 2 in Deutschland lebende Geschwister aus dem Kosovo (2-jähriger Junge und 4-jähriges Mädchen) mit einer TBM. Aufgrund initialer unspezifischer Symptome wurde zunächst die Diagnose einer Infektion der oberen Atemwege gestellt. Bei zunehmender zerebraler Symptomatik (Somnolenz, generalisierte Krampfanfälle) wurde eine Lumbalpunktion (LP) durchgeführt. Bei Nachweis einer lymphozytären Pleozytose bei beiden Patienten wurde die Diagnose einer viralen Meningoencephalitis gestellt. Im weiteren Verlauf wurde zunächst auch bei ausgeprägter Hyponatriämie, Hydrocephalus und weiter bestehenden Zeichen einer Meningitis auf eine tuberkulostatische Therapie verzichtet. Bei weiterer klinischer Verschlechterung wurde erneut eine LP durchgeführt; nun konnte die Diagnose einer TBM gesichert werden. Nach Beginn der tuberkulostatischen Therapie verstarb der Junge an einem fulminanten Leberversagen. Die Schwester überlebte die Erkrankung mit schwersten neurologischen Residuen. Umfelduntersuchungen zeigten, dass die TBM durch einen Nachbarn mit offener TB übertragen wurde, welcher eine tuberkulostatische Therapie verweigerte. Es wurde weder eine Tuberkulin-Testung im Umfeld des Erkrankten noch eine präventive Chemotherapie durchgeführt.

Schlussfolgerung: Diese Kasuistiken zeigen das ungewöhnliche, zeitgleiche Auftreten einer TBM bei 2 Geschwistern. Um schwerwiegende neurologische Folgeschäden zu verhindern, sollte frühzeitig an eine tuberkulostatische Therapie bei Kindern mit klinischen Zeichen einer Meninigitis, einer lymphozytären Pleozytose (<500 Zellen/µl), Hyponatriämie und Hydrocephalus gedacht werden. Dies gilt insbesondere für Migrantenkinder aus Ländern mit einer hohen TB-Prävalenz. Um eine Ausbreitung der TB zu verhindern ist außerdem eine rigide Durchführung der tuberkulostatischen Therapie bei Erwachsenen mit aktiver TB sowie eine umfassende Umfelduntersuchung (Tuberkulin-Testung, präventive Chemoherapie) erforderlich. Die Wiedereinführung der BCG-Impfung sollte bei definierten Hoch-Risiko-Populationen durch die STIKO überdacht werden, da dadurch das Auftreten disseminierter Verlaufsformen einschließlich der TBM signifikant reduziert werden können.[2–3].

1. Colditz et al. (1994) JAMA 271: 698–702

2. No authors listed (1994) Pneumologie 48 S: 352–354

3. No authors listed (1996) MMWR Recomm Rep 26: 1–18