Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2004; 39 - P1
DOI: 10.1055/s-2004-837344

Die Bedeutung des Glycin-Rezeptors für die durch Propofol erzeugte Anästhesie

J Ahrens 1, G Haeseler 1, M Leuwer 2, R Dengler 1, J Bufler 1, S Piepenbrock 1
  • 1Hannover
  • 2Liverpool

Fragestellung: Propofol (2,6-Diisopropylphenol) vermittelt einen Teil seiner anästhetischen Wirkung durch Aktivierung von Chlorid-Strömen in Hirnstamm und Rückenmark (1). Diese Effekte beinhalten einerseits die direkte Aktivierung von γ-Aminobuttersäure-(GABAA-) und Glycin-Rezeptoren in Abwesenheit des natürlichen Agonisten sowie eine Potenzierung von Chlorid-Strömen, die durch eine submaximale Konzentration des natürlichen Agonisten hervorgerufen werden. Ein Vergleich der In-vitro-Effekte des Propofols und seines nicht-anästhetisch wirksamen Strukturanalogons 2,6-Di-tert-butylphenol (2) an Glycin-Rezeptoren könnte Hinweise liefern auf Mechanismen glycinerger Inhibition, die an dem anästhetischen Effekt von Propofol beteiligt sind. Material, Methoden: α1β-Glycin-Rezeptoren der Ratte wurden heterolog in HEK293 Zellen transient exprimiert. Co-Aktivierung sowie direkte Aktivierung von Chlorid-Einwärtsströmen durch Propofol oder 2,6-Di-tert-butylphenol wurde mithilfe von standardisierten Ganzzell-Experimenten untersucht.

Ergebnisse: Propofol, aber nicht 2,6-Di-tert-butylphenol bewirkt eine direkte Aktivierung des Glycin-Rezeptors (EC50 114±27µM). Beide Substanzen potenzieren den Effekt einer submaximalen Glycin-Konzentration (10µM) um 136±71% (Propofol) und 279±109% (2,6-Di-tert-butylphenol) mit einer EC50 von 12,5±6,4µM für Propofol und 9,4±10,2µM für 2,6-Di-tert-butylphenol.

Schlussfolgerungen: Propofol und sein nicht anästhetisch wirksames Strukturanalogon 2,6-Di-tert-butylphenol unterscheiden sich lediglich in der Potenz des Propofols, Glycin-Rezeptoren direkt zu aktivieren, jedoch in Konzentrationen außerhalb des klinisch relevanten Bereiches. Daher sprechen unsere Untersuchungen nicht dafür, dass glycinerge Inhibition eine große Rolle bei der Propofol-Anästhesie spielt.

Literatur: (1) Franks NP, Lieb WR. Molecular and cellular mechanisms of general anaesthesia. Nature 1994; 367: 607–14. (2) James R, Glen JB. Synthesis, biological evaluation and preliminary structure-activity of a series of alkylphenols as intravenous anaesthetic agents. J Med Chem 1980; 23: 1350–57.