Klin Monbl Augenheilkd 2004; 221 - 23_R
DOI: 10.1055/s-2004-837144

Die endokrine Orbitopathie – eine handlungsorientierte Systematik aus augenärztlicher Sicht

RF Guthoff 1, N Fichter 1, MP Schittkowski 1
  • 1Universitäts-Augenklinik, Rostock

Als wesentliche Grundlagen der ophthalmologischen Diagnostik einer endokrinen Orbitopathie gelten weiterhin die quantitative Analyse der Lid- und Bulbusmotilität unter besonderer Berücksichtigung von stellungsabhängigen Augendruckschwankungen.

Als frühe Zeichen einer Kompressionsneuropathie treten eine verminderte Farbsättigungswahrnehmung auf, wie sie zum Beispiel durch die seitengetrennte Prüfung von Ishihara-Tafeln festgestellt werden kann.

Therapeutisch kann die Augenheilkunde neben einer Lokaltherapie von Benetzungsstörungen chirurgische Behandlungskonzepte anbieten, von denen in den letzten Jahren zunehmend und mit Erfolg Gebrauch gemacht wurde. Diese beinhalten Lidverlängerungen, Augenmuskeloperationen und Dekompressionseingriffe.

Traditionell galt die knöcherne Dekompression als therapeutische Ultima Ratio bei der endokrinen Orbitopathie, wenn medikamentöse und Strahlentherapie nicht erfolgreich waren. In der Regel wurde erst die relativ seltene Kompressionsneuropathie als eindeutige Indikation angesehen. Aus ästhetischen Gründen entschied man sich wegen der möglichen neu induzierten Doppelbilder anders als in den Niederlanden, in Frankreich, Großbritannien und den USA, in Deutschland seltener, zu knöchernen Eingriffen an der Orbita.

Neue Überlegungen analysieren unter anderem das sogenannte Kompartmentsyndrom der Orbita: Die Volumenzunahme des Orbitainhaltes, an der die unterschiedlichen Strukturen in variablen Anteilen beteiligt sind, führt zu uncharakteristischen, schwierig zu quantifizierenden Beschwerden. Meist stellt sich ein anhaltendes, das Allgemeinbefinden stark beeinträchtigendes retrobulbäres Druckgefühl ein. Die Kompressionsneuropathie gilt unabhängig davon als klare Indikation zur knöchernen Dekompression; inzwischen können jedoch auch weitere gut abgesicherte Indikationen unter eingehender Berücksichtigung der Gesamtsituation des Patienten benannt werden. Bei konsequentem interdisziplinären Vorgehen, das durch den Augenarzt koordiniert werden sollte, gelingt es fast immer, auch bei ausgeprägten Befunden, die Beschwerden des Patienten stark zu reduzieren und die Lebensqualität deutlich zu verbessern.