Z Geburtshilfe Neonatol 2003; 207 - FV_10_01
DOI: 10.1055/s-2003-818128

Veränderungen der Fibrinolyse während der Geburt mit und ohne Gabe von Aprotinin

M Kühnert 1, W Stein 1, I Tekesin 1, S Schmidt 1
  • 1Klinik für Geburtshilfe und Perinatalmedizin, Philipps-Universität Marburg

Fragestellung:

Ziel der Arbeit war, ob sich a-2- Antiplasmin, Plasminogen und Plasmino-gen-Aktivator-Inhibitor (PAI) peripartal verändern und ob entsprechende Veränderungen mit Plazentalösung und Ausschwemmung von gerinnungsaktiven Substanzen erklärbar sind. Ferner wurde untersucht, welchen Einfluss Aprotinin maximal 15min vor Partus appliziert auf die postpartale Fibrinolyse hat.

Patienten und Methoden:

84 Patientinnen im Alter von 15–44 Jahren wurden untersucht

(41 Spontangebärende, 43 Sectiopatientinnen). Davon erhielten 30 Frauen nach schriftlicher Einwilligung und Randomisierung maximal 15min vor Partus 1 Million KIE Aprotinin (Trasylol®) i.v. (15 Spontangebärende, 15 Sectiopatientinnen). Das Gestationsalter betrug in beiden Gruppen zwischen 37–41 SSW. Nach laborchemischem Ausschluss von Blutgerin-nungsstörungen wurden die Konzentrationen von PAI, a-2-Antiplasmin und Plasminogen 240–15min (=T1) vor und 1–5min (=T2) nach Geburt des Kindes sowie 30 (=T3) und 120min (=T4) nach Lösung der Plazenta bestimmt. Die statistische Auswertung erfolgte mittels des Mann-Whitney-U-Tests.

Ergebnisse:

Bei Spontangebärenden und Sectiopatientinnen ohne Gabe von Aprotinin zeigte sich ein deutlicher Abfall der PAI-Konzentrationen nach der Geburt (p=0,7); die a-2-Antiplasmin- und Plasminogenwerte blieben im gemessenen Zeitraum unverändert. Nach Gabe von Aprotinin stieg die PAI-Aktivität bei Spontangebärenden und Sectiopatientinnen nach der Geburt leicht an (p=0,3)und fiel danach langsamer und schwächer ab. a-2-Antiplasmin stieg ebenfalls bei den mit Aprotinin behandelten Patientinnen nach der Geburt an (p=0,7) und fiel danach bis auf den Ausgangswert ab, die Plasminogenkonzentrationen blieben im gemessenen Zeitraum unverändert. Signifikante Unterschiede zwischen Spontan-gebärenden und Sectiopatientinnen gab es für alle drei Parameter nicht.

Schlussfolgerung und Diskussion:

Die Veränderungen von PAI und a-2-Antiplasmin unter Aprotinin lassen sich als geringere Beanspruchung des fibrinolytischen Systems interpretie-ren. Abschließend lässt sich feststellen, dass sich der durch die Plazentalösung ausgelöste Verbrauch von Gerinnungs- und Fibrinolysefaktoren durch Gabe von Aprotinin reduzieren lässt. Dies könnte auch therapeutisch und präventiv bei Risikograviden mit erhöhtem Blu-tungsrisiko (z.B.Präeklampsie, HELLP-Syndrom etc.).genutzt werden. Eine prophylaktische Gabe von Aprotinin ist derzeit jedoch noch als kritisch zu sehen. Folglich müssen für einen routinemäßigen geburtshilflichen Einsatz von Aprotinin größere und über die Surrogatpara-meter PAI, a-2-Antiplasmin und Plasminogen hinausgehende Studien mit den klinischen Endpunkten Hb-Abfall und Transfusionsbedarf durchgeführt werden.