Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50(3): 202-210
DOI: 10.1055/s-0041-100220
Fachwissen
Intensivmedizin: Topthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Patientenautonomie und Aufklärung – Ethische und rechtliche Aspekte der Aufklärung

Patient autonomy and informed consent – ethical and legal issues
Barbara Wolf-Braun
,
Hans-Joachim Wilke
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 April 2015 (online)

Zusammenfassung

Die Aufklärung gilt als zentrales Element der Arzt-Patient-Beziehung. Ethisch wie juristisch ist sie die Voraussetzung für eine informierte Zustimmung (InformedConsent) des Patienten, die alleine den ärztlichen Eingriff rechtfertigt. Ihre normative Begründung liegt in der Achtung der Autonomie des Patienten. Vor allem bei schweren Erkrankungen und bei Maßnahmen, welche die Lebensführung des Patienten entscheidend beeinflussen können, umfasst die Aufklärung weit mehr als eine bloße Informationsvermittlung: In einem dialogischen Prozess soll der Arzt den Patienten bei der Entscheidungsfindung unter Beachtung seiner individuellen Situation und seiner Werte unterstützen. In diesem Sinne fördert ärztliche Fürsorge die Patientenautonomie. Dies schafft Vertrauen und führt – wie Studien zeigen – zu einer besseren Krankheitsbewältigung und höheren Zufriedenheit der Patienten mit der Behandlung sowie auch zu einer höheren Zufriedenheit von Ärzten mit ihrem Beruf.

Abstract

Informing patients about the benefits and risks of and alternatives to proposed medical or surgical procedures is crucial to the patient-physician relationship. It is a legal and ethical precondition to a patient's informed consent to a course of action. Particularly in cases of serious illness and when there are far reaching implications for a patient's lifestyle, this process entails much more than just imparting information. Indeed, it is a dialogue through which the physician empowers the patient to reach a decision which reflects the patient's life situation and system of values. This process promotes patient autonomy. Studies have shown that this approach builds trust, increases patient satisfaction with health care and results in a higher degree of professional fulfilment for the physician.

Kernaussagen

  • Eine Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme ist nur nach ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswirksam.

  • Die Aufklärung sollte dem Patienten angepasst werden, sein Vorwissen, seine Einstellungen, Erwartungen sowie seine kognitive und emotionale Situation beachten. Daher:

    • begrenzte Menge korrekter, verständlicher und relevanter Information

    • zum Fragen ermutigen

    • den Patienten je nach seinen Bedürfnissen an der Entscheidung beteiligen

    • über etwaige alternative Therapieoptionen informieren

    • bei der Entscheidung keinen Druck ausüben, durch Argumente überzeugen

    • Aufklärung erfolgt im Dialog zwischen Arzt und Patient, manchmal in Etappen

  • Konkrete (mögliche) Auswirkungen eines Eingriffs / Therapie auf die Lebensführung des Patienten sollten im Zentrum der Aufklärung stehen.

Ergänzendes Material

 
  • Literaturverzeichnis

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