Gesundheitswesen 2016; 78 - A129
DOI: 10.1055/s-0036-1586639

Gesundheitsförderung in Sprechberufen – Ergebnisse einer prospektiven Beobachtungsstudie

C Pieper 1, A Leifeld 1, J Haupt 1
  • 1Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE) am Universitätsklinikum Essen, Essen

Hintergrund: Atemwegserkrankungen führen die Statistik der Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) bei Callcenter-Mitarbeitern an [1]. Es ist davon auszugehen, dass die Belastung durch entsprechende Maßnahmen verringert werden kann. Ziel dieser Studie war zu untersuchen, ob sich die AU-Tage um 20% reduzieren lassen, wenn die stimmspezifische Belastung durch Sprech- und Stimmtraining reduziert wird.

Methoden: Es wurde eine prospektive Beobachtungsstudie in 12 Callcentern durchgeführt, in denen Interventions- und Kontrollgruppen gebildet wurden. Die Interventionsgruppen erhielten ein Stimm- und Sprechtraining, um Mitarbeitern Basiswissen und praktische Übungen für die Arbeit am Telefon zu vermitteln. Beide Gruppen wurden mittels Fragebögen zu zwei Zeitpunkten (t1, t2 nach 12 Monaten) befragt.

Ergebnisse: Eingeschlossen wurden 186 Teilnehmer zwischen 24 und 73 Jahren, die seit mindestens sechs Monaten im Callcenter tätig waren. 172 Fragebögen wurden beantwortet (response: 92%). Das mittlere Alter betrug 46 ± 10 Jahre. Mehr als 80% der Teilnehmer waren weiblich. 16% gaben chronische Atemwegserkrankungen an. 48% der Mitarbeiter klagten über Heiserkeit, ohne dass eine Erkältung vorlag.

Hinsichtlich der AU-Tage bestand weder zu t1 noch zu t2 ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen, auch eine Abnahme der AU-Tage in der Interventionsgruppe warnicht festzustellen. Die Interventions- und Kontrollgruppe unterschieden sich signifikant hinsichtlich der Häufigkeit und Dauer der Erkältungen zu t1. Dieser Unterschied zeigte sich zu t2 nicht mehr. Zu t2 verringerte sich die Häufigkeit lang andauernder Erkältungen (> 6Tage) in der Interventionsgruppe. Diese blieb in der Kontrollgruppe nahezu unverändert.

Die Aussage, wahrend der Arbeitszeit etwas für die Stimme zu tun, unterschied sich zu t2 signifikant zwischen den Gruppen (53% vs. 10%). Auch die Veränderung von verschiedenen stimmassoziierten Faktoren wie Stimmermüdung, Heiserkeit usw. deutet darauf hin, dass die Interventionsgruppe von einem regelmäßigen Stimmtraining profitierte.

Fazit/Praktische Implikationen: Fast 80% der befragten Mitarbeiter gaben zu t1 an, nichts zu tun, um ihre Stimme zu pflegen oder langfristig leistungsbereit zu erhalten. Das zeigt entweder, dass die Bedeutung der Stimme als Arbeitswerkzeug am Telefon gering eingeschätzt wird oder dass keine Kenntnis zur Stimmpflege vorliegt. Randomisierte Studien, die diesen Ansatz verfolgen, sollten im Interesse der Mitarbeitergesundheit dieser wachsenden Branche durchgeführt werden, da Atemwegserkrankungen aus fachlicher Sicht in direktem Zusammenhang mit der Stimmbelastung im Callcenter stehen [2]. Referenzen beim Verfasser.