Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - A17
DOI: 10.1055/s-0036-1571414

Bluttransfer über die Plazenta – das fetomaternale Transfusionssyndrom

J Maier 1, E Schalinski 1, W Schneider 2, U Gottschalk 3, L Hellmeyer 1
  • 1Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin
  • 2Abteilung für Neonatologie, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin
  • 3Abteilung für Gastroenterologie, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin

Einführung: Austausch von Blut und Plasmateilen zwischen Mutter und Kind ist weitgehend bekannt und wird unter anderem zur Messung fetaler cfDNA genutzt. Es können jedoch auch große Mengen Blutes vom Kind zur Mutter über die Plazenta „transfundiert“ werden und damit zu erheblichen kardiovaskulären Komplikationen bis hin zum intrauterinen Fruchttod führen. Diese klinisch signifikanten Fälle treten schätzungsweise in einer von 3000 bis 10000 Geburten auf und sind demnach sehr selten [1,2].

Fallpräsentation: Eine 31-jährige 2-Gravida 1-Para (Z.n. sekundärer Sectio bei Geburtsstillstand) stellte sich bei 40+3 SSW mit Wehentätigkeit in der Geburtsklinik vor. Bereits zuvor stellte die Patientin abnehmende Kindsbewegungen fest, es erfolgt keine weitere Konsultation. Aufgrund des CTG Musters erfolgte die eilige Sectio. Es wurde ein blasses, schlaffes Mädchen (Apgar 7/9/9, pHa 7,20) entbunden, welches im Anschluss schwere Anpassungsstörungen zeigte. Eine eilige Hämoglobin-Messung ergab einen Wert von 3,5 g/dl. Es erfolgte die zügige Transfusion von 0 Rhesus-negativem Blut und die Verlegung auf die neonatologische Intensivstation. In der postoperativen Überwachung der Mutter fiel ein trüber, Bernstein-farbener Urin auf. Serologisch zeigte sich ein Hinweis auf Hämolyse (Transaminasen, LDH, Bilirubin, Retikulozyten erhöht, Haptoglobin erniedrigt). Durch den Kleihauer-Betke Test wurde ein Anteil von 25% fetaler Zellen im mütterlichen Blut nachgewiesen. Im weiteren Verlauf kam es zur deutlichen klinischen sowie labor-chemischen Besserung. Nach einigen weiteren Bluttransfusionen zeigte das Neugeborene einen stabilen Hb und konnte mit der Mutter nach Hause entlassen werden. Mittlerweile lag der Anteil an fetalen Zellen bei 7%.

Diskussion: Das schwere FMH ist eine seltene jedoch lebensbedrohliche Schwangerschaftskomplikation, die es gilt frühzeitig zu erkennen. Mögliche Risikofaktoren sind Störungen in der Plazentamorphologie (wie Tumoren, Gefäßveränderungen, Präeklampsie), Trauma oder bestimmte Prozeduren (wie Bauchtrauma, äußere Wendung, manuelle Lösung, Amnioncentese) sowie monochoriale-monoamniotische Zwillinge [3].

Die Symptome sind äußerst unspezifisch. Die Patientin kann über abnehmende Kindsbewegungen berichten. Das CTG kann mit Dezelerationen oder auch einem sinusoidalem Muster pathologisch erscheinen. Im Ultraschall kann man eventuell eine Wachstumsretardierung (bei chronischem FMH) sowie ein auffälliges biophysikalisches Profil oder auch eine Ödembildung als Zeichen der cardiovaskulären Dekompensation erkennen. Dopplersonographisch zeigt sich typischerweise ein erhöhter Flow in der Arteria cerebri media im Sinne einer feralen Anämie. Es benötigt einen besonders hellhörigen und sensiblen Kliniker um das Vorliegen eines FMH zu vermuten. Bei Verdacht ist der Nachweis von fetalen Erythrozyten im mütterlichen Blut wegweisend. Dies gelingt per Kleihauer-Betke-Test, der die Säurestabilität von Hbf ausnutzt, jedoch sehr subjektiv ist. Neuere Methoden sind Flow Cytometry sowie HPLC. Als Therapieoption steht die Verlängerung oder die Beendigung der Schwangerschaft zur Diskussion. Die Entscheidung erfolgt in jedem Fall individuell abhängig von der Schwangerschaftswoche und der Schwere der Anämie im Dialog zwischen Eltern, Geburtshelfer und Neonatologen. Eine intrauterine Transfusion sowie die Lungenreifeinduktion sollte erwogen werden.

Quellen: [1] Wylie BJ, D'Alton ME: Fetomaternal hemorrhage. Obstet Gynecol 2010;115:1039 – 1051; [2] Kadooka M, Kato H, Kato A, Ibhara S, Minakami H, Maruyama Y: Effect of neonatal hemoglobin concentration on long-term outcome of infants affected by fetomaternal hemorrhage. Early Human Development 2014;90:431 – 434; [3] Maier JT, Schalinski E, Schneider W, Gottschalk U, Hellmeyer L: Fetomaternal hemorrhage (FMH), an update: review of literature and an illustrative case. Arch Gynecol Obstet 2015; 292(3):595 – 602; Abkürzungen: Fetomaternales Transfusionssyndrom = FMH = fetomaternal Hemorrhage, HPLC = high performance liquid cromatography