Gesundheitswesen 2014; 76 - A136
DOI: 10.1055/s-0034-1386986

Risiken und Ressourcen von Beschäftigten in der stationären Behindertenhilfe. Ergebnisse einer qualitativen Expertenerhebung

S Petrarca 1, S Schmidt 2, F Koppelin 1
  • 1Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth, Oldenburg
  • 2Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V.

Hintergrund: Auch Träger der stationären Behindertenhilfe können sich den Trends der Beschäftigten-Alterung und einem generellen Wandel in der Arbeitswelt nicht entziehen. Durch die ebenfalls zunehmende Alterung behinderter Menschen in den Einrichtungen sowie die Zunahme von Menschen mit z.B. herausforderndem Verhalten und gleichzeitig einhergehendem Fachkräftemangel scheinen die Anforderungen an die Beschäftigten in der stationären Behindertenhilfe zu steigen. Zu den Arbeitsbelastungen und Ressourcen dieser Fachkräfte existieren bisher keine belastbaren Daten. Empirische Ergebnisse wurden überwiegend auf dem Gebiet anderer Pflegeberufe gewonnen. Daraus abgeleitete Konzepte für berufsgruppenspezifische Ansätze Betrieblicher Gesundheitsförderung lassen jedoch keine Ergebnisübertragung auf die stationäre Behindertenhilfe zu. Das forschungsleitende Ziel dieses Projektes, ist die berufs- und branchenspezifische Erhebung der Gesundheit beeinträchtigenden (Belastungen) und Gesundheit stärkenden (Ressourcen) Faktoren von Beschäftigen in der stationären Behindertenhilfe.

Methodik: Das Projekt „Arbeitsbelastungen und Ressourcen in der stationären Behindertenhilfe“ wird durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung über zwei Jahre gefördert (01.11.2012 – 31.10.2014). In Kooperation mit dem Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V. wurden insgesamt 18 männliche und weibliche Beschäftigte, die über einen Stundenanteil von mindesten 50% und über eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung verfügen, leitfadengestützt befragt. Inhalt des Interviewleitfadens war neben der Tätigkeitsdarstellung und Organisation die Erfragung von Belastungen und Beanspruchungen. Dabei wurden nicht allein die Erwerbsarbeitsbedingungen erfragt, sondern die Arbeitsbedingungen im Kontext des heilerziehungspflegerischen Handelns berücksichtigt. Ein weiterer Schwerpunkt lag in der Erfragung von Ressourcen, insbesondere mit dem Schwerpunkt auf christliche Werte und damit einhergehend den Glauben als eine Ressource. Unterstützt durch das Programm MAXQDA wurden die gewonnen Daten auf Basis der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet.

Ergebnisse: Die Ergebnisse der qualitativen Befragung werden im Rahmen des Kongresses vorgestellt. Sie zeigen die spezifischen Belastungen und Beanspruchungen, sowie Ressourcen bei Fachkräften im Setting der stationären Behindertenhilfe und in welcher Form sich diese von denen anderer Berufsgruppen und Tätigkeiten in der Pflege abgrenzen. Hier werden insbesondere die klientel-spezifischen Belastungen und Ressourcen fokussiert und die Schwierigkeiten sowie Besonderheiten des einmaligen Nähe-Distanz-Verhältnisses aufgegriffen. Außerdem wird offengelegt, welche Auswirkungen die Alterung der Beschäftigten und der Wandel der Klientel für dieses Setting hat und inwieweit es den MitarbeiterInnen gelingt, die Ressourcen, insbesondere ihre christliche Spiritualität, als eine Quelle der Gesunderhaltung zu nutzen und diese in ihren beruflichen Alltag zu integrieren. Auch werden Aussagen über eine Verbesserung der Ausbildung und die Meinung zur Inklusion ersichtlich. Hier wird die Bedeutung der zielgruppenspezifischen Vorgehensweise deutlich.

Ausblick: Fachkräfte der stationären Behindertenhilfe sind durch eine große Verantwortung und hohes Engagement für die ihnen anvertrauten KlientInnen in besonderer Weise gefordert. Aufgrund fehlender Daten und in Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen sowie Tätigkeiten in der Pflege war eine Exploration neuer Erkenntnisse unabdingbar, um die Forschungslücke hinsichtlich der Arbeitssituation von Beschäftigten in Behindertenhilfeeinrichtungen verkleinern zu können. Mit Hilfe dieser gewonnen Erkenntnisse wurde anschließend eine schriftliche Gesamt-Beschäftigtenbefragung in den beteiligten Einrichtungen durchgeführt, die eine Erhebung von Häufigkeiten und Zusammenhängen bestimmter Merkmale ermöglichen soll. Die qualitativen und quantitativen Daten sollen im Kontext der Methodentriangulation zusammengeführt, verglichen und auf einen weiteren Erkenntnisgewinn hin untersucht werden. Die abschließende Ableitung von Zielgruppen und Setting gerechten Handlungsempfehlungen soll einen nachhaltigen Beitrag für die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten leisten.