Diabetologie und Stoffwechsel 2014; 9 - P234
DOI: 10.1055/s-0034-1375091

HbA1c-Mittelwert und HbA1c-Variabilität sind unabhängige Risikofaktoren für die diabetische Retinopathie – eine Analyse von 35.891 Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus aus der DPV-Datenbank

JM Hermann 1, HP Hammes 2, B Rami-Merhar 3, J Rosenbauer 4, M Schütt 5, E Siegel 6, RW Holl 1
  • 1Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie, ZIBMT, Universität Ulm, Ulm, Germany
  • 2V. Medizinische Klinik, UMM Universitätsmedizin Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim, Germany
  • 3Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Wien, Wien, Austria
  • 4Institut für Biometrie und Epidemiologie, Deutsches Diabetes Zentrum, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Germany
  • 5Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Lübeck, Germany
  • 6Innere Medizin – Gastroenterologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin, St. Josefskrankenhaus Heidelberg, Heidelberg, Germany

Fragestellung: Eine chronische Hyperglykämie gilt als Hauptursache der diabetischen Retinopathie (DR). Trotz gleicher mittlerer HbA1c-Werte können Patienten starke Schwankungen in ihren HbA1c-Werten aufweisen. Ziel der vorliegenden Auswertung war es herauszufinden, ob die HbA1c-Variabilität unabhängig vom mittleren HbA1c-Wert ein Risikofaktor für die DR ist.

Methodik: 35.891 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 aus der Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV), für die mindestens eine Untersuchung des Augenhintergrundes und mindestens fünf HbA1c-Werte dokumentiert waren, wurden analysiert. Die HbA1c-Variabilität wurde für jeden Patienten als Variationskoeffizient (VK, in %) dargestellt. Mittels Kaplan-Meier-Kurven und Cox-Regressionsmodellen, adjustiert für Alter, Geschlecht und Diabetesdauer, wurde der Einfluss der HbA1c-Variabilität auf das Auftreten einer DR untersucht (SAS 9.3).

Ergebnisse: Das mediane Alter am Ende der individuellen Beobachtungszeit betrug 16,2 Jahre, die Diabetesdauer 6,4 Jahre (Retinopathie-Patienten: n = 1799, 21,6 bzw. 12,2 Jahre). 52,3% der Patienten waren männlich. Im Median lagen 4,3 HbA1c-Werte pro Patient pro Jahr vor. Der mediane HbA1c-Wert betrug 59 [Q1-Q3: 52 – 67] mmol/mol (7,5 [6,9 – 8,3]%), der Variationskoeffizient 17,9 [12,7 – 25,1]%. Kaplan-Meier-Kurven stratifiziert in vier Schichten (HbA1c-Median und HbA1c-VK ober-/unterhalb des 50. Perzentils) zeigten, dass bei einer hohen HbA1c-Variabilität früher eine DR auftrat. Cox-Regressionsmodelle ergaben sowohl für den medianen HbA1c-Wert als auch für die HbA1c-Variabilität einen signifikanten Effekt (beide p < 0,001). Nach zehn Jahren Diabetesdauer war das Risiko für eine DR um 3,1% erhöht je 1mmol/mol-Erhöhung des HbA1c-Medianes und um 3,5% je Erhöhung des Variationskoeffizienten um eine Einheit.

Schlussfolgerungen: Die HbA1c-Variabilität trägt unabhängig vom mittleren HbA1c-Wert zum Risiko einer DR bei. Eine möglichst kontinuierliche Überwachung des HbA1c-Wertes könnte daher bei der Prävention helfen.