Pneumologie 2014; 68 - P445
DOI: 10.1055/s-0034-1367853

Actinomyces graevenitzii: ein zunehmend als pathogen erkannter Erreger von Atemwegsinfektionen

D Schindler 1, S Wagner 2, N Schönfeld 1, H Rüssmann 2, TT Bauer 1
  • 1Lungenklinik Heckeshorn, Helios Klinikum Emil von Behring, Berlin
  • 2Institut für Mikrobiologie, Immunologie und Laboratoriumsmedizin, Helios Klinikum Emil von Behring, Berlin

Einleitung: Die pulmonale Aktinomykose ist eine Rarität. Bislang sind sechszehn Actinomyces-Spezies mit humanpathogener Bedeutung bekannt. Seit Identifizierung von Actinomyces graevenitzii 1997 gibt es nur einzelne Fallberichte. Generell gestaltet sich der Nachweis durch diagnostische Fallstricke wie das obligate Auftreten in Form einer Mischinfektion unter anaeroben Bedingungen schwierig. Häufig besteht ein prolongierter Krankheitsverlauf. Mit Nachweis von Actinomyces graevenitzii stellt sich die Frage nach der pathophysiologischen Bedeutung und Behandlungsindikation.

Methode: Im Zeitraum 1/2010 bis 9/2013 wurden in unserer Klinik sechs Patienten mit Nachweis von Actinomyces graevenitzii behandelt. Respiratorische Proben wurden durch Kultur und massenspektroskopische Analyse (MALDI-TOF) untersucht. Anhand der elektronischen Patientenakten erfolgte eine retrospektive Auswertung der Patientendaten.

Ergebnisse: Die Patienten (4 weiblich, 2 männlich) wiesen ein fortgeschrittenes Alter (69 – 80 Jahre) auf. Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus und Karzinomerkrankung waren mehrfach vorhanden. Der Nachweis gelang aus der Bronchiallavage (n = 5) und einer Sputumprobe. In 5/6 Fällen wurden radiologische Veränderungen im Bereich der rechten Lunge gesehen. Die Keimzahldichte variierte erheblich und wurde z.T. zur Therapieentscheidung genutzt. In drei Fällen wurde dem Erreger klinische Relevanz zugemessen und antibiotisch behandelt.

Schlussfolgerungen: Die Daten der Fallserie zeigen das Auftreten von Actinomyces graevenitzii vor allem bei vorerkrankten und betagten Patienten. Tumorerkrankungen mit Bestrahlung und Chemotherapie dürfen wohl als prädisponierende Faktoren gelten, die die Krankheitsentstehung der Aktinomykose durch endogene Aspiration aus der Mundhöhle oder Translokation durch eine gestörte Schleimhautbarriere begünstigen. Die Identifizierung behandlungsbedürftiger Aktinomykosen bleibt weiterhin eine komplexe Aufgabe für den Kliniker.