Gesundheitswesen 2012; 74 - A64
DOI: 10.1055/s-0032-1322050

Unterstützung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils durch strukturierte Bewegungsförderung in der Grundschule

S Liersch 1, S Bisson 1, E Sterdt 1, V Henze 2, C Krauth 1, M Röbl 3, U Walter 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover
  • 2ASC Göttingen von 1846 e.V.
  • 3Universitätskinderklinik Göttingen

Einleitung: Umfangreichen bewegungsorientierten Schulprogrammen wird das Potenzial zugeschrieben, den Rückgang der körperlichen Aktivität zu verlangsamen und die Etablierung eines lebenslangen gesundheitsfördernden Bewegungsmusters zu unterstützen. Körperlich-sportliche Aktivität ist für eine gesunde Entwicklung von Kindern essentiell und trägt zu einer Reduktion chronischer Erkrankungen im Lebenslauf bei. Die Steigerung der aktiven Freizeitgestaltung sowie eine langfristige Veränderung des Lebensstils sind wesentliche Ziele der Prävention von Bewegungsmangel. Die Intervention „fit für pisa“ integriert während der gesamten Grundschulzeit täglichen Schulsport an fünf Göttinger Grundschulen. Die Evaluationsstudie zeigt, inwieweit sich ein quantitativ gesteigerter und qualitativ verbesserter Sportunterricht auf Freizeitverhalten, Gesundheit, Bildung und Lebensqualität langfristig auswirkt und inwieweit Kinder mit erhöhten Risikofaktoren profitieren.

Methoden: Zur Evaluation wurden neben der Schuleingangsuntersuchung von Klasse 1 bis 4 sowie ein und zwei Jahre nach Abschluss der Intervention medizinische Anamnesen durchgeführt, die motorische Entwicklung untersucht sowie Freizeitverhalten, Bildung und Lebensqualität mittels standardisierter Fragebögen analysiert. Ein Elternfragebogen erfasst die Gesundheitsgeschichte des Kindes, die körperliche Aktivität der Familie und ermöglicht differenzierte Analysen nach soziodemographischen Merkmalen. Im Längsschnittansatz wurde von 102 Schülern ein sowie zwei Jahre nach Abschluss der Intervention das Ausmaß der körperlich-sportlichen Aktivität bewertet. Als Signifikanzniveau wurde eine Irrtumswahrscheinlichkeit von α=0,05 festgelegt. Die Analysen wurden nach Geschlecht und Sozialstatus adjustiert durchgeführt.

Ergebnisse: SchülerInnen der Interventionsgruppe zeigen in der 4. (p=0,009) und 5. Klasse (p=0,04) ein signifikant höheres Aktivitätsniveau als SchülerInnen der Kontrollgruppe. Ende der 6. Klasse hat sich das Aktivitätsverhalten angeglichen (p=0,24). Bei der Vereinsaktivität zeigt sich Ende der 4. Klasse kein signifikanter Unterschied zwischen SchülerInnen der Interventions- und Kontrollgruppe, Ende der 5. Klasse sind mit 82% deutlich mehr SchülerInnen der Interventionsgruppe als der Kontrollgruppe (68%) in einem Sportverein (p=0,09). Ende der 6. Klasse bleibt der Anteil der im Sportverein aktiven SchülerInnen in der Interventionsgruppe gleich (82%), während bei den SchülerInnen der Kontrollgruppe dieser Anteil weiter zurück geht (65%) (p=0,04). Die InterventionsschülerInnen verbringen Ende der 4. Klasse täglich weniger Zeit vor dem Fernseher als SchülerInnen der Kontrollsgruppe. Nur ein Viertel (26%) der SchülerInnen der Interventionsgruppe gegenüber mehr als der Hälfte der SchülerInnen der Kontrollgruppe (52%) sieht täglich mehr als eine Stunde fern (p=0,001). Dieser Unterschied zeigt sich auch noch ein Jahr nach Abschluss der Intervention (p=0,03) Ende der 6. Klasse ist dieser Unterschied nicht mehr signifikant (p=0,14). Die für Geschlecht und Sozialstatus adjustierten Analysen des Body-Mass-Index zeigen keine signifikante Veränderung am Ende der 4. (p=0,86) und 5. Klasse (p=0,38).

Schlussfolgerung: Fokus des quantitativ und qualitativ gesteigerten Schulsports sind die Berücksichtigung der Schülerinteressen und das Kennenlernen neuer Sportarten. Mit der standardisierten Durchführung durch speziell qualifizierte Lehrkräfte auf Basis eines speziell entwickelten Curriculums wird die Qualität des Unterrichts verbessert. Die Gestaltung erfolgt unter Beachtung der schulischen Gegebenheiten und unter Einbezug ungenutzter vorhandener Möglichkeiten. Mit der curricularen Integration täglichen Sportunterrichts in einen zentralen Lebensbereich im Kindesalter wird die körperliche Aktivität der SchülerInnen nachhaltig gefördert. Damit trägt diese Maßnahme zur Verbesserung der Chancengleichheit auch bei Kindern in sozial benachteiligten Stadtteilen bei.