Klinische Neurophysiologie 2012; 43 - V100
DOI: 10.1055/s-0032-1301493

Gestörte Autoregulation als Ursache für cerebelläre Grenzzoneninfarkte bei Migräne?

M Reinhard 1, J Schork 2, A Allignol 3, C Weiller 4, H Kaube 2
  • 1Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • 2Neurologische Klinik, Freiburg
  • 3Freiburger Zentrum für Datenanalyse und Modellbildung, Freiburg
  • 4Freiburg Brain Imaging, Freiburg

Fragestellung: Stumme cerebrale Ischämien sind bei Patienten mit Migräne mit Aura häufig und dann meistens in den Grenzzonen des Kleinhirns lokalisiert. Dies legt eine Störung der cerebellären Autoregulation nahe. Wir untersuchten daher erstmals die cerebelläre Autoregulation bei Patienten mit Migräne mit und ohne Aura.

Methodisches Vorgehen: 34 Patienten (n=17 mit Migräne ohne Aura [MO], n=17 mit Migräne mit Aura [MA]) außerhalb einer Migräneattacke und 35 gesunde Kontrollpersonen gleichen Alters und Geschlechts wurden in die Studie eingeschlossen. Mittels transkranieller Dopplersonographie erfolgte ein innovatives simultanes Dreifach-Monitoring einer A. cerebelli inferior posterior (PICA), der rechten A. cerebri posterior (ACP) und der linken A. cerebri media (ACM). Die dynamische Autoregulation wurde aus spontanen Blutdruckfluktuationen (Korrelations-Koeffizient Dx) und aus ateminduzierten 0.1 Hz Blutdruckoszillationen (Phase und Gain) berechnet.

Ergebnisse: Im Vergleich mit Gesunden war der Autoregulationsindex Dx signifikant höher (=schlechtere Autoregulation) in der PICA (p=0.0062) und ACM (p=0.0078) bei MA aber nicht bei MO. Phase und Gain unterschieden sich nicht signifikant zwischen Migränepatienten und Gesunden. Signifikante Assoziationen der Autoregulationswerte in den einzelnen Stromgebieten mit Cofaktoren wie Frequenz der Migräneattacken, orthostatische Intoleranz oder Latenz zur folgenden Migräneattacke bestanden nicht.

Schlussfolgerung: Eine spezifische cerebelläre Autoregulationsstörung besteht bei Migränepatienten im Intervall zwischen den Attacken nicht. Bestimmte Autoregulationseigenschaften (Index Dx) sind jedoch bei Patienten mit Migräne mit Aura sowohl cerebellär als auch im Mediastromgebiet gestört. Die cerebelläre Prädilektion von ischämischen Läsionen bei Migräne mit Aura beruht am ehesten auf einer Kombination aus gestörter Autoregulation und zusätzlichen Faktoren wie der Endarterien-Konstellation des cerebellären Gefäßsystems.