Geburtshilfe Frauenheilkd 2011; 71 - R_3
DOI: 10.1055/s-0031-1286486

Die Plazenta: eine fetomaternale Chimäre?

JS Fitzgerald 1, M Weber 1, A Weise 2, UR Markert 1, E Schleußner 1
  • 1Geburtshilfe/Universitätsklinikum Jena
  • 2Institut für Humangenetik/Universitätsklinikum Jena

Fragestellung:

Ein langjähriges Ziel der Reproduktionsimmunologie war es, die Vorgänge der maternalen Toleranz gegenüber dem semiallogenen Fets besser zu verstehen. Ein neuer Bereich der Tumorimmunologie beschäftigt sich mit der Idee, dass physiologisch vorkommende fetomaternale Mikrochimären für eine Toleranzinduktion von Krebszellen verantwortlich sind. Fetale Trophoblastzellen, ähnlich Krebszellen, invadieren die Dezidua mit dem Ziel maternale Spiralarterien zu „transformieren„. Laut bisherigen Paradigmen wird das maternale Endothel hier entweder vom Trophoblast phagozytiert oder zur Apoptose gezwungen. Aktuellere Ergebnisse weisen jedoch auf die Möglichkeit einer Fusion zwischen beiden Zellen hin. Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen ob maternale und fetale Zellen miteinander fusionieren können bzw. eine Chimäre bilden können. Das Erfassen dieser Chimärenbildung könnte einen Beitrag zum besseren Verständnis der schwangerschaftsbedingten Toleranzvorgänge leisten.

Methode:

Die Verteilung fusiogener Proteine, ADAM12 (A Disintergrin and Metalloproteinase 12) und Dysferlin, wurden in reifen Plazenten immunhistochemisch untersucht. Zur Lokalisation der Trophoblastzellen wurden die selben Proben mit einem Trophoblastzellmarker gegengefärbt. Kokulturen zwischen trophoblastären und Endothel-Zelllinien (entsprechend mit MitroTracker rot oder grün gefärbt) dienten als in-vitro-Modell einer Konfrontation der beiden Zelllinien. Fusionsereignisse sind anhand der zellulären Gelbfärbung im Fluoreszenzmikroskop erkennbar.

Ergebnisse:

Fusiogene Proteine sind in den Plazentabereichen die bekanntermaßen Fusionsereignisse aufweisen stark exprimiert, z.B. am Synzytium. Die Proteine werden außerdem in Bereichen um deziduale Gefäßabschnitte exprimiert. Die Koexpression dieser Proteine mit dem Trophoblastzellmarker sowie die perivaskuläre Lokalisation dieser Zellen lässt vermuten, dass es sich um endovaskuläre Trophoblastzellen handelt. In vitro konnten putative Fusionsereignisse auch ohne die Zugabe von Fusionsstimulatoren beobachtet werden.

Schlussfolgerung:

Die Expression fusiogene Proteine in den endovaskulären Trophoblastzellen weisen auf die Fusionskapazität dieser Zellen hin. In vitro konnten Fusionsprozesse zwischen trophoblastäre Zellen und Endothelzellen beobachtet werden. Weitere genetische Untersuchungen folgen um eine definitive Chimärenbildung nachzuweisen. Diese Experimente suggerieren jedoch, dass endovaskuläre Trophoblastzellen mit Endothelzellen eine Fusion eingehen.