Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - P307
DOI: 10.1055/s-0030-1255194

HbA1c- und Glukosemessungen identifizieren unterschiedliche Populationen mit Typ 2 Diabetes: KORA S4/F4 Survey

B Kowall 1, W Rathmann 1, T Tamayo 1, G Giani 1, R Holle 2, B Thorand 3, M Heier 3, C Huth 3, C Meisinger 3
  • 1Deutsches Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Biometrie und Epidemiologie, Düsseldorf, Germany
  • 2Helmholtz Zentrum München, German Research Center for Environmental Health, Institute of Health Economics and Health Care Management, Neuherberg, Germany
  • 3Helmholtz Zentrum München, German Research Center for Environmental Health, Institute of Epidemiology, Neuherberg, Germany

Hintergrund: Während die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen diagnostischen Kriterien für den Typ 2 Diabetes (T2DM) weiterhin auf der Nüchternglukose (FPG) bzw. dem oralen Glukosetoleranztest (OGTT) beruhen, empfiehlt die Amerikanische Diabetes-Gesellschaft (ADA) in 2010den HbA1c-Wert als alternatives Diagnostikum. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern mit dem ADA-Kriterium HbA1c ≥6,5% ein vergleichbares Kollektiv als Diabetespatienten definiert wird wie mit den WHO-Kriterien von 1999, und wie die diagnostische Güte des neuen HbA1c-Kriteriums einzuschätzen ist.

Methoden: Die Analysen beruhen auf Daten des bevölkerungsbasierten KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg)-S4-Surveys (1999/2001) und des 7-Jahre-Follow-ups (KORA-F4-Studie (2006/2008)). Eingeschlossen sind 1764 Probanden ohne bereits bekannten Diabetes aus der F4-Studie, die zum Untersuchungszeitpunkt 31–60 Jahre alt waren. Zum Vergleich wurden auch Daten von 896 Probanden aus der S4-Studie analysiert (Alter zum Untersuchungszeitpunkt 61–75 Jahre). Von allen Probanden wurden HbA1c (DCCT Standard), FPG und 2h-Glukose (OGTT) ermittelt.

Ergebnisse: In KORA F4 wurden von 41 nach WHO-Kriterien diagnostizierten bisher unentdeckten T2DM-Fällen nur 10 (24%) auch mit dem HbA1c-Kriterium identifiziert. Der optimale diagnostische Cut-off des HbA1c für die Identifizierung des Diabetes (WHO-Kriterien) lag in dieser Kohorte mit 5,7% deutlich unter 6,5%. Für den Cut-off von 5,7% ergaben sich eine Sensitivität von 80% und eine Spezifität von 86%. Der HbA1c ist mit der FPG (Spearman-Korrelation: 0,43) stärker assoziiert als mit der 2h-Glukose (Spearman Korrelation: 0,24). Bei Probanden mit unentdecktem T2DM lagen die Spearman-Korrelationen zwischen dem HbA1c und den Glukosewerten höher als bei Probanden ohne unentdecktem T2DM. Mit dem neuen ADA-Kriterium für Prädiabetes (5,7% ≤ HbA1c <6,5%) wurden von den Probanden mit gestörter Glukosetoleranz (IGT) 58 von 147 (39,5%) diagnostiziert. Von 334 Probanden mit gestörter Nüchternglukose (IFG) wurden mit dem ADA-Prädiabetes-Kriterium 127 (38,0%) erfasst. Für die ältere Kohorte (S4) ergaben sich vergleichbare Resultate: Von 71 nach WHO-Kriterien diagnostizierten unentdeckten T2DM-Fällen wurden nur 15 (21%) auch mit dem HbA1c-Kriterium identifiziert. Der optimale Cut-off für die Identifizierung des T2DM nach WHO-Kriterien lag mit 6,0% höher als bei der jüngeren Kohorte.

Schlussfolgerung: Mit Glukose- (nach WHO) und HbA1c-Messungen (nach ADA) werden unterschiedliche Populationen mit Typ 2 Diabetes identifiziert, wobei mit dem neuen ADA-Kriterium drastisch geringere T2DM-Prävalenzen ermittelt werden. Ein Cut-off von 6,5% für den HbA1c ist nach den Befunden aus der KORA-Studie deutlich zu hoch angesetzt. Auch gestörte Glukosetoleranz und gestörte Nüchternglukose werden mit dem HbA1c-Kriterium nur schlecht erfasst.