Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - P185
DOI: 10.1055/s-0030-1253913

Mauriac-Syndrom und schwere diabetische Retinopathie bei einem 15jährigen Jungen mit Insulinpumpentherapie

T Biester 1, T Kracht 1, N Datz 1, O Kordonouri 1, L Jokuti 1, S Nikolic 2, T Danne 1
  • 1Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover, Germany
  • 2Gemeinschaftspraxis Dres. Höing, Nikolic, Aser-Asaritis, Hannover, Germany

Einleitung: Das Mauriac Syndrom mit einer Kombination von Minderwuchs, Adipositas und Hepatomegalie wurde 1930 als Folge eines schlecht eingestellten Typ 1 Diabetes (T1D) bei Kindern und adoleszenten Patienten beschrieben. Während einer Insulinpumpentherapie ist das Mauriac-Syndrom unseres Wissens bislang nicht beschrieben worden.

Fallvorstellung: Der 15jährige Patient mit T1D seit dem 1. Lebensjahr stellte sich 6 Jahre nach Beginn einer Insulinpumpentherapie mit folgenden Befunden vor: HbA1c 13%, Größe 154cm (<3. Perz.), Gewicht 43kg (3.-10. Perz.), Pubertätsstadium III nach Tanner. Abdomensonographisch bestand eine massive Hepatomegalie (17,6cm im MCL, STL 13cm) bei normwertigen Leberenzymen und unauffälliger Milz. Eine Mikroalbuminurie lag nicht vor. Eine 24h-RR-Messung zeigte Blutdruckwerte über der 95. Perz. (mittlerer RR tagsüber: 130/85mmHg; nachts 123/78mmHg), mit insgesamt behandlungbedürftigem Befund. Trotz in der Fundoskopie fehlender Zeichen einer diabetischen Retinopathie, fand sich fluoroeszenzangiographisch eine massive diabetische Hintergrundretinopathie mit diffusem Makulaödem, avaskulären arealen und Gefäßabbrüchen. Das Knochenalter zeigte sich im Röntgen der linken Hand mit 12 6/12 Jahren verzögert, eine IGF-I Bestimmung im Jahr 2007 war regelrecht. Anamnestisch konnte ein Wachstumsknick ab dem 5. Lj. festgestellt werden, die dokumentierte glykämische Stoffwechsellage war über mehrere Jahre ungünstig (HbA1c 10,3–12,0%).

Diskussion: Auch unter den Rahmenbedingungen des heutigen Gesundheitswesens ist ein Mauriac-Syndrom mit modernster Medizintechnologie möglich. Ein Insulinmangel ist als ursächlich für die Wachstumsverzögerung anzusehen, während intermittierend hohe Insulinbolusgaben durch die Pumpe bei massiver Hyperglykämie als Auslöser von Lipo- und Glycogenese zur Hepatomegalie anzusehen sind. Der vorliegende Fall unterstreicht zudem die Bedeutung der Fluoreszenzangiografie zur Einschätzung des retinalen Befundes von Jugendlichen mit schlechter Stoffwechseleinstellung. Bei ungünstiger Betreuungssituation kann es somit bei unsachgemäßer Insulinpumpentherapie zu einem typischen Mauriac-Syndrom kommen. Eine engmaschige interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Kinderdiabetologen, Augenarzt und Sozialdienst ist für die weitere Behandlung unerlässlich.