Klinische Neurophysiologie 2009; 40 - P393
DOI: 10.1055/s-0029-1216252

Reduzierte Kapazität des sensorischen auditorischen Gedächtnisses bei ehemaligen Late Talkers: Mismatch Negativity und Gedächtnisleistungen

N Großheinrich 1, S Kademann 1, W von Suchodoletz 1
  • 1München

Fragestellung: Etwa 50% der Kinder mit einer Sprachentwicklungsverzögerung im Alter von 2 Jahren (Late Talkers, LTs) zeigen im Kindergartenalter eine Sprachentwicklungsstörung (SES). Als pathogenetischer Hintergrund für persistierende Spracherwerbsstörungen wird eine verminderte Kapazität im auditorischen Gedächtnis diskutiert. In der vorliegenden Studie wird mit neuropsychologischen Testverfahren und einem MMN-Paradigma mit unterschiedlich langen Interstimulusintervallen der Frage nachgegangen, ob sich bei ehemaligen LTs Defizite im auditorischen sensorischen Gedächtnis nachweisen lassen und ob sich diese abhängig vom Persistieren der Sprachstörung zeigen.

Methoden: Bei 37 Kindern mit einem verzögerten Spracherwerb und 34 Kontrollkindern wurde im Alter von 4 Jahren die Mismatch Negativity (MMN) mit Interstimulusintervallen von 500 und 2000ms abgeleitet. Außerdem wurden neuropsychologische Testverfahren zur Messung von Sprachfähigkeiten und Gedächtnis eingesetzt.

Ergebnisse: Im Vergleich zu den Kontrollkindern wurde bei ehemaligen LTs bei einem ISI von 2000ms eine Verminderung der MMN-Amplitude gefunden, während sich bei einem ISI von 500ms kein Unterschied zu den Kontrollkindern zeigte. Dieses Ergebnis wurde unabhängig vom Vorliegen einer SES beobachtet. Die MMN bei einem ISI von 2000ms korrelierte mit Gedächtnis-, nicht aber mit Sprachleistungen.

Schlussfolgerungen: Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei sprachlich unauffällig entwickelten vierjährigen Kindern die Gedächtnisspur für Töne auch noch nach 2000ms im sensorischen auditiven Speicher vorhanden ist. Bei ehemaligen LTs ist die Information nach 500ms präsent, nach 2000ms aber verblasst. Diese Befunde sprechen für Defizite im sensorischen auditorischen Gedächtnis bei Late Talkers, die auch noch im Kindergartenalter nachweisbar sind. Da eine Verkürzung des Verbleibs der akustischen Gedächtnisspur im sensorischen Speicher auch bei Kindern ohne Sprachauffälligkeit zu beobachten ist, können Schwächen im auditorischen Gedächtnis nicht als Prädiktor für die weitere Sprachentwicklung von Late Talkers herangezogen werden.