Klinische Neurophysiologie 2009; 40 - V140
DOI: 10.1055/s-0029-1216125

Zur zerebralen Repräsentation emblematischer Gesten: Perzeption und Motor Imagery

M Uhlig 1, R Lindenberg 1, D Scherfeld 1, RJ Seitz 1
  • 1Düsseldorf

Hintergrund: Symbolhafte Gesten sind ein Kommunikationsmittel, das in einem bestimmten kulturellen Kontext analog zu Worten gebraucht werden kann, jedoch situativ grundlegend verschieden von gesprochener und geschriebener Sprache ist. Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie werden in der vorliegenden Studie folgende Hypothesen geprüft: Die Beobachtung von Gesten (Identifikation mit dem Adressaten) und die imaginierte Imitation derselben Gesten (Identifikation mit dem Gestikulierenden/Motor Imagery) umfassen sprachrelvante Areale, aber auch jeweils distinkte, spezialisierte Regionen.

Methoden: Zwanzig gesunde rechtshändige Probanden (zehn weibliche und zehn männliche; Alter 23,8 [SD 1,3]; Muttersprache Deutsch) wurden in einem 3T-MRT untersucht (Siemens Trio). Es wurden Filme in pseudo-randomisierter Folge präsentiert, in denen neben 25 emblematischen Gesten (z.B. „Daumen hoch“, „Victory“-Zeichen) auch eine sinnlose Geste und eine statische Haltung ohne Gestikulieren als Kontrollbedingungen zu sehen waren. Die Aufgabe der Probanden bestand darin, (1) die Gesten auf sich zu beziehen und (2) sich vorzustellen, die Gesten selber auszuführen. Mittels SPM5 wurden die Daten in einem Random Effects-Modell ausgewertet (p<0,001).

Ergebnisse: Gemeinsame Repräsentationen von Gesten-Perzeption und Motor Imagery zeigten sich linksdominant inferofrontal und temporal sowie mesiofrontal und cerebellär. Spezifische Areale, die mit der Perzeption assoziiert waren, fanden sich präcingulär, links-dorsolateral präfrontal und am linken Temporalpol. Spezifische Regionen mit Repräsentation von Motor Imagery zeigten sich biparietal und im prämotorischen und supplementär-motorischen Cortex.

Schlussfolgerungen: In Analogie zur Dichotomie von „ventral stream“ und „dorsal stream“ ließen sich (1) für die Beurteilung von Gesten Aktivierungen in präfrontalen, frontomesialen und temporopolaren Arealen und (2) für die Vorstellung der Ausführung von Gesten Aktivierungen in parietalen und sekundär-motorischen Arealen nachweisen. Die Ergebnisse eröffnen einen Einblick in die mentale Verarbeitung der Kommunikation mit Gesten und können unter anderem ein Modell zum Verständnis kognitiver Defizite im Rahmen von Apraxien liefern.