Klinische Neurophysiologie 2009; 40 - A35
DOI: 10.1055/s-0029-1216059

TMS und periphere Fazialisparesen

PP Urban 1
  • 1Hamburg

In der Frühphase (1.–3. Tag) einer peripheren Fazialisparese ist die kanalikuläre transkranielle Magnetstimulation (TMS) diagnostisch am wertvollsten, da durch den Nachweis einer kanalikulären Untererregbarkeit des N. fazialis die periphere extrazerebrale Genese einfach nachweisbar ist. Bei der idiopathischen Fazialisparese ist eine kanalikuläre Untererregbarkeit praktisch immer bereits am 1. Erkrankungstag nachweisbar. Ihr Fehlen macht eine idiopathische Genese unwahrscheinlich und erfordert im Allegemeinen eine Liquoruntersuchung und Bildgebung, da diese Konstellation für eine zentrale faziale Parese oder eine periphere Fazialisparese durch eine Hirnstammläsion spricht. In beiden Fällen kann die zentral motorische Leitzeit verlängert sein. Eine kanalikuläre Untererregbarkeit beweist allerdings nicht das Vorliegen einer idiopathischen Genese, da diese auch bei anderen Ursachen wie Zoster oticus, Meningeosis carcinomatosa, etc. angetroffen werden kann. Gelegentlich beobachtet man bei einer klinisch nur einseitigen peripheren Fazialisparese eine bilaterale Unter- oder Unerregbarkeit in der TMS. Dies spricht gegen eine idiopathische Fazialisparese und deutet auf eine andere Ursache hin (z.B. eine Neuroborreliose oder ein Guillain-Barré-Syndrom). Im Verlauf einer idiopathischen Fazialisparese ist die kanalikuläre Unter- oder Unerregbarkeit noch nach Monaten nachweisbar, wenn bei kortikaler Stimulation bereits wieder ein normales Antwortpotential auslösbar ist und sich die Fazialisparese vollständig zurückgebildet hat. Die kanalikuläre TMS hat somit keine prognostische Bedeutung. Zu beachten ist außerdem, dass die kanalikuläre Stimulation nur zusammen mit der elektrischen, mastoidalen Stimulation interpretiert wird, da es in einzelnen Fällen bereits 3 Tage nach klinischer Manifestation zu einer deutlichen Amplitudenminderung i.S. einer Waller'schen Degeneration kommen kann, so dass eine Amplitudenreduktion bei TMS nach mehr als 3 Tagen nicht automatisch auf eine kanalikuläre Untererregbarkeit bezogen werden darf.

Die zusätzliche elektrische mastoidale Fazialisreizung hat zudem eine Bedeutung zur Beurteilung der Prognose. Eine Minderung der Amplitude des Muskelaktionspotentials (MAP) im Seitenvergleich nach 10–14 Tagen von weniger als 90% nach elektrischer mastoidaler Reizung spricht für eine günstige Prognose. Neben den absoluten Werten kommt auch der Verlaufsuntersuchung eine Bedeutung zu. Eine Amplitudendifferenz bis 50% ist bei einmaliger Messung aufgrund der ausgeprägten inter- und intraindividuellen Variabilität nicht bewertbar.