Laryngorhinootologie 2023; 102(05): 393-396
DOI: 10.1055/a-2012-1499
OP-Techniken

Eingriffe an Larynx, Hypopharynx und Trachea

J. A. Werner
,
J. P. Windfuhr

Endolaryngeale Eingriffe

Direkte endolaryngeale Eingriffe

Direkte Laryngotracheoskopie mit dem Beatmungslaryngotracheoskop („Notfallrohr“)


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OP-Prinzip

Direkte Inspektion von Larynx und Trachea in Narkose mit schlankem Rohr (auch mit Batteriehandgriff verfügbar) und Beatmungsanschluss, besonders im Rahmen einer Notfallendoskopie oder bei Intubationsschwierigkeiten.


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Indikation

  • Direkte Laryngoskopie, Probeexzision, Polypotomie, falls enge oder besondere anatomische Verhältnisse eine Intubation nicht gestatten.

  • Notfallmäßige Endoskopie bei Intubationsschwierigkeiten (insbesondere im Zusammenhang mit Blutungskomplikationen nach Tonsillenchirurgie), Larynx- und Trachealtumoren, Larynx- und Trachealverletzungen.

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Abb. 1 Direkte Laryngotracheoskopie. a Lagerung mit angehobenem und rekliniertem Kopf. Laryngoskopspatel, mit linker Hand gehalten, zieht in Richtung des Handgriffs. b Das Beatmungslaryngotracheoskop wird mit der rechten Hand vom Mundwinkel aus eingeführt. Die Rohrspitze gleitet unter den Kehldeckel und wird danach leicht angehoben.

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Kontraindikation

In Notfallsituationen: keine schwere Allgemeinerkrankungen mit Narkoseunfähigkeit.


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Spezielle Patientenaufklärung

Wie bei der direkten Stützlaryngotracheoskopie (S. 206).


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Spezielle Instrumente und Implantate

Laryngoskopspatel, Notfalltracheoskop (verschiedene Durchmesser und Längen), passende Sauger und durch das Rohr führbare Instrumente (z. B. Doppellöffel).


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Anästhesie

Vor Relaxation muss sichergestellt sein, dass Maskenbeatmung möglich ist oder dass die Einführung des Rohres durch die Glottis gelingt (erübrigt sich in Notfallsituationen).

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Abb. 2 Direkte Laryngotracheoskopie. 1: Aryknorpel, Stimmlippen, Taschenfalten sind übersehbar. 2: Zum Eintritt in die Trachea wird die Rohrspitze in die Sagittalrichtung eingestellt, dann durch die Glottis geführt. 3: Unter Rückdrehung um 90° überwindet bei weiterem Vorschieben der gesamte Rohrumfang die Glottis.

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OP-Technik

  • Lagerung: Flach auf dem Operationstisch, Kopfreklination. Zahnprothese entfernen, Zahnschutz. Vor Beginn über Maskenbeatmung gute Oxygenierung, Relaxation.

  • Entfaltung des Pharynx: Laryngoskopspatel (nicht zu groß wählen) mit der linken Hand vom rechten Mundwinkel her zur Mitte hin einführen und Spitze bis in die Vallecula vorschieben, Epiglottis nicht aufladen. Rechte Hand hält den Kopf rekliniert. Durch Zug am Spatel in Richtung des Handgriffs (nicht hebeln) wird der Pharynx entfaltet und die Epiglottis hochgestellt, bis die Aryknorpel und hinteren Stimmbanddrittel zu erkennen sind ([Abb. 1a, b]).

  • Einführen des Laryngotracheoskops: Mit rechter Hand vom Mundwinkel her Notfallrohr mit dem Schliff nach dorsal an der kranialen Epiglottiskante vorbeiführen, ggf. Zahnlücke ausnutzen. Laryngoskopspatel danach zurückziehen.

  • Exposition des Larynx: Durch das Rohr hindurch sind nun die Schleimhaut bedeckten Aryknorpel sichtbar. Leichtes Anheben der Rohrspitze, Vorschieben unter Sicht bis zur Glottis. Vor der Glottis wird zunächst das Rohr um 90° gedreht und die schmale Spitze in die Glottis eingeführt; während der weiteren Passage wird das Rohr wieder zurückgedreht und die Glottis mit dem vollen Rohrdurchmesser passiert. Rohr dabei mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand an den Zähnen abstützen und gleichzeitig den Kopf in Reklination halten ([Abb. 2]).

  • Inspektion der Trachea: Zur Larynxinspektion vorsichtiges Zurückziehen des Rohres über das Glottisniveau; anschließend wieder in die Trachea vorschieben und beatmen. Die Länge der Beatmungspausen wird von der kontinuierlichen Messung der O2-Sättigung bestimmt.

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Abb. 3 Vorgehen bei schwieriger Intubation. a Durch ein Beatmungstracheobronchoskop wird eine dünne, aber stabile Führungssonde in die Trachea geführt. b Intubation über die Führungssonde unter Fingerführung.
Regeln, Tipps und Tricks
  • Starres Instrument mit Gleitgel bestreichen.

  • Biopsien und Ähnliches werden mit langen Doppellöffeln vorgenommen. Die Instrumente werden beim Rechtshänder mit der rechten Hand geführt, mit der linken Hand wird das Rohr stabilisiert. Anschließend wieder Vorschieben über die Glottis und Beatmung. Blutungsstillung mit Privin-getränktem Wattetriller.

  • Bei schwieriger Intubation: In Notfallsituationen wird das „Notfallrohr“ in die Trachea eingeführt und die Beatmung ermöglicht. Aspiriertes Blut kann über das Instrument mit verschiedenen Saugern entfernt werden. Schließlich ist es möglich, eine Führungssonde zu platzieren, um hierüber anschließend einen Tubus zu platzieren ([Abb. 3]).

  • Bei kritischer Auffindung des Larynxeingangs bei Ödem, Tumor oder Trauma: Nach guter Exposition des Pharynx mit Laryngoskopspatel fest auf den Thorax drücken lassen; der dann austretende Luftstrom weist den Weg zur Glottis. Diese Maßnahme ist heute kaum noch erforderlich, da Videolaryngoskope das Auffinden der Glottisebene in den meisten Fällen ermöglichen.

  • Grundsätzlich auch flexible Intubation über dünnes Bronchoskop rasch verfügbar vorhalten. Diese kann transnasal oder transoral erfolgen. Hierzu wird der Tubus über das flexible Bronchoskop geschoben. Jetzt wird der Intubationsspatel vom Assistenten eingesetzt, der zudem den rechten Mundwinkel nach außen zieht. Nun führt der die Intubation vornehmende Arzt das Bronchoskop unter Sicht auf dessen Spitze vor die Epiglottis und dirigiert es anschließend unter endoskopischer Kontrolle durch die Glottisebene in die Trachea bis zur Bifurkation. Erst jetzt wird der geschiente Tubus von dem Assistenten vorgeschoben und während der Untersuchung die Position des Endoskops beibehalten. Nach Tubusplatzierung wird das Endoskop entfernt.

Risiken und Komplikationen
  • Zahnverletzung oder Zahnverlust, besonders bei vorbestehendem Zahnschaden oder Überkronungen

  • Heiserkeit bzw. Zunahme einer vorbestehenden Heiserkeit durch Schwellung, aber auch durch Narben- oder Synechiebildung

  • Larynxschwellung mit Dyspnoe, bei vorbestehender Enge ggf. Tracheotomie oder Intubation

  • Verletzung (evtl. Perforation) von Hypopharynx, Larynx, Trachea und Ösophagus in Notfallsituationen mit eingeschränkter Sicht


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Nachbehandlung

  • Antitussivum gegen Hustenreiz bereits intraoperativ

  • bei Ödembildung oder enger Glottis Kortikoide vor Beendigung des Eingriffs, Überwachung

  • Stimmschonung je nach Larynxbefund


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Transorale kaltschneidende Resektion benigner laryngealer Veränderungen


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Stimmlippenpolypen

Polypen mit Fasszange anziehen und mit gerader oder gebogener Schere die Schleimhaut an der Basis umschneiden, ohne Muskulatur oder Lig. vocale zu verletzen. Erforderlichenfalls die Schnittränder mit dem Scherchen sorgfältig glätten. In der vorderen Kommissur keine korrespondierenden Schleimhautdefekte setzen.

Bei Stimmlippenpolypen ist eine postoperative logopädische Übungsbehandlung nach Abschluss der Wundheilung sinnvoll.


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Hyperkeratosen

Hyperkeratosen sind makroskopisch oft nicht gegen ein Malignom abzugrenzen. Resektion deswegen grundsätzlich in toto mit gewissem Sicherheitsabstand – aber oberflächlich. Möglichkeit der Injektion eines Vasokonstringens in einem freien Stimmlippenbezirk, um die oberflächliche Mukosaschicht von der Unterfläche abzuheben. Schleimhaut dorsal der Hyperkeratose mit Schere oder Sichel- oder geradem Tellermesser quer inzidieren, dann längs des Sinus Morgagni nach ventral schlitzen und mit der Schere vor der vorderen Kommissur bis zum freien Stimmlippenrand einschneiden. Anschließend die gebildete Schleimhautlefze mit einem Pinzettenzängelchen anheben und mit Schere oder Tellermesser flächig lösen, um sie am freien Stimmlippenrand abzutrennen. Blutstillung, z. B. mit in Suprarenin getränktem Watteträger.


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Reinke-Ödem

Beim Reinke-Ödem empfiehlt es sich, die Schleimhautinzisionslinie medial des Übergangs zum Morgagni-Ventrikel in Längsrichtung des Stimmbands zu führen. Danach Absaugen des sulzigen Inhalts ([Abb. 4]). Zurückverlagern des die Inzisionsregion bedeckenden Schleimhautanteils. Nun vorsichtige, keinesfalls zu großzügige Exzision des Schleimhautüberschusses. Bei beidseitiger Behandlung auf einer Seite quere Schleimhautinzision vor der vorderen Kommissur, die nicht korrespondierend entblößt werden sollte.

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Abb. 4 Eröffnung des Reinke-Raums mit Wiege- oder Tellermesser. Auf eine Schonung der Kontaktflächen beider Stimmlippen ist zu achten.
Merke

Beim Reinke-Ödem kann die Ödemexzision beidseits erfolgen, wenn die vordere Kommissur sicher geschont wird. Falls bis in die vordere Kommissur vorgedrungen wurde, Gegenseite möglichst nicht in gleicher Sitzung, sondern erst nach Abschluss angehen.

Risiken und Komplikationen

Schleimhautverletzungen im Bereich der vorderen Kommissur mit korrespondierender Wundfläche im Bereich der anterioren Stimmlippen können Ausgangspunkt therapiebedürftiger, ausgedehnter Synechien sein.

Gelegentlich ist auch beim Reinke-Ödem eine postoperative logopädische Übungsbehandlung nach Abschluss der Wundheilung sinnvoll.


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Zysten

OP-Prinzip

Die operative Behandlung der Zysten besteht in der Exzision im Sinne einer Enukleation, um die Stimmbandschleimhaut zu schonen. Die Stimmlippenzysten sind keineswegs immer am freien Rand lokalisiert, sie können auch am subglottischen Abhang auftreten.


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Indikation

Mehr oder weniger ausgeprägter Phonationsspalt mit hieraus resultierender Heiserkeit.


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Kontraindikation

Keine, abgesehen von anästhesiologischen Aspekten.


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OP-Technik

  • Nach mikrolaryngoskopischer Exposition des Befundes wird die die Zyste bedeckende Stimmlippenmukosa inzidiert und mit einem feinen Zängelchen medialwärts gezogen.

  • Nun folgt die komplette Ausschälung bzw. Enukleation der Zyste.

Regeln, Tipps und Tricks
  • Grundsätzlich mikroskopische Vergrößerung. Beidhändig arbeiten: linke Hand fasst und strafft Gewebe, rechte Hand präpariert. Arme leicht anwinkeln, Ellenbogen ggf. abstützen.

  • Für optimale Sicht sorgen, Blutungen absaugen, Unterspritzung mit NaCl-Lösung und Betupfen/Kompression der Schleimhaut mit Adrenalin (1:1000) reduziert die Blutungsstärke und verbessert die Übersicht, ggf. bipolare Koagulation.


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Synechien

  • Zunächst optimale Exposition der vorderen Kommissur.

  • Die Synechie wird kaltschneidend auf einer Stimmlippenseite bis in die vordere Kommissur getrennt; den gebildeten Epithelzipfel hochnähen oder hochkleben.

  • Bei Wiederausbildung der Synechie Synechieplatte 3-eckig ausschneiden und 3-eckförmigen, schmalen Dilatator aus Silikon in die vordere Kommissur für etwa 3–4 Wochen einbringen. Hier darf der Hinweis nicht fehlen, dass nach Platzhaltereinlage eine gelegentlich verstärkte Granulationsbildung zu beobachten ist, welche den Abheilungsprozess erheblich beeinträchtigen kann.

  • Der Silikonstent für die Commissura anterior laryngis wird endoskopisch in die Commissura anterior laryngis platziert und soll den Wundbereich um 3 mm in vertikaler und sagittaler Richtung überragen. Die endoskopische Entfernung erfolgt in der Regel 4 Wochen später. An dem etwa 0,4 mm dicken Stent befindet sich eine schlauchförmige Öffnung, in die ein nicht resorbierbarer monofiler Faden der Stärke 0 eingefädelt ist. Dieser wird im Rahmen der Mikrolaryngoskopie unter Verwendung des Lichtenberger-Nadelhalters translaryngeal-transkutan kaudal und kranial der Wunde eingebracht und über einem Silikonkopf über der Halshaut verknotet.


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Alternative

Auch wenn Langzeituntersuchungen und kontrollierte Studien noch ausstehen, gibt es Hinweise dafür, dass eine topische Mitomycin-C-Applikation nach Durchtrennung der vorderen Glottisstenose bessere langfristige Ergebnisse zeigt als nach alleiniger Synechiendurchtrennung.

Aus: Rettinger G, Hosemann W, Huttenbrink KW, Werner JA. HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. 5., vollstandig uberarbeitete Auflage


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Publication History

Article published online:
04 May 2023

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