Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2022; 27(01): 5
DOI: 10.1055/a-1708-9371
Herausgeberkommentar

Wie geht es weiter im deutschen Gesundheitswesen?

What is the future of the German health care system?
Reinhard P. T. Rychlik

Geht es überhaupt weiter im deutschen Gesundheitswesen? Corona scheint nicht nur ein unerwünschtes Intermezzo gewesen zu sein, sondern entwickelt sich hin zu einer Chronifizierung, insbesondere bei Leistungserbringern und Politik. Patient und Gesellschaft sind zwischenzeitlich gespalten und am Ende ihrer Kräfte.

Eine Diskussion um Krankheit und Tod hat dies jedoch offenbar nicht beflügelt, obwohl es ja immer um „Leben und Tod“ ging.

Vielleicht verpasste Chancen, aber noch ist nichts vorbei außer einer Regierungsperiode.

Und da besinnt man sich wenigstens in den Koalitionsverhandlungen, dass es noch etwas anderes gibt: eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung, verbesserte Arbeitsbedingungen für die Werktätigen, verstärkte Digitalisierung bei stabilen Finanzen.

Nichts davon ist da, aber Wünsche wird man doch noch äußern dürfen. Wie wichtig Gesundheit für die Politik ist, bleibt unklar. Ob es durch Corona wichtiger geworden ist?

Zumindest konnte man doch mehr Geld ins System geben als gedacht. Einsparpotenziale und Gesundheitsökonomie: mitnichten. Klar geworden sein sollte, dass ohne Gesundheit nichts geht. Deshalb soll auch der Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds regelhaft dynamisiert werden. Klar sollte aber auch sein, dass Gesundheit nicht ohne Menschen geht. Deshalb sollte unbedingt eine Potentialanalyse der Digitalisierung im Gesundheitswesen erstellt werden.

In der Altenpflege werden ebenfalls keine Roboter, Asylanten, Asiaten und Südamerikaner ohne Sprachkenntnisse und Lernwillige eines noch zu etablierenden „freiwilligen sozialen Jahres“ gesucht. Menschliche Qualitäten sind keine Ressourcen, die man mit einer Pflegepersonalregelung 2.0 berechnen kann.

Es wird auch schwierig werden der Arzneimittelindustrie in dieser Zeit Preis und Menge gestaltbar zu machen und danach (wann war nochmal „danach“?) das lernende AMNOG zur Preisgestaltung den Krankenkassen zu überlassen. Da hilft auch nicht die Europäisierung (14.12.) der zugrundeliegenden HTAs. Ob es gelingen wird, Produktionsstellen für Arzneimittel nach Europa zurückzuverlegen bleibt fraglich. Ohne Subventionen wird dies nicht gelingen.

Dagegen ist die geplante Regionalisierung ein vielversprechender Ansatz: An den Ausbau wohnortnaher Versorgung könnten spezifische Vergütungsstrukturen geknüpft werden. Dazu scheint auch die Förderung niedrigschwelliger Beratungs- und Versorgungsangebote zu gehören, wobei der Term „Gesundheitskiosk“ noch zu beleben wäre.

Zumindest wird bis Ende 2022 ein Aktionsplan für ein barrierefreies, inkludiertes Gesundheitswesen stehen und der Innovationsfond bleibt.

Für die verbleibenden Apotheker wird es zusätzlich eine Reform des Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken geben. Interessant wird in diesem Zusammenhang auch werden, die Kosten von Verhütungsmitteln von Kassen erstatten zu lassen. Damit es gerecht bleibt natürlich nur bei Geringverdienern!

Insgesamt ein dünnes Paket, bei dem Infarkt, Schlaganfall und Krebs noch nicht vorkommen. Aber noch haben wir ja auch Corona und dann kommt die Inflation und dann die Klimatisierung Deutschlands.

Prof. Dr. Dr. med. Reinhard P. T. Rychlik



Publication History

Article published online:
21 February 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany