Jugendhilfebedarf nach (teil-)stationärer kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung
Eine deskriptive Analyse
Abstract
Zusammenfassung.Fragestellung: In der psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen spielt die Kooperation der Systeme Gesundheitshilfe und Jugendhilfe eine bedeutende Rolle. Mit der vorgestellten Bedarfsanalyse wurde erfasst, wie viele Kinder und Jugendliche im Vorfeld und im Nachgang zu einer (teil-)stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung Jugendhilfemaßnahmen in Anspruch nahmen. Methodik: Über einen Zeitraum von 6 Monaten wurden die abgeschlossenen Behandlungsfälle aus 36 bayerischen Kliniken und Tageskliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie erfasst. Erhoben wurden neben soziodemografischen und diagnostischen Daten Informationen zu indizierten und im Anschluss an die klinische Behandlung realisierten Jugendhilfemaßnahmen. Ergebnisse: Bei 33 % aller (teil-)stationär behandelten Kindern und Jugendlichen wurde eine Jugendhilfeanschlussmaßnahme umgesetzt. Im Vorfeld der klinischen Behandlung nahmen bereits 38 % der Kinder und Jugendlichen Hilfen aus dem Leistungsspektrum der Jugendhilfe in Anspruch. Jeder zweite behandelte Patient hatte zu beiden Systemen, der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Jugendhilfe, Kontakt. Die größte Bedeutung kommt in der gemeinsamen Versorgung dem stationären Setting der Jugendhilfe zu. Schlussfolgerungen: In der gemeinsamen Versorgung handelt es sich häufig nicht um eine Überführung von einem Versorgungssystem in das andere, sondern um komplexe Hilfeverläufe in unterschiedlichen Konstellationen. Anzustreben wäre eine strukturiertere Erfassung der gemeinsamen Klientel und die Entwicklung systemübergreifender Versorgungsstrukturen zur Verbesserung der Kooperation.
Abstract.Objective: Cooperation between health and youth welfare services plays a prominent role in the psychosocial healthcare of children and adolescents with mental disorders. The need analysis presented here measured how many children and adolescents engaged youth welfare services before and after inpatient or daycare treatment. Method: The number of completed treatments from 36 Bavarian daycare and inpatient child and adolescent psychiatric clinics were recorded over a period of 6 months. Besides sociodemographic and diagnostic data, information was collected about indicated and subsequently realized measures of youth welfare following clinical and daycare treatment. Results: 33 % of the clinically treated children and adolescents participated in a youth-welfare measure after psychiatric treatment. In the run-up to clinical treatment, 38 % of the treated children and adolescents had engaged services of youth welfare. Half of the children and adolescents contacted both youth welfare services as well as child and adolescent psychiatric services. The residential setting of youth care is of major importance to the cooperative treatment. Conclusions: The provision of both youth welfare services and child and adolescent psychiatry treatment is usually not a matter of going from one system to another, but rather consists of different constellations of complex processes of mutual assistance. The goal is to carry out a structured survey of the common clientele and to develop a crossover system and common care structures in order to improve the overall cooperation.
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