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Originalarbeit

Verbrechen an Kindern und Jugendlichen in der NS-Zeit

Published Online:https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000226

Der Mord an psychisch Kranken und Behinderten in der Zeit des Nationalsozialismus traf die Schwächsten der Gesellschaft, darunter mehrere tausend Kinder. Ihr Weg in die Vernichtung konnte auf mehreren Ebenen stattfinden. Allein im Rahmen des so genannten «Reichsausschußverfahrens» wird die Zahl der getöteten Kinder auf 5.000 bis 10.000 geschätzt. In den hierfür eigens eingerichteten mehr als 30 «Kinderfachabteilungen» wurden die als bildungsunfähig angesehenen jungen Patienten systematisch ermordet und, wie das Beispiel der Abteilung in Loben zeigt, zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt. Dafür arbeiteten die Psychiater Ernst Buchalik und Elisabeth Hecker eng mit dem Neuropathologischen Institut in Breslau zusammen. Doch auch innerhalb der zwischen 1940 und 1941 stattfindenden «Aktion T4» wurden Kinder getötet. Ausschlaggebendes Kriterium für eine Selektion und die damit verbundene Vergasung in einer «Euthanasie»-Anstalt waren auch hier neben dem Verhalten und dem Pflegeaufwand vor allem die Bildungsunfähigkeit. Auszugsweise werden Krankenakten von Kindern vorgestellt, die in den Landesheilanstalten Uchtspringe und Görden untergebracht waren und von dort in die Tötungsanstalten Brandenburg bzw. Bernburg verlegt worden sind. Nur sehr wenige der an den Morden beteiligten Psychiater wurden nach 1945 zur Rechenschaft gezogen. Die meisten konnten ihre ärztlichen Karrieren uneingeschränkt fortsetzen.

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