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Übersichtsarbeit

Pilzvergiftungen – die Schattenseiten des Myzetismus

Published Online:https://doi.org/10.1024/0040-5930.66.5.357

Die meisten Pilzvergiftungen manifestieren sich innerhalb von 12 Stunden mit Brechdurchfällen. Sie lassen sich grob in Ereignisse mit kurzer (< 4h) und langer Latenz (> 4h) einteilen. In der Regel muss bei langen Latenzzeiten (meistens 8 - 12 - 18h) ein Phalloides-Syndrom erwogen werden, besonders nach Verzehr unkontrollierter Wildpilze. Kürzere Latenzzeiten schließen jedoch eine Amatoxin-Vergiftung nicht aus. Denn üppige Mahlzeiten der auch an Chitin reichen Pilze, Mischgerichte und individuelle Faktoren verkürzen gelegentlich die Latenzzeit und verschleiern eine Amatoxinvergiftung. Deshalb ist jeder Brechdurchfall nach Pilzgenuss bis zum Gegenbeweis verdächtig auf eine Vergiftung durch amanitinhaltige Pilze. Wenn sich die Ursache der Beschwerden nicht innerhalb einer halben Stunde unter Beizug mykologischer Assistenz klären lässt, muss das Phalloides-Programm aktiviert werden. In der Zwischenzeit werden noch vorhandene Pilzfragmente im Abfall, in Mahlzeitenresten und Erbrochenem analysiert (Sporenanalyse) und der Urin auf Amanitine (ELISA) untersucht. Mit dem Grundsatz “Therapie vor Diagnose“ dürfte sich die Mortalität der Knollen­blätterpilzvergiftung von aktuell etwa 5% weiter senken lassen. Die aktuellen Therapieprogramme vermittelt das Schweizerische Toxikologische Informationszentrum (Tel. 145), ebenso die Adressen der speziell für Notfälle ausgebildeten Pilzfachleute, die auch unter www.vapko.ch aufgelistet sind. Von den 18 Vergiftungssyndromen stellen wir die in der Schweiz häufigsten und wichtigsten vor. In der Übersicht sind die anderen Syndrome mit aufgeführt. Realtiv häufig sind das Gastrointestinale Frühsyndrom mit Latenz < 4h und die Indigestion mit variabler Latenzzeit von 1–20h. Rauschzustände nach Genuss von Fliegen- und Pantherpilzen sind selten. Hingegen ist Psychodelie nach Genuss von Psilocyben häufig, wobei nur ausnahmsweise ärztliche Hilfe beansprucht wird. Bei Spätmanifestationen nach Tagen wie Nierenversagen oder Rhabdomyolyse empfiehlt sich die Frage nach mykophagen Gewohnheiten. Nur so wird man einem Orellanus- oder Equestre-Syndrom auf die Spur kommen. Pilze im Hausgarten verlocken Kinder oft zum Spielen und kleinen Kostproben. Wie soll man sich verängstigten Eltern gegenüber verhalten? Wie groß ist das toxikologische Potential der Pilze in den Gärten? Wir diskutieren die Optionen.

Most mushroom intoxications become evident within 12 hours with vomiting and diarrhea. They can be divided into incidents with a short latency (less than four hours) and incidents with a long latency (longer than four hours). As a rule of thumb amatoxin poisonings must be considered in case of symptoms appearing with a long latency (8–12–18 h), especially after consumption of non-controlled wild mushrooms. Shorter latencies do not exclude amatoxin poisoning. Large meals of mushrooms, which are rich in chitin, mixed meals and individual factors, may shorten latency and disguise amatoxin poisoning. Any vomiting and diarrhea after mushroom consumption is suspicious. Unless the mushrooms are not to be identified within 30 minutes by an expert, specific treatment for amatoxin poisoning must be started. Identification shall be achieved by macroscopic or microscopic means; and urine analysis for amatoxins are crucial. By commencing treatment before analysis, mortality rates may be as low as 5%. Current standards in amatoxin poisoning treatment can be obtained at the Swiss Toxicological Information Centre (Phone 145), where contacts to mycologists are available as well. Emergency mycologists are listed on the website www.vapko.ch. Of the 18 different syndroms we present the most common and most important in Switzerland. In an overview all of them are listed. Early Gastrointestinal Syndrom with its short latency of less than 4h and indigestion with a very variable latency are the most common. Psychotropic symptoms after consumptions of fly agaric and panther cap are rare, in case of psilocybin-containing mushrooms, symptoms are frequent, but hardly ever lead to medical treatment. In case of renal failure and rhabdomyolysis of unknown origin, completing a patient’s history by questioning nutritional habits might reveal causal relationship with ingestion of orellanin-containing mushrooms or tricholoma equestre respectively. Mushrooms in the backyard are attractive for children. We discuss possible approaches.