Der hier zu besprechende Band enthält 18 biografische Skizzen und 101 Kurzbiografien zu Personen, die in der brandenburgischen Sozialdemokratie aktiv waren. Der Zeitraum der Betrachtung umfasst geschichtliche Perioden, die Sozialdemokrat_innen vor besondere Herausforderungen stellten. Es geht um vier in ihrer Dauer sehr unterschiedlich lange Zeiträume – die Jahre der nationalsozialistischen Diktatur und der damit einhergehenden Verfolgung der Sozialdemokratie, der Neubeginn 1945/46, der bald wiederum von Repression im Zeichen der sich entwickelnden kommunistischen Diktatur abgelöst wurde – und nicht zuletzt der erneute Beginn im Zeichen der demokratischen Revolution in der DDR 1989.

Die Auswahl präsentiert Prominente und weniger Bekannte. Die Breite des gesellschaftlichen Spektrums, aus der die vorgestellten Sozialdemokrat_innen stammten, zeigt die Vielfalt der Sozialdemokratie auch in ihren Persönlichkeiten. Rudolf Breitscheid und Ludwig Levy zum Beispiel stammten aus dem bürgerlichen Milieu und fanden ihren Weg zur Sozialdemokratie über den Liberalismus. Andere Prägungen lagen im Milieu der Arbeiterbewegung, die unterschiedliche Auswirkungen in der zu Zeiten der Weimarer Republik gespaltenen Parteienlandschaft (SPD, USPD, KPD) haben konnten. Ein Beispiel ist Ernst Tschickert, der in der SPD, zeitweilig in der USPD, und als Arbeitersekretär in der Gewerkschaft aktiv war; ein weiteres ist das Ehepaar Else und Ludwig Bauer, die zunächst der USPD, nach deren Spaltung 1920 wieder der SPD angehörten. Beide betätigten sich nach 1933 illegal und standen mit den Widerstandskämpfern Wilhelm Leuschner und Hermann Maaß in Kontakt. Letzterer ist in diesem Band ebenfalls porträtiert. Er steht für jene Brandenburger Sozialdemokrat_innen, die ihren Kampf gegen die NS-Diktatur mit dem Leben bezahlt haben.

Der antinazistische Widerstand und die Verfolgung durch das NS-Regime waren wichtige Quellen für das Bestreben einer geeinten Arbeiterpartei. Diesem Ziel verschrieben sich viele der Sozialdemokrat_innen, die 1945 als Neubeginn verstanden. Das bald erkennbar werdende Dominanzstreben der KPD und der Druck zur Vereinigung von SPD und KPD legten jedoch das Kalkül von KPD und sowjetischer Besatzungsmacht offen. Die Existenz einer unabhängigen Sozialdemokratischen Partei sollte in der Sowjetischen Besatzungszone unterbunden werden. Den Weg in die SED gingen gleichwohl Brandenburger Sozialdemokraten mit, so der erste Ministerpräsident Carl Steinhoff und der Sohn des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert junior. Deren Lebenswege verweisen auf die Problematik der Anpassung an Diktatur. Dabei zeigen beide Beispiele die doppelte Diktaturerfahrung – Repression und KZ-Haft (Ebert), eine Form der ‚inneren‘ Emigration und des Überlebens (Steinhoff) in der Zeit der NS-Diktatur – und der Versuch, sich zu arrangieren und dabei einstmalige Überzeugungen an neue politische Anforderungen ‚anzupassen‘.

Aus diesen unterschiedlichen Milieus ragt die Biografie von Margarete Buber-Neumann heraus. Ihr ungewöhnlicher politischer Lebensweg begann bei der KPD und endete bei der CDU, der sie 1975 beitrat. Als Kommunistin nach Moskau emigriert, dort zu Zeiten des Stalinismus verfolgt, wurde sie im Zeichen des „Hitler-Stalin-Paktes“ an Nazi-Deutschland ausgeliefert und in das KZ Ravensbrück verbracht, aus dem sie am 21. April 1945 entlassen wurde. So eindrücklich Buber-Neumanns Lebensweg als Beispiel für den Terror der Diktaturen und für den Überlebenswillen dieser Frau ist – warum sie in einen Band über Sozialdemokrat_innen in Brandenburg aufgenommen wurde, bedürfte einer Erklärung, die allerdings hier nicht gegeben wird. Buber-Neumann war zwar vor ihrem Eintritt in die CDU, den sie wegen ihrer Ablehnung der Brandt’schen Ostpolitik vollzogen hatte, Mitglied der SPD; welche Rolle sie in der Brandenburgischen Sozialdemokratie gespielt hatte, bleibt im Beitrag jedoch ausgeblendet.

Dass die Einheit der Arbeiterbewegung nach Kriegsende 1945 ein verbreiteter Wunsch in der Sozialdemokratie war, ist unbestritten, dass die dann vollzogene Einheit in Form der SED mit undemokratischen Mitteln und häufig mit Zwang insbesondere gegenüber Sozialdemokrat_innen verbunden war, ebenfalls. Dass dennoch Sozialdemokrat_innen die Vereinigung mit der KPD unter den gegebenen Bedingungen auch aus Überzeugung befürworteten, wird in den Biografien nicht ausgespart. Dies ist für das Verständnis der damaligen Entscheidungssituation wichtig. Fragwürdig ist dennoch die Diktion im Beitrag zu Anni Rehdorf (1907–2004), SPD-Mitglied seit 1928 und nach 1945 als SED-Mitglied aktiv in diversen „Massenorganisationen“ der DDR. Da ist davon die Rede, dass die SED „so manches Erbe der Sozialdemokratie verkümmern ließ“, was die Eheleute Rehberg „hin und wieder beklagten“ (S. 210). Und im Hinblick auf das Ende der DDR wird – aus der Sicht der Porträtierten – beklagt, „dass dieser Versuch eines menschlichen Sozialismus [!]“ gescheitert war. Bei allem Respekt vor den Lebenswegen, eine kritischere Einordnung wäre an dieser Stelle angebracht gewesen!

Die Geschichte der Sozialdemokratie in Brandenburg ist in dem besprochenen Zeitraum eine des Widerstandes, des Beharrens, aber auch des Arrangements, der Anpassung und wiederum des Aufbruchs. Dies gilt auch für die drei Biografien der ab 1990 aktiven Sozialdemokrat_innen. Diese Biografien zeigen, dass sich sozialdemokratisches Gedankengut auch ohne traditionelle Verankerung entwickeln konnte. Die Lebenswege von Manfred Stolpe, Regine Hildebrandt und Richard Schröder verweisen auf die sehr spezifischen Verhältnisse in der DDR, sich jenseits der vorgeblichen „sozialistischen“ Ordnung im Sinne von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit zu engagieren. Dabei boten kirchliche Strukturen wichtige Nischen.

Die Biografien bieten Einblicke in die Erinnerungspolitik seit 1990. Beispiele sind Straßenumbenennungen der Jahre ab 1990. Während Rudolf Breitscheid als Namensgeber die Umbenennungswelle im Osten Deutschlands überlebt hat – in der DDR wurde er angesichts seines kurzzeitigen Engagements im Exil für eine antifaschistische Volksfront geehrt –, fielen andere Straßennamen weniger prominenter Persönlichkeiten einer undifferenzierten Erinnerungspolitik zum Opfer. Allein die Tatsache, dass die Ehrung zu Zeiten der DDR erfolgte, bot den Anlass für Rückumbenennungen. So im Fall von Ernst Henkel, der als Antifaschist in Pritzwalk mit dem Namen eines Platzes geehrt wurde. Nach der ‚Wende‘ wurde der Platz in Bürgerplatz rückbenannt.

Derartige Vorgänge unterstreichen, wie wichtig Erinnerungspolitik jenseits vorschneller ideologischer Zuordnungen ist. Der Band leistet dazu einen wichtigen Beitrag – gerade für die Erinnerungskultur der Sozialdemokratie in den neuen Bundesländern mit ihren Brüchen ab 1933, ab 1946 und ab 1989 ist er von besonderem Wert.