Bis zum Juni 2021 bestanden bei einer 17-jährigen Patientin ohne Vorerkrankungen Wohlbefinden und keinerlei Einschränkungen in der Bewältigung der schulischen Anforderungen. Nach einem unkomplizierten respiratorischen Infekt, einer ca. 1 Woche darauf erfolgten ersten COVID-19(Corona Virus Disease 2019)-Impfung (Comirnaty®) und einem Urlaub in Norditalien kam es am 12.08.2021 zu einer sich über Minuten ausbreitenden Hemiparese links, Verschwommensehen, Erbrechen und Aphasie sowie Kopfschmerzen (okzipital beginnend, dumpf-drückenden Charakters mit intermittierend kurzzeitigem Stechen frontotemporal). Die Symptomatik remittierte innerhalb weniger Stunden spontan und komplett, dennoch erfolgte die stationäre Aufnahme in die örtliche Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. In der Magnetresonanztomografie (Abb. 1) ließen sich einzelne unspezifische T2-hyperintense Läsionen ohne Diffusionsstörung nachweisen, und am Folgetag wurde die Patientin mit der Diagnose einer komplizierten Erstmanifestation einer Migräne mit Aura entlassen.

Abb. 1
figure 1

MPR Flair TRA 12.08.2021

Nachfolgend kam es intermittierend zu leichten Kopfschmerzen und Parästhesien der Hände sowie einem neuartigen Ohrgeräusch. Am 17.08.2021 präsentierte sich die Patientin in einer universitären Notfallambulanz erneut mit okzipital lokalisierten, pulsierenden Kopfschmerzen, welche mit einer sich zeitgleich entwickelnden Hemiparese rechts, einer ausgeprägten Aphasie und Dysphagie sowie Übelkeit und Erbrechen einhergingen. Während sich die Parese rasch, aber inkomplett regredient zeigte, persistierte die Aphasie für ca. 3–4 h. Die Kopfschmerzen hielten noch darüber hinaus an. Die Diagnose einer komplizierten Migräne wurde bestätigt, und die Patientin wurde entlassen. Es folgten wiederholt leichtere Kopfschmerzepisoden und Parästhesien der linken Hand, bis am 20.08.2021 die elektive Aufnahme zur weiteren Abklärung in die lokale Klinik für Kinder- und Jugendmedizin erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt wurden eine stärkste Verspannung über der Wirbelsäule sowie eine Reduktion der allgemeinen Kraft und Leistungsfähigkeit beklagt. Ein fokal-neurologisches Defizit bestand jedoch nicht. Die Liquordiagnostik zeigte das Bild eines akut-entzündlichen Geschehens (ZZ: 332/µl, 95 % Lymphozyten, Gesamteiweiß 799 mg/l, Laktat 1,16 mmol/l), sodass kalkuliert eine i.v. Therapie mit Ceftriaxon und Aciclovir initiiert wurde. Die Serologie blieb jedoch negativ für HSV/VZV, Adeno‑/Enteroviren sowie für Borrelienantikörper im Liquor, sodass Aciclovir umgehend und die Antibiose mit Ceftriaxon nach 7 Tagen beendet wurden. Am 26.08.2021 erfolgte die Entlassung bei Wohlbefinden.

Am 03.09.2021 entwickelte sich erneut ein sensomotorisches Hemisyndrom rechts für die Dauer von ca. 3 h mit kompletter Remission, im Anschluss trat die gleiche Symptomatik kontralateral auf. Bei einem nunmehr linksseitig bestehenden sensomotorischen Hemisyndrom erfolgte die erneute Einweisung in die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Ein erneutes cMRT wies keine Befundänderung nach. Die EEG-Diagnostik blieb ohne richtungsweisenden Befund.

Zur weiteren Abklärung erfolgte die Verlegung der zu diesem Zeitpunkt wieder beschwerdefreien Patientin in unsere Klinik für Neurologie.

In der gezielten Anamnese und Zusammenfassung der klinischen Ereignisse konnte Folgendes konstatiert werden: Der episodenhafte Charakter geht mit einer Ausbreitung (insbesondere des Hemisyndroms) über Sekunden bis Minuten einher und weist ein sukzessives Aufsteigen mit Beginn an den Füßen auf. Der dumpf-drückende, dauerhafte Charakter der meist okzipital eingeleiteten Kopfschmerzen ist verbunden mit intermittierend stechenden Schmerzspitzen frontotemporal. Er tritt in den Episoden bzw. kurz danach verstärkt auf. Diese Kopfschmerzform war der Patientin bislang unbekannt, und auch die Familienanamnese hinsichtlich einer Migräne war leer. Eine begleitende Phono- oder Photophobie wurde verneint. Zwischen den Episoden kommt es zu einer vollständigen Rückbildung der multifokalen und multimodalen neurologischen Defizite und Kopfschmerzfreiheit.

Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? Welches weitere therapeutische Vorgehen würden Sie erwägen?

Die Auflösung des Neuro-Quiz finden Sie in der nächsten Ausgabe von DGNeurologie

Sie können nicht warten? Sie finden die Auflösung des Neuro-Quiz „Rezidivierende Kopfschmerzattacken mitwechselnden neurologischen Symptomen und Liquorpleozytose“ schon heute auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Neurologie unter www.dgn.org/neuroquiz sowie auf SpringerMedizin.de unter www.springermedizin.de/dgneurologie.