Demografie

In Österreich wird durch pädiatrische Diabetologen ein beinahe flächendeckendes Diabetes-Inzidenzregister geführt. Dieses erfasst auch die Klassifizierung in Typ-1- und Typ-2-Diabetes bzw. auch die selteneren Typ-3-Patienten (monogenetisch, CF-Diabetes, post-Transplant, etc.).

In der letzten publizierten Auswertung aus dem Jahr 2017 zeigt sich für den Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) eine Inzidenz von 0,3/100.000 bei Kindern und Jugendlichen < 16 Jahre [1]. Diese Zahlen liegen deutlich unter denen vergleichbarer europäischer Länder, insbesondere auch unter denen aus Deutschland. Hier wird die Inzidenz auf 2,8/100.000 geschätzt [2]. Wie es zu diesem doch sehr deutlichen Unterschied der ansonsten sehr ähnlichen Populationen kommt, ist nicht geklärt.

Mögliche Gründe könnten sein: Die österreichische Analyse schließt nur bis zum 16. Geburtstag ein und erfasst somit nicht die Patienten, die zwischen 16 und 18 Jahren alt sind. Zusätzlich werden jugendliche Typ-2-Diabetiker nicht immer von pädiatrischen Spezialambulanzen geführt, sondern aufgrund ihrer häufig adipösen Physiognomie von Allgemeinmedizinern bzw. Internisten, welche wiederum nicht an diesem Inzidenzregister teilnehmen. Zusätzlich betrifft die Diagnose des juvenilen T2DM vor allem ethnische Minderheiten, welche generell wenig Anknüpfungspunkte an das Gesundheitssystem haben und damit wohl erst als junge Erwachsene mit einigen Jahren Latenz diagnostiziert werden.

Schlechtes Outcome

Hinsichtlich der kardiovaskulären und Gesamtmortalität konnten mehrere Studien ein relativ eindeutiges Bild zeichnen:

Bei gleicher Erkrankungsdauer haben die Patienten mit juvenilem und jung-adultem (< 30 Jahre) T2DM gegenüber gleich alten T1DM-Patienten, was die Gesamtmortalität und die kardiovaskuläre Mortalität betrifft, ein deutlich erhöhtes Risiko. Betreffend die Gesamtmortalität ist diese mit einer Hazard-Ratio von 2,7 und bezüglich kardiovaskulärer Mortalität sogar von 3,5 deutlich erhöht [3].

Diese Übersterblichkeit ist klar mit dem Erkrankungsalter, aber nicht mit der Erkrankungsdauer assoziiert, wie Al-Saeed et al. [4] zeigen konnte: Die massive Erhöhung der Mortalität (in Form der standardized mortality ratio, SMR) in der Subgruppe von jungen Erkrankten (15.–29. LJ) ist am stärksten zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr ausgeprägt.

In der Studie von Constantino et al. [3] betreffend das Auftreten von Langzeitkomplikationen wird festgestellt, dass das Risiko, eine schwere Komplikation (Dialyse, Erblindung, Amputation) zu erleiden, nach 15 Jahren Erkrankungsdauer bei 26 % und nach 20 Jahren bei 50 % liegt. Bei einem jugendlichen Erkrankten bedeutet diese eine schwere Komplikation vor dem 40. LJ.

Damit zeigt sich in der Gruppe der jugendlichen T2DM-Patienten ein deutlich schlechterer Outcome hinsichtlich Mortalität und Morbidität im Vergleich zu gleich alten T1DM- oder T2DM-Patienten mit gleicher Erkrankungsdauer, aber späterem Erkrankungsbeginn.

Begrenzte Interventionsmöglichkeiten

In den letzten Jahren wurde in zwei großen Studien versucht, das Potenzial von pharmakologischen Interventionen im Stoppen der Progression der Erkrankung zu erfassen:

Die TODAY Study (Treatment Options for Type 2 Diabetes in Adolescents and Youth) schloss 800 Patienten im Alter von 10–17 Jahren ein und beobachtete diese für eine Dauer von fünf Jahren.

Dieses Kollektiv wurde in drei Interventionsarme unterteilt: 1. Metformin, 2. Metformin und Lifestyle-Intervention und 3. Metformin mit Rosiglitazon [5].

Es zeigte sich in der Metformin-Monotherapie nach fünf Jahren ein Therapieversagen (= konstant HbA1c >8 % oder dauerhafte Insulintherapie) von über 50 %. Selbst in der intensivsten pharmakologischen Gruppe, jener mit Metformin und Rosiglitazon, lag dieses bei knapp 40 %.

Zuletzt wurde auch die Nachbeobachtungsstudie TODAY 2 publiziert, welche 515 Patienten aus der Original-Studienpopulation übernommen hat, diese durchschnittlich zehn Jahre nachverfolgte und sich vor allem auf das Auftreten von Spätfolgen bzw. Komplikationen konzentrierte [6].

Die häufigsten Spätfolgen waren: arterielle Hypertension in 50 % der Patienten nach 10 Jahren, Nephropathie nach 15 Jahren und eine Dyslipidämie nach 13 Jahren.

Die Inzidenz einer mikrovaskulären Erkrankung (Retino‑/Nephro‑/Neuropathie) lag bei 50 % nach 9 Jahren und bei 80 % nach 15 Jahren.

Dies unterstreicht das sehr frühe Auftreten von kardiovaskulären Hochrisikofaktoren bzw. manifesten kardiovaskulären Schäden in dieser Patientengruppe.

Die zweite Interventionsstudie war die RISE-Studie (Restoring Insulin Secretion), welche neben Erwachsenen auch zwei Interventionsarme mit Jugendlichen ab dem 10. Lebensjahr beinhaltete [7]:

Eine Initiationsphase von drei Monaten, entweder Monotherapie mit Metformin alleine oder primäre Insulintherapie (in Form einer basalen Insulintherapie mittels Insulin Glargin) gefolgt von neun Monaten Monotherapie mit Metformin.

Um Patienten mit einer möglichst großen Betazellreserve zu erforschen, wurden nur neu diagnostizierte (< 6 Monate) bzw. Patienten mit gestörter Glukosetoleranz („impaired glucose tolerance“, IGT) eingeschlossen.

Es zeigten sich drei Kernresultate: Erstens, keinerlei Verbesserung der Insulinsekretion in beiden Armen, zweitens, ein kontinuierlicher Verlust der Funktion in allen Armen und drittens, dass drei Monate nach Ende der Intervention sich diese Funktion verschlechterte und niedriger war als zum Beginn der Studie.

Damit konnte demonstriert werden, dass bei Jugendlichen (anders als bei Erwachsenen) die Insulinsekretion bzw. Betazellfunktion auch durch frühe intensive Intervention wie Insulinisierung nicht zu verbessern ist bzw. trotz dieser sogar progredient schlechter wird.

Limitierend in dieser Studie ist die Tatsache, dass der Interventionsarm mit der Kombination von Metformin und dem GLP‑1 Agonisten Liraglutid aufgrund der damaligen Zulassung rein der adulten Studienpopulation vorbehalten war. Doch genau diese Gruppe hat am meisten durch eine Verbesserung der Betazellfunktion profitiert, wenn auch nur während der aktiven Intervention, da zum Zeitpunkt des Follow-up diese Verbesserung nicht mehr messbar war.

Da Liraglutid seit 2019 auch ab dem 10. Lebensjahr zugelassen ist, stellt dies natürlich eine naheliegende Option dar. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Evidenzlage jedoch auf kleine Fallsammlungen beschränkt.

Progression des juvenilen T2DM

Die zuvor angeführten Studien demonstrieren damit generell eine deutlich schnellere Dynamik und Progression gegenüber erwachsenen Patienten mit T2DM.

Pathophysiologisch liegt im Vergleich zum klassischen erwachsenen Patienten beim Jugendlichen mit T2DM eine massive Insulinresistenz vor, bei gleichzeitig sehr schnellem Verlust der Betazellkapazitäten.

Analog zur Analyse von Ahlquist et al. [8], welcher mittels Clusteranalysen vier Subgruppen innerhalb des T2DM-Kollektivs darstellen konnte, scheinen die jugendlichen Patienten zu den zwei Hochrisikogruppen des SIDD („severe insulin deficient diabetes“) und SIRD („severe insulin resistance“) zu gehören, welche in der Analyse auch mit deutlich schlechterer metabolischer Kontrolle und damit einhergehend mit deutlich höheren Komplikationsraten verbunden waren.

Diese ungünstige Konstellation spiegelt sich auch in den Verlaufsstudien wider: Es kommt zu einem deutlich schnelleren Versagen der glykämischen Kontrolle bei Jugendlichen im Vergleich zu Erwachsenen.

Unter Metformin kam es zu einem 5‑Jahres-Versagen von über 50 % in der TODAY-Studie, im Vergleich zu 21 % bei Erwachsenen.

Die RISE-Studie ermittelte über hyperinsulinämischen Clamp direkt die Betazellfunktion und zeigte auch hier ein deutlich beschleunigtes Betazellversagen mit rund 35 % pro Jahr im Vergleich zu rund 7 % im adulten Setting.

Limitierte Therapiemöglichkeiten

Anders als zu der mittlerweile sehr differenzierten Herangehensweise bei der Therapie des adulten T2DM liegt in der Kinder- und Jugendheilkunde aufgrund mangelnder Zulassungen nur eine kleine Gruppe von drei Wirkstoffen zur Behandlung des T2DM vor.

Die aktuellen Therapieempfehlungen leiten sich aus mehreren Empfehlungen von Expertengruppen ab, da zum Zeitpunkt der Erstellung der letzten offiziellen Leitlinie der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD-Leitlinie 2018) die Zulassung für Liraglutid noch nicht vorlag und diese Substanz damit nur als Off-Label-Medikation erwähnt wurde. Von Seiten der American Diabetes Association (ADA) wird die Substanz in den empfohlenen Therapiestandards von 2020 bereits berücksichtigt [9, 10].

Metformin

Bei Diagnosestellung sollte neben der wichtigen Lifestyle-Änderung auch gleich eine medikamentöse Therapie mit Metformin initiiert werden. Die Gründe dafür sind einerseits, dass Lifestyle-Interventionen selbst im intensiven Studiensetting nur mäßigen Erfolg zeigten, und andererseits, dass die Progression der Erkrankung im Jugendalter eben deutlich aggressiver voranschreitet als beim Erwachsenen jenseits des 40. Lebensjahres.

In der TODAY-Studie zeigt eine Metformin-Monotherapie einen positiven Einfluss auf die glykämische Kontrolle, bei allerdings relativ hohem Therapieversagen – im Sinne einer metabolischen Dekompensation – von 51 % nach fünf Jahren Beobachtungsdauer.

Zusätzlich konnte in einer anderen Studie mit Jugendlichen mit IGT gezeigt werden, dass zumindest in diesem Kollektiv ein positiver Effekt auf den Gewichtsverlust gegenüber Placebo besteht [11].

(Basales) Insulin

Sollte der Patient bei Diagnosestellung eine metabolische Dekompensation zeigen (HbA1c > 8,5 % bzw. symptomatische Hyperglykämie oder Ketose), sollte unmittelbar auch eine additive Therapie mit einem langwirksamen Insulin begonnen werden. Diese sollten in den ersten Wochen entsprechend der zu erwartenden Verbesserung der initialen Insulinresistenz adaptiert werden.

Auch hier zeigt die TODAY-Studie die Langzeitwirkungen: In 33 % kam es zu einer signifikanten Verbesserung des HbA1c, bei 45 % zu keiner Veränderung und bei 20 % sogar zu einer Verschlechterung unter laufender Therapie.

Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion bzw. diabetischer Ketoazidose (bei 5 % aller Jugendlichen mit T2DM) sollten initial zusätzlich zum basalen Insulin kurzwirksame Analoga verwendet werden bzw. bis zum Ausgleich der Ketoazidose eine i.v.-Therapie durchgeführt werden. Metformin sollte erst nach Stabilisierung der metabolischen Lage begonnen werden.

Liraglutid

Der 2018 für Kinder ab dem 10. Lebensjahr zugelassene Wirkstoff ist der erste neue in der pädiatrischen Diabetologie seit knapp 20 Jahren. Er gehört zu den neuen Substanzklassen der GLP‑1 Analoga und zeigte bisher in den Outcome-Studien bei Erwachsenen neben den glykämischen Effekten auch sehr gute Daten hinsichtlich Gewichtsreduktion [12].

Aufgrund der fehlenden Langzeitdaten in dem besonderen Kollektiv der jugendlichen Patienten mit T2DM ist diese Substanzklasse dennoch nur „third-line“ nach Versagen einer Kombinationstherapie mit basalem Insulin und Metformin (Tab. 1).

Tab. 1 Die zugelassenen Wirkstoffe und ihre jeweilige Indikation bzw. Dosierung nach Empfehlungen der American Diabetes Association (ADA) und International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD)

Die Zulassungsdaten zeigten einen sehr guten glykämischen Einfluss mit einer durchschnittlichen Veränderung von −1,4 % HbA1c, allerdings ohne signifikanten Unterschied betreffend das Körpergewicht, anders als in den adulten Kollektiven.

Allerdings konnten andere Studien bei adipösen Jugendlichen ohne Diabetes mellitus sehr wohl eine signifikante Änderung des BMI feststellen.

Zukünftige Optionen

Aktuell wurden für die meisten modernen oralen Antidiabetika-Klassen auch pädiatrische Zulassungsstudien initiiert. Zum Zeitpunkt dieser Publikation liegen allerdings noch keine publizierten Daten vor. Unter diesen Wirkstoffen stellen SGLT2-Inhibitoren aufgrund der zunehmenden Daten hinsichtlich der zusätzlichen protektiven Effekte auf das kardiovaskuläre und renale System eine sehr vielversprechende zukünftige Option dar, vor allem in diesem Hochrisikokollektiv [13,14,15].

Populations-Screening

Es gelten folgende Empfehlungen nach ISPAD und ADA bezüglich allgemeinem Diabetes-Screening [9, 10]:

  1. 1.

    Gescreent werden sollten: Personen ab BMI > 95. Perzentile, Alter > 10 Jahre bzw. bei Einsetzen der Pubertät.

  2. 2.

    Bei unauffälligem Befund wird diese Risikogruppe alle 3 Jahre mittels Nüchternglukose und HbA1c nachverfolgt.

  3. 3.

    Patienten mit IGT sollten jährlich gescreent werden.

Die Diagnose eines T2DM vor dem 10. Lebensjahr bzw. präpubertär stellt eine absolute Rarität dar und sollte stets hinterfragt werden, da in diesen Fällen vor allem auch an genetisch bedingte Insulinresistenzsyndrome gedacht werden sollte. Diese Patienten sollten daher auch immer an pädiatrische Zentren für seltene Diabetesformen überwiesen werden.

Fazit für die Praxis

  • Juveniler T2DM ist die aggressivste Unterform aller Diabetes-Subgruppen.

  • Juveniler T2DM zeigt bei gleicher Erkrankungsdauer eine deutlich erhöhte Mortalität und Morbidität im Vergleich zu T1DM und adultem T2DM.

  • Frühe pharmakologische Interventionen (Insulin und Metformin) haben keinen bremsenden Effekt auf das Betazellversagen.

  • Frühzeitiges Behandeln von Folgeerkrankungen ist umso wichtiger (v. a. Nephropathie, Hypertonie, Kardiomyopathie).