Zusammenfassung
Das Papier identifiziert auf der Grundlage der monetären Überinvestitionstheorien von Wicksell (Geldzins und Güterpreise, FinanzBuch Verlag, München, 1898), Mises (Die Theorie des Geldes und der Umlaufmittel, Duncker und Humblot, Leipzig, 1912) and Hayek (Geldtheorie und Konjunkturtheorie, Philosophia Verlag, Salzburg, 1929, Monetary Nationalism and International Stability, Augustus Kelley Publishers, Fairfield, 1937) expansive Geldpolitik als Ursache für Boom-und-Krisen-Zyklen auf den Finanzmärkten sowie für langfristige Stagnation. Das Absenken der Leitzinsen gegen Null wird als Ursache für eine sinkende Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen gesehen, da der Bankensektor schleichend nationalisiert wird und strukturelle Verzerrungen zementiert werden. Eine asymmetrische Geldpolitik begünstigt eine Substitution von Realinvestitionen durch Finanzinvestitionen, von privaten Investitionen durch öffentliche Investitionen sowie Umverteilung von mittleren und unteren Einkommensschichten hin zu oberen Einkommensschichten. Der von strukturell sinkenden Zinsen begünstigte Anstieg der Staatsverschuldung sowie eine durch Umverteilungseffekte der Geldpolitik verursachte Reallohnrepression werden als Gründe für die Hysterese sehr expansiver Geldpolitik identifiziert. Es wird ein Anheben der Leitzinsen empfohlen, um die Allokations- und Signalfunktion der Zinsen, das Haftungsprinzip, eine hohe Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen und damit eine nachhaltige Wachstumsdynamik wiederherzustellen.
Abstract
The paper identifies based on the monetary overinvestment theories of Wicksell (Geldzins und Güterpreise, FinanzBuch Verlag, München, 1898), Mises (Die Theorie des Geldes und der Umlaufmittel, Duncker und Humblot, Leipzig, 1912) and Hayek (Geldtheorie und Konjunkturtheorie, Philosophia Verlag, Salzburg, 1929, Monetary Nationalism and International Stability, Augustus Kelley Publishers, Fairfield, 1937) expansionary monetary policy as a reason for boom-and-bust cycles in financial markets and for lasting stagnation. Interest rate cuts towards zero are identified as a determinant of a declining marginal efficiency of investment, as the banking sector is quasi-nationalised and structural distortions are conserved. An asymmetric monetary policy favors a substitution of real investment by financial investment, of private investment by public investment as well as redistribution from middle and low income classes to high income classes. The continuous increase of government debt, which is facilitated by the structural decline of interest rates, as well as real wage repression, which contributes to low inflation, are seen as reasons for the hysteresis of very expansionary monetary policy. The economic policy implication is increasing interest rates to restore the allocation and signaling function of the interest rate, to strengthen the liability principle, the restore a high marginal productivity of investment and thereby robust long-term growth.
Notes
Bezüglich einer kritischen Bestandsaufnahme der Arbeit des Federal Reserve Systems siehe Howden und Salerno (2014).
Die Konzepte des natürlichen Zinses bei Wicksell und Hayek sind unterschiedlich. Wicksell geht davon aus, dass das Abweichen des von der Zentralbank beeinflussten Geldzinses (das durch Kreditschöpfung entstehen kann) vom natürlichen Zins, das reale Gleichgewicht zwischen Sparen und Investieren stört und damit damit inflationäre (I > S) bzw. deflationäre Prozesse (S > I) auslöst. Der natürliche Zins bei Wicksell kann damit inflationsneutraler Zins definiert werden. Daraus lässt sich auch die Aufgabe für die Zentralbank ableiten, mit ihren Zinsentscheidungen inflationären Prozessen vorzubeugen. Wicksell sah den natürlichen Zins auch als die reale Rendite von Investitionsprojekten als Grenzleistungsfähigkeit neuer Investitionsprojekte an. Inflation ist bei Wicksell ein reales Phänomen, weil die zusätzliche Nachfrage nach Gütern nicht auf ein entsprechendes Angebot trifft. Er bricht damit mit dem Say’schen Gesetz, das davon ausgeht, dass Wirtschaftssubjekte nicht auf Geld reagieren. Bei Hayek (1929) spielen Verzerrungen in der Produktionsstruktur eine wichtige Rolle, die sich bei Wicksell noch nicht finden. Hayek baut die Inflationstheorie Wicksell’s zu einer Konjunkturtheorie aus, bei der Zentralbanken eine Rolle spielen. Der natürliche Zins ist der Zins, bei dem es keine Verzerrungen in der Produtionsstruktur (gemessen im Verhältnis von Konsumgütern zu Investitionsgütern) und damit keinen Anpassungsbedarf in Form von Strukturkrisen gibt. Fällt der Geldzins unter den natürlichen Zins, dann kommt es im kumulativen Prozess aufwärts zu Verzerrungen, die früher oder später korrigiert werden müssen.
„The wavelike movement effecting the economic system, the recurrence of periods of boom which are followed by periods of depression is the unavoidable outcome of the attempts, re-peated again and again, to lower the gross market rate of interest by means of credit expansion.“ (von Mises 1949, S. 572).
Die Geldpolitiken der einzelnen Länder sind miteinander über die Wechselkurse verbunden. Senkt ein großes Land den Zins, wertet die Währung ab. Die Aufwertung anderer Währungen bewirken dort geringeres Wachstum und haben deflationäre Effekte. Dies erhöht den Anreiz, die Zinsen ebenfalls zu senken, was bei deflationären Effekten und bei Inflationszielen auch möglich bzw. notwendig ist. Ist die entsprechende geldpolitische Expansion nicht mit ansteigender Konsumentenpreisinflation verbunden, dann kann es zu Abwertungswettläufen kommen, die auch die Form von kompetitiven Zinssenkungen bzw. der kompetitiven Ausweitungen von Zentralbankbilanzen annehmen können.
Nach offizieller Ankündigung wird die Bilanz der Europäischen Zentralbank in 2015/2016 um 1100 Mrd. Euro durch den Ankauf von Staatsanleihen auf das Niveau von 2012 ausgeweitet.
Dieser Politikansatz lässt sich aus Woodford (2003) ableiten, der davon ausgeht, dass nach Erreichen der Nullzinsgrenze, positive geldpolitische Impulse nur dann möglich sind, wenn die Öffentlichkeit ausreichende geldpolitische Impulse erwartet. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn keine Erwartungen bezüglich einer Zinserhöhungen bestehen. Diese werden durch die Ankündigung, dass der Zins langfristig bei Null verbleiben wird, ausgeschlossen.
Die Verbindung der Geldpolitiken mit den stilisierten Fakten makroökonomischer Trends basiert auf der selektiven Auswahl besonders deutlicher Verbindungen, die alle für sich empirischer Überprüfungen bedürfen. Empirische Untersuchungen von Kausalzusammenhängen zwischen Geldpolitik und beispielsweise Entwicklungen auf den Finanzmärkten gehen in der Regel davon aus, dass nationale Geldpolitiken auch auf nationale Finanzmärkte wirken. Dies ist naheliegend, in globalisierten Finanzmärkten jedoch nicht zwingend (Schnabl und Hoffmann 2014): Eine expansive Geldpolitik in einem Land kann – in Abhängigkeit von den schwer durchschaubaren Dynamiken in den Finanzmärkten, nationalen Spezifika und nationalen Regulierungsmodalitäten in globalisierten Finanzmärkten auch Auswirkungen auf jedes beliebige andere Segment der internationalen Kapitalmärkte haben. Das Papier folgt deshalb einer ähnlichen Systematik wie Kindleberger (2005).
Da die Niedrigzinspolitik in Japan am längsten fortgeführt wird, sind dort die Effekte auf den Finanzsektor am deutlichsten und die Forschung zu den Auswirkungen der Nullzinspolitik auf den Finanz- und Unternehmenssektor am deutlichsten. Deshalb wird insbesondere Japan als Fallbeispiel herangezogen.
Das entspricht einem Marktversagen nach Akerlof (1970).
In Japan sind dies vor allem die vergleichsweise wirtschaftlich schwachen Klein- und Mittelunternehmen, in Europa vor allem die Unternehmen in den südeuropäischen Krisenstaaten.
Im Sinne von Kiyotaki and Moore (1997) gelten zwei Kriterien für die Kreditvergabe: die erwartete Rendite r und die Sicherheit z. Bei einem Zentralbankzins izb scheiden alle Projekte aus, für die r <izb oder z < Z gilt, mit Z als geforderter Mindestkreditsicherheit.
Dies kann auch als Anreiz für Staaten gesehen werden zusätzliche Staatsanleihen zu emittieren.
Die Hypothese der globalen Liquiditätsschwemme (z. B. Bernanke 2005) ist damit empirisch schwer fundierbar, da der angenommene Anstieg des Haushaltssparens in keinem der Länder mit Sparüberschüssen zu beobachten ist. Der Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Sparüberschüsse dieser Länder (relativ zu den Investitionen) ist vielmehr durch den Anstieg des Unternehmenssparens (insbesondere bewirkt durch sinkende Finanzierungskosten) und dem Sinken der Investitionen bedingt.
In Japan ist beispielsweise im Verlauf der Krise der Zinsüberschuss (Zinsen auf Kreditvergabe abzüglich Einlagezinsen) von ca. 3,5 Prozentpunkten auf ca. 0,5 Prozentpunkte gefallen (Schnabl 2015a).
Immobilien werden als Spekulationsanlage geschaffen. Nach dem Platzen der Blase gibt es große Leerstände.
Der weltgrößte Finanzmarkt befindet sich in den USA, weshalb die Daten als besonders aussagekräftig angesehen werden.
Mittlere Einkommensschichten tendieren unter Umständen mehr dazu risikolose Finanzanlagen zu halten, weil sie die Anlage in den Vermögensmärkten als risikoreich empfinden.
Zu finanzieller Repression siehe Hoffmann und Zemanek 2012.
Die Einkommen beziehen sich auf inländische Größen, so dass (z. B. aufgrund von Wechselkursrisiko) vergleichsweise risikoreiche Investitionen im Ausland (z. B. dem US-Aktienmarkt) nicht enthalten sind. Dadurch können Teile der japanischen Anleger hohe Renditen durch Finanzanlagen im Ausland generiert haben.
Geldpolitik nach Woodford (2003) hat mit Wicksell (1858) gemeinsam, dass der Zins zur Steuerung der Inflation eingesetzt wird. Woodford (2003) nennt seine Modelle „neo-Wicksellianisch“. Ein großer Unterschied besteht jedoch darin, dass der Modellrahmen von Woodford (2003) ohne Geldmengenaggregate auskommt, während diese bei Wicksell (1898) eine wichtige Rolle für die Transmission von Zinsveränderungen auf die Inflation spielen. Zu einer detaillierten Analyse der Gemeinsamkeiten von Wicksell (1858) und Woodford (2003) siehe Barbaroux (1997).
Dem liegt die Taylor-Regel (Taylor 1993) zugrunde.
Nach Friedman (1970, S. 24) ist Inflation in diesem Sinne immer und überall ein monetäres Phänomen. Im vorliegenden Papier wird von einem stabilen langfristigen negativen Zusammenhang zwischen Leitzins und Geldbasis ausgegangen. Wenn die Zentralbank bei einem Geldmarktzins über Null durch den Kauf von Vermögenswerten ihre Geldbasis ausweitet, steigt das Volumen an Zentralbankgeld, das dem Bankensektor angeboten wird. Bei konstanter Geldnachfrage muss aus theoretischer Sicht der Zins fallen, um der Gleichgewichtsbedingung auf dem Geldmarkt zu entsprechen. In der geldpolitischen Praxis besteht die Geldbasis aus mehreren Komponenten (autonome Faktoren, ständige Fazilitäten und Offenmarktgeschäfte), von denen nur die Offenmarktgeschäfte direkt von der Zentralbank kontrolliert werden. Die Reservehaltungen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank sind kurzfristig vom Zinssatz weitgehend unabhängig. Bestimmend sind die Nachfrage der Banken nach Mindestreserven sowie das Halten von Überschussreserven, die von Faktoren wie Unsicherheit der Zahlungsflüsse oder Charakteristika des Zahlungssystems abhängen. Allerdings spielt mittelfristig der Konjunkturzyklus eine Rolle für die Entwicklung der Geldbasis, wenn er mit einer Veränderung der Kreditvergabe der Banken verbunden ist. Senkt die Zentralbank beispielsweise den Zins (als operationales Ziel der Geldpolitik), was unter normalen Bedingungen zu steigender Kreditvergabe der Banken führt, dann steigt die Nachfrage nach Geldbasis, die von der Zentralbank zur Verfügung gestellt wird. Seitdem in vielen Industrieländern der Geldmarktzins die Nullgrenze erreicht hat, ist die Geldbasis bzw. das Volumen der Zentralbankbilanz wieder zum direkten geldpolitischen Instrument geworden. Geldpolitik basiert auf der Ausweitung der Zentralbankbilanz durch den Ankauf von Vermögenswerten. Der Geldmarktzins liegt bei Null, während die unkonventionelle Geldpolitik durch den Ankauf von Vermögenswerten den Zins für längerfristige Anlageformen einschließlich Staatsanleihen drückt.
Im Sinne von Rothbard (2009) sinken die monetären Grenzerträge des Kapitals, die als abgezinstes monetäres Grenzprodukt des Kapitals definiert werden.
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Danksagung
Ich danke Rüdiger Bachmann, Christian Bayer, Matthias Erlei, Andreas Freytag, Fritz Helmedag, Andreas Hoffmann, Stefan Homburg, Guido Hülsmann, Otmar Issing, Henning Klodt, Thomas Mayer, Ulrike Neyer, Helmut Schlesinger, Holger Schmieding, Ulrich van Suntum, Thomas Steger und Carl Christian von Weizsäcker für sehr hilfreiche Anmerkungen. Ich danke Juliane Gerstenberger, Alexander Gillam, David Herok, Sophia Latsos, Taiki Murai für die sehr gute wissenschaftliche Zuarbeit. Besonderer Dank gilt der Friedrich August von Hayek-Stiftung für die Förderung.
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Schnabl, G. Wege zu einer stabilitäts- und wachstumsorientierten Geldpolitik aus österreichischer Perspektive. List Forum 41, 263–289 (2016). https://doi.org/10.1007/s41025-015-0009-z
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Schlüsselwörter
- Hayek
- Mises
- Monetäre Überinvestitionstheorie
- Asymmetrische Geldpolitik
- Finanzmarktkrisen
- Grenzleistungsfähigkeit der Investitionen
- Säkulare Stagnation
Keywords
- Hayek
- Mises
- Monetary overinvestment theory
- Asmmetric montary policy
- Financial crisis
- Marginal productivity of investment
- Secular stagnation