FormalPara Originalpublikation

Zhang J, Zhou L, Yang Y et al (2020) Therapeutic and triage strategies for 2019 novel coronavirus disease in fever clinics. Lancet Respir Med 8(3):e11–e12

FormalPara Zusammenfassung.

Ende Dezember 2019 wurden mehrere Fälle von viraler Lungenentzündung in Wuhan (Hubei, China) festgestellt. Hierbei handelte es sich um Infektionen durch ein neuartiges Coronavirus (SARS-CoV-2), welches Auslöser für die neue Atemwegserkrankung Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) ist. Die WHO hat aufgrund der stark steigenden Zahlen und schweren Verläufe der Erkrankung schon am 31.01.2020 eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ ausgerufen und die Ausbreitung von COVID-19 am 11.03.2020 als Pandemie eingestuft. Seit Ende Februar steigen die Zahlen auch in Europa und das Robert Koch-Institut hat am 17.03.2020 das Risiko der Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland als hoch klassifiziert.

Insbesondere in der initialen Phase der COVID-19-Erkrankungen sind die klinischen Symptome nicht eindeutig: Patienten können afebril sein und auch isoliert Atemwegssymptome und Schüttelfrost beklagen. Zhang et al. entwickelten daher aufgrund ihrer klinischen Erfahrungen in Wuhan eine Strategie, anhand der Patienten mit Atemwegssymptomen effektiv triagiert werden können (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Übersicht des Diagnostik- und Therapiealgorithmus der COVID-19-Pneumonie nach Zhang et al.; CRP C-reaktives Protein, CAP „community-acquired pneumonia“ (ambulant erworbene Pneumonie), CT Computertomographie, SARS-CoV‑2 „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“

Neben klinischen Atemwegsinfektionszeichen sind eine Körpertemperatur ≥37,3 °C und eine Lymphopenie <1,1 G/l wichtige Parameter des klinischen Algorithmus. Auf Basis dessen können dann rasch klinische Entscheidungen zur weiteren COVID-19-Diagnostik mittels Nukleinsäureamplifikation (NAAT), zur empirischen antimikrobiellen Therapie sowie zu Isolationsempfehlungen abgeleitet werden (Abb. 1, Maßnahme 1).

Zentrale diagnostische Modalität im vorgestellten Algorithmus ist eine Computertomographie (CT) des Thorax in Low-dose-Technik. Im Vergleich zur konventionellen Radiographie des Thorax ist die Sensitivität der CT deutlich höher in Bezug auf die COVID-19-Erkrankung und erfasst zuverlässig charakteristische fleckige bipulmonale Infiltrationen, die zu großen Milchglastrübungen fortschreiten können.

Entsprechend dem Algorithmus sollen alle Patienten mit einer Temperatur ≥37,3 °C sowohl eine Thorax-CT als auch einen Erregerdirektnachweis des Nasen- und Rachenabstrichs auf Atemwegsviren (Influenza und respiratorisches Synzytialvirus [RSV]) erhalten. Patienten mit unauffälliger CT des Thorax bezüglich COVID-19 können je nach Befund entweder in die Häuslichkeit entlassen werden oder müssen ggf. wie bei einer ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) behandelt werden (Abb. 1, Maßnahme 1, 2). Patienten, bei denen in der CT eine virale Pneumonie diagnostiziert wurde, müssen isoliert werden, und es muss ein Test auf SARS-CoV‑2 durchgeführt werden (Abb. 1, Maßnahme 3).

Je nach klinischem Zustand des Patienten wird eine entsprechende Gabe von Sauerstoff und einer empirischen antibiotischen Therapie empfohlen (Abb. 1, Maßnahme 3–5). Der Stellenwert von antiviralen Therapien sollte derzeit kontrollierten Studien und Einzelfallentscheidungen vorbehalten bleiben.

Kommentar

Insbesondere in der Notfallmedizin konnte gezeigt werden, dass Algorithmen zu einer Verbesserung der Behandlung, Steigerung der Patientensicherheit und Zunahme der Zufriedenheit der Mitarbeiter führen können.

Im Rahmen einer aerosolkontagiösen Erkrankung wie SARS-CoV‑2 ist eine schnelle Sicherung der Diagnose therapieentscheidend und auch für den Mitarbeiterschutz von sehr hoher Bedeutung.

Der Algorithmus von Zang et al. trägt bei steigendem Patientenaufkommen und längeren Wartezeiten auf die NAAT-Diagnostik wahrscheinlich dazu bei, das klinische Management zu optimieren und COVID-19-Verdachtspatienten früh zu identifizieren.

Die schnelle Bildgebung mittels Thorax-CT im Vergleich zur Wartezeit auf die NAAT-Diagnostik kann somit entscheidend für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Notaufnahmen und Notfallzentren sein. Bei gleichzeitig vernachlässigbar geringer Strahlenexposition können mittels Low-dose-CT des Thorax deutlich sensitive Ergebnisse erzielt werden.

Entscheidend für die Funktionsfähigkeit des Algorithmus ist neben einer zuverlässigen CT-Befund-Qualität dennoch die nachgelagerte Möglichkeit der virologischen NAAT zur Bestätigung der Infektion.

Trotz hoher Zuverlässigkeit besteht dennoch die Option, dass Einzelfälle nicht abschließend geklärt werden können. Daher muss mit steigender klinischer Erfahrung eine sorgsame Reevaluation des Algorithmus erfolgen.

Fazit für die Praxis

Die derzeitige COVID-19-Pandemie zeigt, wie einzelne Gesundheitssysteme auf die sich derzeitig stellende Belastung unterschiedlich reagieren. Die Verfügbarkeit diagnostischer Ressourcen und die Erfahrungen großer klinischer Kohorten und Studien können in praxisnahe und alltagstaugliche Algorithmen translatiert werden und somit zur Verbesserung des Prozessablaufs und der Effektivität der Versorgung beitragen.