Metaphysäre distale Unterarmfrakturen sind die häufigsten Frakturen im Kindes- und Jugendalter und machen 20–25% aller Frakturen in diesem Alter aus. Wulstfrakturen und komplette Frakturen mit Dislokation bieten klare Behandlungsvorgaben. Unklar ist hingegen die Behandlung der angulierten Grünholzfrakturen. Trotz Reposition kommt es in gut 30% der Fälle zur erneuten Dislokation.

Metaphysäre Unterarmfrakturen im Kindesalter

Die metaphysären Frakturen des distalen Unterarms sind die häufigsten Frakturen im Wachstumsalter [4]. Sie lassen sich unterscheiden in:

  • Wulstfrakturen

  • Komplette Dislokation

  • Grünholzfrakturen und komplette Frakturen mit Angulation

  • Fugenlösungen mit oder ohne metaphysären Keil

Wulstfrakturen

Am häufigsten treten Wulstfrakturen auf, die aufgrund einer axialen Gewalteinwirkung mit einer Art Buckelung des spongiösen Knochens der Metaphyse vergesellschaftet sind (Abb. 1). Eine sekundäre Dislokation entsteht nie, sofern keine Biegungskomponente vorliegt. Die Behandlung besteht in der Gipsruhigstellung für 2 bis 3 Wochen [1].

Abb. 1
figure 1

Wulstfraktur. a Anterior-posteriore Aufnahme, b seitliche Aufnahme

Sobald eine Biegungskomponente als Ursache hinzukommt und die aufzunehmende Energie die Elastizität des Knochens übersteigt, kommt es zu Dislokationen.

Frakturen mit kompletter Dislokation

Bei der kompletten Dislokation stehen die Fragmente nebeneinander und es wird die Indikation zur Reposition in Vollnarkose gestellt. In den meisten Fällen erfolgt zusätzlich zur Reposition die Fixation der anatomischen Stellung mittels perkutan eingebrachten Kirschner(K)-Drähten (Abb. 2). Da die komplette Dislokation nach alleiniger Reposition und Gipsbehandlung signifikant häufiger mit sekundärer Dislokation einhergeht [3], wird dieses operative Vorgehen empfohlen und ist indiziert. Die Reposition stellt eine für Kinder schmerzvolle und stressige Behandlung dar, die eine adäquate Analgesie und/oder Sedierung benötigt; meistens wird in Deutschland dazu eine Vollnarkose angewendet.

Abb. 2
figure 2

Kirschner-Draht-Osteosynthese, metaphysär

Grünholzfrakturen und komplette Frakturen mit Angulation

Die Behandlung der metaphysären Grünholzfrakturen und kompletten Frakturen, die mit einer Angulation einhergehen, ist Gegenstand heftiger Diskussionen. Hier gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen und die Behandlung ist keineswegs standardisiert (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Metaphysäre Radiusfraktur mit Angulation

Die primäre Reposition und anschließende Gipsbehandlung führt in über 30 % der Fälle zu sekundären Dislokationen, die als Indikation zur erneuten Reposition in Vollnarkose gesehen werden [14, 15]. Um eine sekundäre Dislokation sicher vermeiden zu können, wird von vielen Autoren eine primäre Reposition mit perkutaner K-Draht-Osteosynthese gefordert [11, 12, 18]. Obwohl diese die sekundäre Dislokation weitgehend verhindert, gibt es keine belastbaren Daten zu den Langzeitergebnissen, die in einem Cochrane-Review dringend gefordert werden [1, 13].

Die distale Unterarmwachstumsfuge gehört zu den am stärksten wachsenden und langlebigsten Wachstumsfugen im menschlichen Körper [18]. Kam es zu einer Fehlstellung, wird die Achse der Wachstumsfuge im Laufe des weiteren Wachstums wieder senkrecht zur Achse des Unterarms gestellt. Durch wechselseitigen An- und Abbau periostal an der konvexen bzw. konkaven Seite des Knochens kommt es zur Spontankorrektur [5]. Eine zuverlässige Spontankorrektur verbliebener Achsfehlstellungen am distalen Unterarm wurde bereits mehrfach beschrieben, allerdings wird das Ausmaß der Korrektur sehr unterschiedlich angegeben [2, 9, 14].

Bisher wurde das spontane Korrekturpotenzial nicht als Therapieoption in das Behandlungskonzept aufgenommen, eben weil das exakte Ausmaß der Korrektur schwer vorhersagbar ist. Aus ökonomischen Überlegungen, v. a. um Behandlungskosten zu sparen, wurde die Spontankorrektur als mögliche Behandlungsoption in Einzelfällen in Betracht gezogen [18].

Fugenlösung mit oder ohne metaphysären Keil

Die Fugenlösung wird auch zu den metaphysären distalen Unterarmfrakturen gerechnet (Abb. 4). Die früher geforderte exakte Reposition ist nicht notwendig. Wenn kein Kontakt zwischen den Frakturfragmenten besteht, ist eine Reposition auf jeden Fall notwendig. Gegen Ende des Wachstums sollte keine Dislokation akzeptiert werden. Bis zum 12. Lebensjahr ist auch nach Fugenlösungen eine Spontankorrektur verbliebener Fehlstellungen zu erwarten. Ad-latus-Dislokationen bis zu ein Drittel der Schaftbreite mit Angulationen bis zu 25° werden zuverlässig korrigiert.

Abb. 4
figure 4

Fugenlösung mit metaphysärem Keil

Die Reposition erfolgt in Vollnarkose. Bleibt die Stellung unter maximaler Extension und Flexion erhalten, ist die Reposition stabil und es kann eine weitere konservative Therapie im Unterarmgips erfolgen. Bei instabiler Situation ist die K-Draht-Osteosynthese indiziert. Der Gips und die Drähte werden nach 4 Wochen entfernt. Eine physiotherapeutische Nachbehandlung ist nicht regelhaft notwendig.

Einzelfälle zeigen immer wieder, dass eine Spontankorrektur möglich ist. Einige Zentren haben daher bereits begonnen, neue Wege zu gehen oder traditionelle ins Gedächtnis zu rufen.

Studien zur Spontankorrektur

In der Studie von Robert et al. [16] zeigte sich die Spontankorrektur am ausgeprägtesten im 1. Jahr nach der Verletzung. Diese Beobachtung stimmt mit einer früheren Studie von Friberg [8] überein, der feststellte, dass nach dem 1. Jahr nach der Verletzung die Geschwindigkeit des Korrekturwachstums deutlich abnahm und bei primär geringer Fehlstellung der Grad der epiphysären Inklination persistierte.

Crawford et al. [7] verfolgten in ihrer Studie ein ungewöhnliches Konzept. Sie behandelten 51 Kinder mit komplett dislozierten metaphysären distalen Unterarmfrakturen, die maximal 10 Jahre alt waren. Diese Frakturen wurden nicht reponiert, sondern ohne Narkose nur achsengerecht eingegipst, eine Angulation bis 13° galt als akzeptabel. Im Follow-up betrug die verbliebene mittlere Fehlstellung 4,5°. Alle Frakturen zeigten ein komplettes Korrekturwachstum. In dieser Studie gab es kein Kontrollkollektiv.

Unter diesem Aspekt ist auch eine Studie von Colaris et al. [6] erwähnenswert. In einem randomisierten Setting untersuchen die Autoren 128 Kinder mit einem mittleren Alter von 8,7 Jahren. Davon wurden 67 Kinder nach Reposition konservativ im Oberarmgips behandelt, während 61 Kinder nach Reposition und K-Draht-Osteosynthese einen Oberarmgips erhielten. Die Anzahl der sekundären Dislokationen betrug 44,8% vs. 8,2 %. Nach 1 Jahr bestand zwischen beiden Gruppen kein Unterschied im Outcome. Die meisten sekundären Fehlstellungen in der konservativen Gruppe beließen die Autoren und stellten eine komplette Korrektur nach 1 Jahr mit vergleichbaren Scores zwischen beiden Gruppen fest.

In den verschiedenen kindertraumatologischen Lehrbüchern sind die Angaben zur akzeptablen verbliebenen Fehlstellung komplett unterschiedlich [10, 17].

2008 erschien in der Cochrane Library eine Metaanalyse zur Behandlung der distalen Unterarmfraktur im Kindesalter [1]. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die Spontankorrektur nachgewiesen werden konnte, es jedoch unklar ist, bis zu welchem Alter und Ausmaß diese zuverlässig möglich ist.

Problem in der Behandlung

Obwohl es sich um eine sehr häufige Fraktur handelt, liegt für die Behandlung der distalen metaphysären Unterarmfrakturen im Kindesalter kein gültiges Protokoll vor. Das ist umso bemerkenswerter, als von allen Frakturen im Kindesalter 70 % an der oberen Extremität lokalisiert sind und 30–40 % aller Frakturen den distalen metaphysären Unterarm betreffen. Eine evidenzbasierte Behandlung besteht nicht, dafür eine hohe Varianz in der Behandlung. Sehr häufig wird eine operative Behandlung durchgeführt, obwohl gar nicht klar ist, ob diese klare Vorteile besitzt [19]. Die Realität in Deutschland zeigt außerdem, dass neben der K-Draht-Osteosynthese auch bei unter 10-Jährigen Plattenosteosynthesen zur Anwendung kommen und Umstellungsosteotomien erfolgen, bevor das Korrekturpotenzial gänzlich ausgenutzt wurde. Aus diesen Gründen ist eine randomisierte Studie notwendig, die Langzeitergebnisse inklusive Spontankorrektur nach nichtmanipulativer Therapie gegenüber Ergebnissen nach K-Draht-Osteosynthese vergleicht.

Die AFIC-Studie

Die AFIC-Studie (Agulated fractures of the distal forearm in children: is remodeling a therapeutic option?) ist eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte prospektive, multizentrische, randomisierte, kontrollierte, Observer-verblindete, aktiv kontrollierte Studie mit Parallelgruppendesign. Sie wird an 40 unterschiedlichen deutschen, österreichischen und schweizerischen kinderchirurgischen und unfallchirurgischen Kliniken durchgeführt. Dabei soll primär die Hypothese geprüft werden, ob Kinder zwischen 5 und 11 Jahren 2 Jahre nach einer Fraktur des distalen Unterarms die gleichen funktionellen Ergebnisse aufweisen, unabhängig davon, ob sie konservativ ohne Reposition mit Gips versorgt wurden oder ob die Fraktur reponiert, mit K-Draht stabilisiert und der Arm im Gips ruhiggestellt wurde.

Dazu werden 742 Kinder mit frischen Frakturen des distalen Unterarms in die Studie eingeschlossen. Die Haupteinschlusskriterien sind:

  • Alter 5 bis 11 Jahre

  • Distale Radius-/Unterarmfrakturen im metaphysären Quadrat nach AO-Klassifikation

  • 23-M/2-3 o. 23-E/1-2 nach AO-Klassifikation

  • Angulierte Epiphysiolysen 1 und 2 nach Salter/Harris

  • Angulation: 5 bis 7 Jahre 15–30°, 8 bis 11 Jahre 10–25°

Die experimentelle Gruppe erhält nur einen Gips, in der Kontrollgruppe wird die Fraktur in Narkose reponiert und ein oder mehrere K-Drähte zur Fixation eingebracht. Diese Gruppe wird ebenfalls mit Gips versorgt. Die Kinder werden über 2 Jahre nachkontrolliert, dabei wird mittels Cooney-Score die Funktion des Unterarms Observer-verblindet verglichen. Die Studie hat bereits begonnen und soll nach 5 Jahren fertiggestellt sein.

Fazit für die Praxis

  • Wulstfrakturen werden konservativ behandelt.

  • Komplett dislozierte Frakturen werden reponiert und meist mit K-Draht fixiert.

  • Die Behandlungsvorgaben bei den angulierten metaphysären Grünholzfrakturen und kompletten metaphysären Frakturen mit Angulation sind unklar.

  • Studien wie die AFIC-Studie werden benötigt, um exaktere Handlungsvorgaben erarbeiten zu können.