Einleitung

Die Kenntnis der verschiedenen Drähte ist elementar für den Erfolg einer jeden Intervention. Jeder Draht hat gewisse Eigenschaften, für die er hergestellt wurde und die er auch ausfüllt. Erst das Zusammenspiel der unterschiedlichen Anteile des Drahtes mit den entsprechenden Kathetern kann zu dem Ergebnis führen, für das sie eingesetzt wurden.

Jeder Draht besteht prinzipiell aus denselben Anteilen (Kern, Hülle, Ummantelung und Beschichtung; Abb. 1):

Abb. 1
figure 1

Schematischer Aufbau eines beschichteten Drahtes mit Kern (hier konisch) und der Umwickelung [1]

Unbeschichtete Drähte sind in der Regel aus Metall, ggf. mit eine Spitze aus Wolfram, Gold oder Platin zur Verbesserung der Röntgensichtbarkeit.

Beschichtete Drähte bestehen aus einem Kern, meist Nitinol, und einer Ummantelung mit Polytetrafluorethylen (PTFE) oder hydrophilem Polymer.

Der Markt ist kaum überschaubar, für gleichartige Drähte gibt es verschiedene Hersteller. Bei Nennung von Herstellern oder Produktnamen sollen diese nur als Beispiele dienen und können durch Produkte anderer Hersteller ausgetauscht werden. Die Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll auch nicht die Präferenz der Autoren oder die Häufigkeit der Nutzung im Alltag widerspiegeln.

Prinzipiell werden folgende Grundeigenschaften unterschieden:

  • Drahtlänge

  • Durchmesser

  • Steifigkeit

  • Beschichtung

  • Konfiguration der Spitze

  • Torsionsstabilität

  • Tip Load

Aus der Kombination dieser Eigenschaften werden im Wesentlichen drei Typen von Drähten unterschieden:

  • Zugangsdraht: Kurze (40–60 cm) Stahldrähte zum Einbringen einer Schleuse nach erfolgreicher Punktion des Zugangsgefäßes

  • Führungs- oder Sondierungsdraht: Sie sind für die atraumatische Sondierung und intravasale Platzierung von Angiographiekathetern erforderlich und dienen beim Wechsel eines Katheters als Platzhalter oder Führungsschiene. Sie sind in der Regel (teil-)beschichtet mit weicher Spitze in unterschiedlicher Konfiguration für die Sondierung von Gefäßen, Stenosen oder Seitenästen.

  • Haltedraht: Auch „Amplatz-Draht“, diese haben eine erhöhte Steifigkeit im Schaftbereich, häufig in Kombination mit einer weichen, atraumatischen Spitze und dienen mit ihrer stabilen Lage dazu, das Einbringen weiterer Materialien zu ermöglichen (Ballons, Stents, …) vor Ort zu bringen. Sie dienen hierbei ebenso wie Sondierungsdrähte als Platzhalter oder Führungsschiene, sind jedoch für Sondierungen nicht geeignet.

In der angloamerikanischen Literatur werden noch weitere Eigenschaften unterschieden, welche aber meist nur andere Begriffe oder Teileigenschaften der Grundeigenschaften von Drähten sind:

  • Crossability: beschreibt, wie gut ein Draht eine Läsion passieren kann. Hängt von der Steifigkeit, Beschichtung, Konfiguration der Spitze und dem Tip Load ab.

  • Supportability: beschreibt, wie gut der Draht geeignet ist, um ein Device (Ballon oder Stent) über den Draht zum Zielort zu bringen. Hängt von der Steifigkeit und von der Beschichtung ab.

  • Trackability: beschreibt, wie gut ein Draht dem Gefäß folgen kann. Hängt v. a. von der Steifigkeit und der Spitze ab.

  • Flexibility: eine Umschreibung für Steifigkeit, beinhaltet aber auch die Torsionsstabilität.

  • Torquability: ist die Torsionsstabilität.

Drahtlänge

Zugangsdrähte stehen in Längen von 40–60 cm zu Verfügung, die zum Einbringen einer kurzen Schleuse (z. B. 11 cm) gedacht sind.

Führungs- und Haltedrähte werden in verschiedenen Längen zwischen 150 und 300 cm angeboten. Für die Längenauswahl gilt beim Arbeiten „over the wire“ folgende Faustregel:

$$\text{Erforderliche Drahtl{\"a}nge}=\text{doppelte L{\"a}nge des verwendeten Katheters}+\text{mind}.20\mathrm{\,cm}.$$

Der Anteil des Führungsdrahtes außerhalb des Patienten muss bei einem Katheterwechsel auf alle Fälle länger als der zu wechselnde Katheter sein.

Beim Arbeiten mit RX (rapid exchange) oder synonym Monorail-Kathetern wird der Draht ca. 20 cm hinter der Spitze seitlich aus dem Katheter ausgeleitet. Durch die verkürzte Drahtlänge wird ein effektiveres Arbeiten ermöglicht. In der Regel sind 180 cm Drahtlängen ausreichend. Die Besonderheit ist, dass Draht und Ballonschaft nebeneinander getrennt laufen und auch einzeln durch die Schleuse treten.

Durchmesser

Das Maß für den Durchmesser eines Drahtes ist Inch (″). 1 Inch entspricht 2,54 cm.

Standarddrähte zum Arbeiten in Gefäßen größer als 5 mm haben einen Durchmesser von 0,035″, seltener 0,038″ (in der Kardiologie), gelegentlich 0,032″ bei Punktionssets für zentralvenöse Zugänge. Zur Kompatibilität von Drähten und Schleusen wird auf die gängige Fachliteratur zum endovaskulären Arbeiten verwiesen [2, 3].

Für kleinere Gefäße, insbesondere bei Unterschenkelinterventionen, ist ein dünnerer Draht notwendig. Zur Auswahl stehen hier 0,018″ und 0,014″ Drähte. Bei entsprechender Konfiguration (Länge, Form und Material der Spitze sowie Tip Load) sind diese auch zur Rekanalisation langstreckiger Gefäßverschlüsse geeignet, Chronic-total-occlusion(CTO)-Draht. Derartige Verschlüsse weisen oft sog. „micro-channels“ auf, welche durch die Mikrodrähte angesteuert werden können.

Weitere Größen werden nur sehr selten eingesetzt. Als Beispiel soll der 0,025″ Draht dienen, der das Lumen eines drahtgeführten „roten“ 4F Thrombektomiekatheters ausfüllt, aber auch bei drahtgeführten REBOA-Kathetern zum Einsatz kommt.

Steifigkeit

Je nach Anwendung sind unterschiedlich steife Drähte notwendig. Dies variiert von ultraweichen, sehr dünnen Drähten, z. B.: für eine Embolisation eines kleinen Astes der Viszeralarterien, bis hin zu ultrasteifen Drähten, um großkalibrige aortale Stentgrafts vorzubringen.

Die Biegesteifigkeit [4] (Widerstand des Körpers gegenüber elastischer Verformung durch Kräfte, in Nm2 oder Gigapascal) definiert sich wie bereits beschrieben durch den Kern des Drahtes und wird bestimmt durch den Elastizitätsmodul E (N/m2) und vom Flächenträgheitsmoment I (m4). Dabei gilt:

$$\textit{\textbf{Steifigkeit}}=\boldsymbol{E}\times \boldsymbol{I}$$

Das Flächenträgheitsmoment I ist abhängig vom Querschnitt des Drahtes und sagt aus, wie groß der Widerstand des Querschnittes gegen eine Verformung ist.

Der Elastizitätsmodul E definiert sich durch das Verhältnis der Spannung σ zu Dehnung ε in dem Bereich des Materials, welcher sich linear verhält, also der Bereich, bei dem das Material trotz Biegung wieder in den Ausgangszustand übergehen kann. Der Elastizitätsmodul E ist eine Materialkonstante. Für einen weiteren und tieferen Einblick in die Materie verweisen die Autoren auf entsprechende Fachliteratur zur technischen Mechanik.

$$E=\frac{\Updelta \upsigma }{\Updelta \upvarepsilon }$$

Je steifer ein Draht ist, umso weniger flexibel ist er. Es gibt keine einheitliche Nomenklatur, Herstellerbezeichnungen sagen über die Steifigkeit nur wenig aus. Für die Indikation zur Verwendung von Drähten sind grundsätzlich die „instructions für use“ des jeweiligen Herstellers zu beachten.

In einer Untersuchung [5] wurden steife Drähte auf ihre Biegesteifigkeit untersucht:

Tab. 1 soll veranschaulichen, wie groß die Unterschiede der einzelnen Drähte sind. So hat der Lunderquist-Draht, der v. a. für thorakale Stentgrafts verwendet wird, eine 10fach höhere Steifigkeit als ein Rosen-Draht, der v. a. für viszerale und iliakale Interventionen benutzt wird (Abb. 6).

Tab. 1 Biegesteifigkeit verschiedener Drähte

Man unterscheidet 5 Grade (floppy, standard, stiff, extra stiff, ultra stiff). Zur besseren Übersicht macht es aber mehr Sinn, nur 3 Härtegrade zu unterteilen. Tab. 2 und Abb. 2 geben einen Überblick über verfügbaren Drähte.

Tab. 2 Nicht komplette Auswahl verschiedener Drähte. Modifiziert nach [6,7,8,9,10,11,12]
Abb. 2
figure 2

Demonstration der Biegesteifigkeit eines A ultrasteifen Drahtes (Lunderquist Cook Medical), B steifen Drahtes (Rosen Cook Medical) und C weichen Drahtes (Terumo Radifocus) nach gleicher Krafteinwirkung an der Drahtspitze

Weiche Drähte sind hydrophil beschichtet, haben eine atraumatische Spitze und werden für die Sondierung und primäre Navigation im Gefäßsystem verwendet.

Steife Drähte werden verwendet, um Devices wie schleusen- oder ballon- bzw. stenttragende Systeme bei durch anatomisch bedingt erhöhtem Schwierigkeitsgrad ins Zielgebiet vorzubringen. Sie haben eine atraumatische Spitze, welche sich durch einen weichen Anteil (Amplatz Super Stiff) oder eine spezielle Konfiguration (Rosen) auszeichnet.

Ultrasteife Drähte zeichnen sich durch eine extreme Steifigkeit und Lagestabilität aus. Sie finden ihre Verwendung bei der endovaskulären Versorgung, insbesondere an der thorakalen Aorta (Abb. 6).

Abhängig vom Kern und der Ummantelung des Schaftes können steife Drähte auch gebogen werden und behalten dann diese Form (Abb. 3). Hierauf muss geachtet werden, wenn derselbe Draht in mehreren Gefäßen mit unterschiedlichem Verlauf eingesetzt wird.

Abb. 3
figure 3

Verbogener Haltedraht nach Einsatz im Truncus coeliacus über einen transfemoralen Zugang

Beim Einsatz eines ungeeigneten zu steifen Drahtes kann es zu Schaftperforationen z. B. bei Ballonkathetern und in der Folge zu erheblichen Gefäßwandverletzungen kommen (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Perforation eines Ballonkatheters durch einen zu steifen Draht

Mittlerweile gibt es auch Drähte, die unterschiedliche Steifigkeiten in ihrem Verlauf aufweisen und damit die Einsatzmöglichkeiten erweitern. Ein Beispiel ist der Terumo Radifocus Glidewire Advantage [11]. Dieser besteht aus einer Kombination von einem 25 cm langen klassischen Terumo Radifocus Glidewire (J-Spitze, Nitinolkern, Polyurethanumwickelung und hydrophile Beschichtung) sowie anschießend einem deutlich steiferen Anteil aus einem härteren Nitinol und einer PTFE-Beschichtung. Dies dient z. B. dazu, bei einem Cross-over-Manöver nur mit einem Draht zu arbeiten. Diesen Draht gibt es in den Durchmessern 0,014″, 0,018″ und 0,035″.

Ebenfalls gut für lange schleusen-, ballon- oder stenttragende Systeme geeignet ist der Jindo der Firma Cordis [8], ein Stahldraht, der im vorderen Anteil einen Durchmesser von 0,018″ und im hinteren Teil von 0,035″ aufweist. Diese Konfiguration ist bei der Stentimplantation in renoviszeralen Gefäßen mit schwieriger elongierter Anatomie sinnvoll, wenn der Draht im peripheren Segment des Zielgefäßes platziert werden muss.

Bei allem Gesagten muss immer bedacht werden, dass die Gefäßanatomie durch steife Drähte verändert wird (Abb. 5 und 6). Dies ist zwar gewünscht, um entsprechende Devices an ihren Einsatzort zu bringen, aber es besteht auch eine Rupturgefahr.

Abb. 5
figure 5

Unterschied im Drahtverlauf zwischen weichem Katheter und steifem (Rosen‑)Draht bzw. Schleuse im Becken; Video online verfügbar

Abb. 6
figure 6

Unterschied im Drahtverlauf zwischen weichem Katheter und ultrasteifem (Lunderquist‑)Draht im thorakalen Bereich; Video online verfügbar

Beschichtung

Man unterscheidet zwischen hydrophilen und hydrophoben Beschichtungen. Erstere bestehen in der Regel aus hydrophilen Polymeren oder PTFE. Durch reduzierte Reibung an der Gefäßwand, insbesondere bei elongierter Anatomie, wird ein leichteres Vorbringen ermöglicht.

Hydrophobe Drähte weisen dahingegen eine Beschichtung mit Silikon auf, durch die die Reibung nur sehr gering reduziert würde, weswegen diese zur Reduzierung der Thrombogenität meist zusätzlich mit einem Heparin-Coating versehen sind. Hydrophobe Drähte bieten ein genaueres haptisches Feedback bei der Einbringung von ballon- oder stenttragenden Systemen.

Außerdem ist insbesondere bei hydrophil beschichteten Drähten darauf zu achten, dass bei einer Gefäßpunktion mit Stahlnadel der Draht nicht durch die Nadel zurückgezogen werden darf, weil es zur Abschilferung der Beschichtung kommen kann (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Abschilferung eines beschichteten Drahtes durch die Verwendung einer Stahlkanüle

Für alle Drähte gilt, dass diese vor dem Einsatz mit Heparin-NaCl-Lösung gründlich gespült werden müssen und die Beschichtung erst nach Abwischen mit feuchter Kompresse aktiviert ist.

Konfiguration der Spitze

Jeder Draht hat zwei Enden, ein flexibles für die intravasale Anwendung bestimmtes Ende und ein starres Ende, das außerhalb des Körpers bleibt und zum Auffädeln von Kathetern dient. Das starre Ende darf nicht in das Gefäßsystem eingebracht werden, da es leicht Gefäßperforationen verursachen kann.

In Abhängigkeit von der Präferenz des Untersuchers (gerader Katheter und gebogener Draht oder vorgeformter Katheter und gerader Draht) werden sehr unterschiedliche Konfigurationen für die Drahtspitze angeboten. Speziell sind hier die 180-Grad-Winkelung des Cook-Rosen-Drahtes oder die Bolia-Spitze des Terumo-Drahtes zu erwähnen.

Grundsätzlich gilt, dass gerade Drähte eine leicht erhöhte Gefahr einer Perforation aufweisen, dafür aber meist problemlos vorzuschieben sind, weil sie nicht in Seitenäste abgleiten. Jedoch gilt: Das Vorschieben eines Drahtes im Gefäßsystem sollte grundsätzlich unter Durchleuchtung erfolgen. Wird der Draht bei einem Drahtwechsel in einem Katheter vorgeschoben, so ist der Weg durch den Katheter als Platzhalter gesichert und der Draht wird ohne Durchleuchtungskontrolle seines Weges vorgeschoben. Besondere Vorsicht ist grundsätzlich geboten, wenn die Drahtspitze wieder den Katheter verlässt. Eine weitere Besonderheit besteht bei der Verwendung von Angiographiekathetern mit Seitlöchern, z. B. Pigtail-Kathetern. Hier ist es möglich, dass ein Draht nicht dem Katheter folgt, sondern durch Seitenlöcher austritt (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

0,018″ Draht, der durch das Seitenloch eines Pigtail-Katheters abweicht

Insbesondere bei Verwendung von steifen Drähten oder Drähten mit deutlich geringerem Durchmesser im Vergleich zum Katheterinnenlumen steigt diese Gefahr.

Bei manchen Drähten kann die Konfiguration der Spitze durch vorsichtiges Anbiegen den individuellen Bedürfnissen angepasst werden.

Verschiedene Längen der Spitze ermöglichen den differenzierten Einsatz in unterschiedlichsten Situationen. Kurze Spitzen (siehe Abb. 9) eignen sich z. B. beim Einbringen von Stents in Gefäße, die sich bald nach dem Abgang aufzweigen. Lange Spitzen eignen sich beim Überwinden von Hindernissen mit starker Elongation.

Abb. 9
figure 9

Schema eines Haltedrahtes mit kurzer weicher Spitze und langem steiferem Schaft [13] (mit freundlicher Genehmigung von ASAHI INTECC)

Die Spitze kann auch getapert sein (Abb. 10), was v. a. bei CTOs zur Rekanalisation zum Einsatz kommt. Die Spitze eines solchen 0,014″ Drahts ist 0,008″ bis 0,012″ dick. Außerdem gibt es inzwischen Rekanalisationsdrähte mit einer leicht gekröpften Spitze, die in Verbindung mit einem Rekanalisationskatheter eine Steuerung der Rekanalisationsrichtung zulassen (z. B. Asahi Halberd 0,014″).

Abb. 10
figure 10

Getaperte Spitze [13] (mit freundlicher Genehmigung von ASAHI INTECC)

Kern

Wie bereits oben erwähnt, definiert das Material die Spitze und die Steifigkeit des Drahtes. Der Kern kann entweder gerade oder getapert, also konisch zulaufend aufgebaut sein. Je nachdem ob die Taperung über eine kurze (siehe Abb. 9) Strecke oder lange Strecke (siehe Abb. 11) aufgebaut ist, erhöht dies die Spitzensteifigkeit und verhindert, dass die Spitze beim Abbiegen „kollabiert“ (Abb. 12).

Abb. 11
figure 11

Kombination eines getaperten Kerns und einer getaperten Spitze eines Chronic-total-occlusion(CTO)-Drahtes mit einem Tip Load von 20 g [13] (mit freundlicher Genehmigung von ASAHI INTECC)

Abb. 12
figure 12

Bei der Sondierung eines Seitenastes (a) kann der Draht in den geraden Weg kollabieren (b). Das Risiko des Kollabierens ist bei getapertem Kern niedriger (c)

Je höher das Risiko eines Prolapses ist, desto eher formt die Spitze einen Loop und damit steigt auch das Risiko einer subintimalen Passage. Jeder Draht kollabiert mit zunehmenden Druck. Bei einem CTO-Draht sollte dies jedoch erst einige cm nach der Spitze passieren, sodass die Penetrationskraft hoch bleibt.

Torsionsstabilität

Die Torsionsstabilität gibt an, inwiefern eine Rotation am Ende eines Drahtes auf die Spitze übertragen wird. Dies ist abhängig von der Umwickelung und der Anzahl der Verbindungspunkte dieser Umwickelung mit dem Kern. Je dichter diese sind, umso höher ist die Torsionsstabilität.

Hohe Torsionsstabilität führt zur Steigerung der Präzision des Arbeitens und zur Verkürzung der Interventions- und vor allem auch der Durchleuchtungszeit.

Praktisch von allen großen Herstellern werden Drehführungsgriffe (Torquer) für alle Drahtdurchmesser angeboten. Im Prinzip handelt es sich dabei um zylinderförmige Plastikhülsen mit einem konzentrischen Drahtkanal. Durch einen konischen Schraubmechanismus oder einen verschiebbaren Exzentergriff lässt sich das Lumen so weit verengen, dass eine feste Verbindung durch hohe Reibung zwischen Draht und Handgriff entsteht, ohne die Drahtoberfläche zu beschädigen. Damit kann die Steuerbarkeit v. a. von hydrophilen Drähten oder Drähten mit kleinem Durchmesser erheblich erhöht werden, was ebenfalls Interventions- und Durchleuchtungszeit einspart.

Tip Load

Die sog. Tip Load wird in Gramm angegeben und bezeichnet die Steifigkeit der Spitze bei CTO-Drähten. Je höher die Tip Load, desto höher ist auch die Penetrationsfähigkeit des Drahtes bei einem Verschluss, aber auch die Gefahr einer Perforation der Gefäßwand.

Während sog. Workhorse-Drähte meist eine Tip Load um 3 g besitzen, haben CTO-Drähte eine Tip Load von 20 bis 40 g.

Spezielle Drahtformen

Neben den o. g. Drähten gibt es noch einige Sonderformen für spezielle Indikationen.

  • Spider FX (Medtronic): Eigentlich handelt es sich um einen Filter, der auf einem 0,014″ Draht fixiert ist. Er dient als Filter und als Führungsdraht für Interventionen (z. B. Carotis Stent, direktionale Atherektomiesysteme, …)

  • Bare Wire (Abbott): Dieser 0,011″ Draht hat wenige cm nach der Spitze eine T‑förmige Verbreiterung, welche als Aufnahme für den Emboshield Nav6 Filter dient. Im Vergleich zum Spider FX kann der Draht für rotierende Thrombektomie- oder Atherektomiesysteme eingesetzt werden, da der Filter nicht fix mit dem Draht verbunden ist.

  • Progreat (Terumo): Hier handelt es sich um eine Kombination aus Mikrodraht (0,021″) und Mikrokatheter. Der Draht hat am distalen Ende einen fixierten Torquer, sodass dieser nur für das Sondieren von kleinsten Gefäßen geeignet ist.

  • ASAHI Extension 165 (ASAHI): dient als Verlängerung auf einen kürzeren Draht, v. a. für Coronardrähte gedacht.

  • Neuere Rotationsatherektomie- und Rotationsthrombektomiesysteme wie z. B. Phoenix (Phillips), Rotarex (Braun) werden über eigene, mitgelieferte Führungsdrähte eingebracht, die Stabilität und ein passendes haptisches Feedback bieten.

Zusammenfassung

Drähte haben einen komplexen Aufbau, welchen sie für den jeweiligen Einsatz benötigen. Erst durch das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten (Kern, Umwickelung, Übergang, Konfiguration der Spitze und Beschichtung) definiert sich der Draht. Die Unkenntnis der Eigenschaften verschiedener Drähte kann für den Patienten gefährlich werden und zu Komplikationen führen. Andererseits kann das Fehlen oder die Nichtanwendung geeigneter Materialien dem Patienten mögliche endovaskuläre Therapieoptionen vorenthalten.

Für jede Gefäßregion und Indikation stehen spezielle Drähte zur Verfügung, deren Anwendung im Rahmen der „instructions for use“ erfolgen muss. Ebenso wichtig ist für den Untersucher aber auch, sich mit dem unterschiedlichen Handling der Devices vertraut zu machen, woraus sich die Forderung ableitet, die Lagerhaltung auf 1–2 verschiedene Drähte je Indikation zu beschränken.

Ziel dieser Arbeit ist es, interventionell tätigen Gefäßchirurgen eine Auffrischung ihrer Kenntnisse sowie in Ausbildung befindlichen Kollegen eine Einführung in die Problematik zu bieten und dabei die Bedeutung umfassender Materialkunde nochmals zu betonen.