Der Querschnittsbereich (QB) 13 Palliativmedizin ist als Pflichtlehr- und Prüfungsfach mit einem Stundenumfang von durchschnittlich 22 Unterrichtseinheiten (UE = 45 min) an allen medizinischen Fakultäten in Deutschland etabliert. Vorrangig wurden bisher Präsenzveranstaltungen genutzt, dies waren neben Vorlesungen und Seminaren der Unterricht am Krankenbett (UAK) und problemorientiertes Lernen (POL). Ein begleitendes E‑Learning, insbesondere für die Bereiche Grundlagen, Symptomkontrolle und psychosoziale Aspekte, wurde hauptsächlich an Fakultäten mit Lehrstuhl genutzt. Prüfungen fanden zum überwiegenden Teil im Multiple-Choice-Format statt [1, 2].

Durch die Coronavirus-disease-2019(COVID-19)-Pandemie im Frühjahr 2020 sahen sich die Lehrenden während des laufenden Sommersemesters (SoSe) plötzlich mit der Herausforderung konfrontiert, die etablierten Präsenzveranstaltungen ad hoc durch elektronische Lehrformate ersetzen zu müssen.

Zielsetzung

Diese Erhebung hatte das Ziel, die Lehrsituation in der Palliativmedizin unter dem Einfluss der COVID-19-Pandemie abzubilden und möglichen Entwicklungs- und Unterstützungsbedarf zu identifizieren.

Methoden

In einem ersten Schritt wurden in der Arbeitsgruppe (AG) Bildung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) 15 Items entwickelt, die die aktuelle palliativmedizinische Lehrsituation in Deutschland abbildeten und Unterstützungswünsche an die DGP adressieren sollten. Über persönliche Kontakte und eine ergänzende Onlinerecherche wurden die Lehrverantwortlichen aller 41 Fakultäten identifiziert und zur Teilnahme an der Befragung eingeladen. Die Befragung wurde mit SurveyMonkey® (SurveyMonkey Europe UC, Dublin, Irland) erstellt und umfasste 7 Items, die sich auf das SoSe 2020 bezogen, 4 Items, die das Wintersemester 2020/2021 betrafen, sowie 4 allgemeine Items. Acht der zuvor beschriebenen 15 Items verlangten eine Freitextantwort, 4 Items waren in Form einer numerischen Rating-Skala (NRS) zu beantworten, 3 in Form einer Likert-Skala.

In einem Expertenworkshop mit 14 Lehrenden verschiedener Fakultäten wurden im Anschluss zunächst eigene Erfahrungen und Einschätzungen diskutiert und in einem nächsten Schritt auf die Ergebnisse der Onlinebefragung angewendet. Die Diskussionsergebnisse wurden mit in die Auswertung einbezogen, wobei nicht auszuschließen ist, dass ein Teil der Experten auch den Fragebogen beantwortet hat.

Ergebnisse

Von 41 kontaktierten Lehrverantwortlichen bearbeiteten 16 die Umfrage, zum Teil unter Auslassen einzelner Items. Das entspricht einer Rücklaufquote von 39 %. In einer Beantwortung wurde die Zustimmung zur Publikation der genannten Lehr- und Prüfungsformate sowie der genutzten Software verweigert, sodass diese Antworten nicht ausgewertet wurden.

Die digitale Vermittlung der relevanten Lehrinhalte wurde mehrheitlich als gelungen eingeschätzt (n = 15; NRS 0 [trifft voll zu] bis 100 [trifft gar nicht zu], Mittelwert [MW] 19, Range 0–50). Die Lehrgestaltung im SoSe 2020 wurde durch die COVID-19-Pandemie überwiegend als Herausforderung erlebt (n = 14; NRS 0 [trifft voll zu] bis 100 [trifft gar nicht zu], MW 26, Range 0–85). Die Umsetzung digitaler Prüfungen hingegen wurde weniger positiv erlebt (n = 13; NRS 0 [trifft voll zu] bis 100 [trifft gar nicht zu], MW 39, Range 0–100). Je niedriger der Wert auf der Y‑Achse, desto größer ist das Maß an positiver Zustimmung (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Bewertung der Lehrgestaltung im Sommersemester 2020. MW Mittelwert, NRS numerische Rating-Skala

Zur Vermittlung der Struktur einer Palliativstation wurden bereits etablierte Rundgänge über Stationen als Videomitschnitt für die Studierenden angeboten. Als neu eingeführte, häufig genutzte Lehrformate wurden Onlinevorlesungen mit vertonten (bereits existierenden) PowerPoint-Folien genannt. Um diese aufzuwerten, erfolgte die Vertonung teils durch mehrere Dozenten. Vorlesungen fanden weiterhin via Zoom® (Zoom Video Communications, Inc., San Jose, CA, USA) sowie über andere E‑Learning-Tools statt. Auch videobasierte Seminare via Zoom® wurden durchgeführt. Es wurden für das selbstständige Lernen Lehrtexte und Reflexionsfragen zur Verfügung gestellt. Um den Realitätsbezug herzustellen wurden teilweise Patient*innen via Videosequenz (Tablet) vorgestellt und direkte Gespräche zwischen Studierenden und Patient*innen mittels Video ermöglicht. Zum Kommunikationstraining wurden digitale Gespräche mit Simulationspatient*innen angeboten.

Die Prüfungen fanden teils als Präsenzprüfung mit Abstandsregeln, teils als E‑Klausur statt, auch eine fallbasierte Hausarbeit und Hospitationsberichte wurden genannt. Das überwiegende Prüfungsformat bestand weiterhin aus Multiple-Choice-Fragen.

Unterstützung seitens der Fakultäten wurde in erster Linie in Form von digitalen Lehrstrukturen benannt, weniger als finanzielle oder personelle Unterstützung (n = 16; Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Unterstützung seitens der Fakultäten bei der Lehrgestaltung im Sommersemester 2020

Das Feedback der Studierenden fiel hinsichtlich der vertonten Präsentationen und Videos positiv aus. Kritisiert wurde neben strukturellen Aspekten, wie technischen Problemen, insbesondere die Prozessebene. Durch die Digitalisierung würde die Interaktion mit Patient*innen und Dozierenden verloren gehen und in der häuslichen Umgebung würde es schwerer fallen, sich auf die Lehrinhalte zu konzentrieren.

Mit einer Ausnahme planten alle Teilnehmenden für das Wintersemester 2020/2021 ebenfalls eine vollständige oder teilweise digitale Lehrgestaltung. Die bereits angewendeten Lehrformate sollen überwiegend beibehalten werden, da die Umstellung mit hohem Arbeitsaufwand verbunden war. An einigen Standorten soll Kleingruppenunterricht als Präsenzlehre ermöglicht werden, um hier ein höheres Maß an Interaktion und Patientenkontakt zu ermöglichen. Die Prüfungen werden überwiegend weiterhin als Multiple-Choice-Klausur, elektronisch oder als Präsenzveranstaltung geplant, auch fallbasierte Hausarbeiten und „objective structured clinical examinations“ (OSCE) sind vorgesehen.

Als Software wurden auch mit Blick auf das kommende Semester überwiegend Zoom® und die Nutzung vertonter PowerPoint-Vorträge angeführt.

An die DGP wurde der Wunsch adressiert, Lehr- und Prüfungsmaterial sowohl zentral zu erstellen als auch zu sammeln und den Fakultäten zur Verfügung zu stellen (n = 16; Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Wünsche an die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP)

Als Herausforderung bei der Lehrgestaltung unter dem Einfluss von COVID-19 beschrieben die Lehrenden analog zum Feedback der Studierenden die fehlenden Interaktionsmöglichkeiten, insbesondere bei der Vermittlung psychomotorischer und affektiver sowie multiprofessioneller Lehrinhalte. Auch technische Hürden, fehlende Unterstützung und die Kurzfristigkeit der neuen und stetig wechselnden Anforderungen wurden kritisiert. Aber auch Chancen wurden benannt, neben der Digitalisierung selbst vor allem die Chance zur Neugewichtung der Lehrinhalte im Studium und das höhere Maß an Eigenverantwortung aufseiten der Studierenden.

Diskussion

Die erhobenen Daten ergänzen die Darstellung der palliativmedizinischen Lehrsituation in Deutschland aus der aktuellen Lehrumfrage [2] um Angaben zur rasch angepassten Lehr- und Prüfungssituation unter dem Einfluss der COVID-19-Pandemie. Die Rücklaufquote war mit 39 % gering, was auf den kurzen Erhebungszeitraum während der Sommerzeit zurückzuführen ist. Die Inhalte deckten sich jedoch mit den Ergebnissen der anschließenden Expertendiskussion und lassen somit eine inhaltliche Sättigung vermuten.

Die technischen Grundlagen für das Erarbeiten eines digitalen Lehrangebots scheinen grundsätzlich verfügbar zu sein, und über die Anbieter selbst oder die IT-Abteilungen der Fakultäten werden Schulungen angeboten. Dennoch wäre personelle Unterstützung in Form von IT-Experten wünschenswert. Weitere direkte finanzielle Unterstützung erscheint bei ausreichendem Lehrpersonal eher zweitrangig: Obwohl seitens der Fakultäten kaum unmittelbare finanzielle Unterstützung zur Lehrgestaltung geleistet wurde (Abb. 2), war die Bewertung der Lehre überwiegend positiv (Abb. 1).

Im Bereich der Lehre wäre es wünschenswert, zumindest einen Teil der Veranstaltungen in Kleingruppen wieder in Form von Präsenzlehre anbieten zu können oder alternativ digitale Lösungen zu finden, welche mehr Interaktion und die Vermittlung von Fertigkeiten und Haltung zulassen. In der Expertengruppe wurde in diesem Zusammenhang auch diskutiert, dass die elektronischen Lehrformate eine Chance darstellen können, offener und den eigenen Bedürfnissen angepasster mit emotional herausfordernden Themen umzugehen. So bietet das digitale Lernen einen anonymeren Rahmen und reduziert so für manche Studierende die Hemmschwelle, sich auf emotionale Themen einzulassen oder offen Fragen zu stellen.

Elektronische Lehrformate können die Chance bieten, offener mit emotional herausfordernden Themen umzugehen

Eine größere Herausforderung scheint – wie auch bisher beschrieben [1, 2] – die Gestaltung der Prüfungen darzustellen. In der Diskussion wurde deutlich, dass die aktuelle Situation durchaus die Chance mit sich bringt, auch die Prüfungen neu zu gestalten und elektronische Formate zu entwickeln, die neben der Prüfung von Faktenwissen auch psychomotorische und affektive Lernziele prüfen. Ein erster Schritt ist bereits damit getan, dass die Fakultäten sich dem rechtlich schwierigen Thema der elektronischen Prüfungen widmen (müssen). Als ein Pilotprojekt wurde in der AG Bildung der DGP bereits „Die virtuelle Palliativpatientin“ als elektronisches Prüfungstool auf Basis einer Fallvignette entwickelt und an vier Standorten getestet [3].

Ausblick

Entsprechend dem Wunsch der Befragten soll eine bessere Vernetzung der Lehrenden mit dem Schwerpunkt des Austauschs von Erfahrungen und Lehrmaterialien ermöglicht werden. Es ist daher geplant, neben den bereits etablierten, jährlich stattfindenden QB-13-Dozierenden-Workshops (in der Regel nach Ende des SoSe) ein zusätzliches, virtuelles Treffen am Ende des Wintersemesters via Zoom® zu veranstalten.

Darüber hinaus wurde im Mitgliederbereich der DGP die bereits vorhandene Moodle®-Plattform (eLeDia eLearning im Dialog GmbH, Berlin, Deutschland) zum Austausch von Lehrmaterial aktualisiert. In Zukunft sollen dort bereits vorhandene, aber auch neu generierte Filmsequenzen, Fallvignetten etc. zur freien Nutzung im Rahmen der Lehre bereitgestellt werden.

Parallel soll das Tool „Die virtuelle Palliativpatientin“ weiterentwickelt werden und im Verlauf als technisches Gerüst dienen, das die einzelnen Fakultäten mit Inhalten (Multiple-Choice-Fragen, Filmsequenzen, Reflexionsfragen) füllen können.