Verehrte Leserin, verehrter Leser,

Sie halten die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift für Herz‑, Thorax- und Gefäßchirurgie in der Hand. Diese Ausgabe hat für mich eine ganz besondere Bedeutung, da ich seit diesem Jahr in der Schriftleitung mitarbeiten darf und an dieser Stelle mein erstes Editorial für diese Zeitschrift publiziere. Meine Freude über diese neue Aufgabe ist gepaart mit großem Optimismus im Hinblick auf die überall spürbare positive „Aufbruchstimmung zurück zur Normalität“.

Nach Ansicht des Virologen Christian Drosten und anderer Experten ist die Coronapandemie in Deutschland endlich vorbei. COVID-19 gilt nun als Endemie. Stehen wir nun an der Schwelle zu einer Zukunft ohne Beschränkungen? Einer Post-Corona-Zeit, in der wir wieder ohne Maske und ohne Abstand leben können wie vor 2020? Back to the future?

Am 02.02.2023 fand die erste In-personam-Herausgebersitzung dieser Zeitschrift „nach der Pandemie“ in Frankfurt statt – passenderweise an dem Tag des Endes der Maskenpflicht im Nah- und Fernverkehr. Fast alle Rubrikenleiter waren persönlich da! Endlich! Unsere Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Herz‑, Thorax- und Gefäßchirurgie 2020 in Wiesbaden war bereits vom Virus überschattet. Die folgenden Treffen 2021 und 2022 konnten nur virtuell stattfinden. Erst im Februar 2023 war nach langer Wartezeit wieder eine Präsenzveranstaltung möglich. Sie war ein voller Erfolg, hervorragend organisiert und mit einem spannenden Programm. Bereits zum 8. Mal zeitgleich mit der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler lockte die Veranstaltung „Herzmedizin 2023 – Spezialkräfte als Team“ über 2500 Besucher nach Hamburg.

Die Gegenwart ist die Zukunft der Vergangenheit – Zeitreisen sind problematisch

Können wir nun und in der Zukunft wieder so leben, als hätte es die Pandemie nie gegeben? Auch wenn die Gegenwart die Zukunft der Vergangenheit ist – Zeitreisen sind nicht nur in der Filmwelt problematisch. In dem Science-Fiction Klassiker Back to the future reist Michael J. Fox als Marty McFly mittels einer DeLorean-Zeitmaschine aus dem Jahr 1985 in das Jahr 1955 zurück und muss dort darauf achten, dass er die Bedingungen seiner eigenen Existenz nicht gefährdet.

Exkurs Großvaterparadoxon: Wer als Zeitreisender in der Vergangenheit seinen Großvater tötet, bevor dieser Nachwuchs zeugt, wird zwangsläufig nicht geboren. Dementsprechend könnte er nicht durch die Zeit reisen und den Großvater töten. Dieser würde also leben und der Zeitreisende auch wieder geboren. Daraus entstehen zwei Dinge: ein Knoten im Kopf, vor allem aber eine Zeitschleife.

Wir können nicht so tun, als hätte es Corona nie gegeben. Und so gibt es auch keinen coronafreien Zeitsprung aus dem Jahr 2019 in das Jahr 2023. Die neue oder doch alte Normalität bringt zwar viele gewohnte Konventionen zurück, doch das Verhalten der Individuen hat sich ebenso wie die Gesellschaft an sich verändert. Unsere medizinische Arbeitswelt wird nicht nur moderner und digitaler, sie steht leider auch bislang unbekannten Ressourcenproblemen gegenüber: Schwierigkeiten durch Lieferkettenengpässe, Zertifikatestau als Folge der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung und nicht zuletzt die Personalknappheit.

Folgender Aphorismus wird dem griechischen Philosophen Aristoteles (384–322 v. Chr.) zugeschrieben:

„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“

Was ist also zu tun? Setzen wir die Segel anders! Machen wir das Beste aus den gegebenen Umständen! Blicken wir unter den neuen Bedingungen hoffnungsvoll in die Zukunft unseres Fachbereichs!

Die Zeitschrift für Herz‑, Thorax- und Gefäßchirurgie ist das offizielle Weiterbildungsorgan der Deutschen Gesellschaft für Herz‑, Thorax- und Gefäßchirurgie und wendet sich in kompletter Breite unseres Fachgebiets mit abwechslungsreichen und interessanten Artikeln nicht nur an Kolleg*innen in Weiterbildung, sondern stellt auch die Attraktivität unseres Berufes durch eine umfassende Zusammenstellung relevanter Lektüre dar.

In dieser Ausgabe wird das Lebenswerk eines der ganz Großen unseres Fachgebiets, Sir Magdi Yacoub, beschrieben, und es werden eindrucksvolle operative Möglichkeiten bei verkalktem Mitralanulus vorgestellt. Nutzen Sie die CME-Fortbildung, um sich über das Spannungsfeld „VAD-Patienten außerhalb der Herzchirurgie“ zu informieren, oder bilden Sie sich in der Medizin-Kommunikation fort. Lesen Sie die Zusammenfassungen zu „Langzeitergebnissen der arteriellen Switch-Operation“ und zum „intensivmedizinischen Management postoperativer Komplikationen“. Lassen Sie sich keinesfalls die Preisträgerbeiträge Ausgezeichnet entgehen. Die Lehre in einem Wahlpflichtfach Herzchirurgie und die Nutzung von Social Media sind Ansätze zur Rekrutierung des Nachwuchses, darüber hinaus sind sie aber auch für die Außenwirkung unseres Fachgebiets von großer Bedeutung.

Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre dieser Ausgabe und blicke zuversichtlich mit Ihnen in eine erfolgreiche Zukunft.

„Wer die Zukunft erforschen will, muss die Vergangenheit kennen.“ (Aus China)

Kein „Back to the future“, sondern ein besonnenes „Forward to the future“ ist unser Weg. Lassen Sie uns die Herausforderungen anpacken. Ich freue mich über Ihre Beiträge, wegweisende Forschungsergebnisse und eine gute Zusammenarbeit!

Ihr Christian Heim