Zentrales Ziel der Gründung des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ) durch das Land Berlin im Jahr 1988 war die interdisziplinäre Erforschung sowohl der Ursachen als auch der Epidemiologie rheumatischer Erkrankungen. Die Aufgabe des klinisch-epidemiologischen Forschungsschwerpunktes ist es, Risikofaktoren von Krankheitsverläufen aufzudecken und durch anwendungsorientierte Forschung Beiträge zur Verbesserung der Versorgung und der Lebensqualität von Menschen mit rheumatischen Erkrankungen zu leisten. Dabei geht es immer darum, die verschiedenen Aspekte von Krankheit – biologische, psychologische und soziale – gemeinsam in den Blick zu nehmen.

Die Gründung des Programmbereichs Epidemiologie fiel in eine Zeit, in der die großen Defizite in der Versorgung von Patient:innen mit rheumatischen Erkrankungen immer stärker thematisiert und schließlich seitens der Bundesregierung mithilfe von Modellvorhaben und Forschungsschwerpunktprogrammen in den Blick genommen wurden. Die Förderschwerpunkte „wohnortnahe Rheumaversorgung“, „Rheumaepidemiologie“, „regionale kooperative Rheumazentren“, „Kompetenznetz Rheuma“ und die daran anschließende Förderung mehrerer muskuloskeletaler Forschungsverbünde haben entscheidend dazu beigetragen, dass sich aus einer anfänglich kleinen Gruppe mit 4 Mitarbeitenden im Jahr 1991 eine der größten klinisch-epidemiologischen Abteilungen in Deutschland mit jetzt mehr als 50 Beschäftigten entwickeln konnte.

Die Forschung wurde von Anfang an durch Fragen geleitet, die aus der Versorgung kamen und deren Erkenntnisse in die Versorgung zurückvermittelt werden sollten. Neben der klinisch-evaluativen Forschung anhand kontrollierter Studien, die methodisch begleitet wurden, entwickelte der Programmbereich kontinuierlich eigenständige Krankheitsregister und Kohorten, die für die Abbildung der realen Versorgungsqualität („from bedside to practice“) notwendig sind (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Epidemiologie und Versorgungsforschung im Kontext der Evidenzgenerierung. (Mod. nach Panteli et al. [51] sowie Schrappe u. Pfaff [52])

Im Folgenden werden zentrale Forschungsfragen des Programmbereichs Epidemiologie und Versorgungsforschung und die hieraus entstandenen Erkenntnisse dargestellt.

Wie gut ist die Versorgung von Betroffenen mit rheumatischen Erkrankungen und wie verändert sie sich?

Um die Versorgung von Betroffenen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu verbessern, förderte das Bundesgesundheitsministerium von 1992 bis 1998 den Aufbau von regionalen Rheumazentren in verschiedenen Modellregionen der Bundesrepublik. Für die Evaluierung der Rheumazentren wurde 1993 die bundesweite Kerndokumentation eingeführt. Eine ihrer Aufgaben war es, in den jeweiligen Modellregionen am Beispiel der rheumatoiden Arthritis (RA) zu ermitteln, welcher Anteil der Betroffenen in der Bevölkerung durch die rheumatologische Versorgung erreicht wird. Weitere Indikatoren einer guten Versorgung kamen im Lauf der Zeit hinzu und wurden detailliert beschrieben, so die Übereinstimmung der Versorgung mit Leitlinien, die systematischen Unterschiede zwischen haus- und fachärztlicher Versorgung oder die Defizite in den Bereichen der ergänzenden Therapien und der Patient:innenschulung [1].

Seit 1997 wird auch die Versorgung rheumakranker Kinder einer detaillierten Überprüfung unterzogen. Alle großen kinderrheumatologischen Einrichtungen in Deutschland nehmen an der Kinderkerndokumentation teil und erfassen jährlich rund 60 % der Kinder und Jugendlichen mit chronischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen in Deutschland. Die Kinderkerndokumentation bildet Trends in der kinderrheumatologischen Versorgung und den assoziierten Outcomes ab [2,3,4,5].

Die Situation Rheumakranker in Deutschland hat sich auf mehreren Ebenen verbessert

Im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte hat sich die Situation Rheumakranker in Deutschland auf mehreren Ebenen verbessert. Krankheitsübergreifend zeigten die Daten der Kerndokumentation für die juvenile idiopathische Arthritis (JIA), RA, Spondyloarthritiden und Kollagenosen [2, 6,7,8,9] einen Rückgang der Krankheitsaktivität und Hospitalisierung bei einer gleichzeitigen Zunahme des Anteils an Patient:innen mit inaktiver Erkrankung und erhaltener muskuloskeletaler Funktion. Auch der Anteil der Betroffenen, die weiterhin erwerbstätig sein können, ist über die Jahre gestiegen. Verbesserte Behandlungsstrategien und die hohe Wirksamkeit neuer Therapien haben die Therapieziele verändert. Heutzutage wird als primärer klinischer Outcome nicht mehr der radiologisch nachweisbare Strukturschaden oder die irreversible Funktionseinschränkung gemessen, sondern der Anteil an Betroffenen, die ein Stadium der (glukokortikoidfreien) Remission erreichen – ohne Organschäden und bei vollem Funktionserhalt.

Dennoch bestehen vor allem im Übergang von der Primär- zur internistisch-rheumatologischen Versorgung sowie im Übergang von der pädiatrisch- zur internistisch-rheumatologischen Versorgung weiterhin Defizite. Erstere wurden zunächst durch einen aufwendigen bevölkerungsbasierten Survey (GRAPS) mit klinisch-rheumatologischer Untersuchung einer symptomatischen Stichprobe [10] untersucht. Ein Jahrzehnt später konnten Krankenkassendaten, deren bekannte Schwäche das Fehlen klinischer und patientenberichteter Parameter ist, durch Befragungen von betroffenen Versicherten ergänzt werden (PROCLAIR-Projekt). Es wurde gezeigt, dass auch aktuell noch ein Drittel der Betroffenen in der Bevölkerung keine internistisch-rheumatologische Versorgung erhält und dass es auch bei denjenigen, die den Weg zu Rheumatolog:innen finden, immer noch weitaus zu lange dauert, bis entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie die RA, Psoriasisarthritis (PsA), systemischer Lupus erythematodes und vor allem axiale Spondyloarthritiden diagnostiziert und behandelt werden [1, 11]. Das PROCLAIR-Projekt führte auch die Schnittstellenproblematik zwischen pädiatrisch- und internistisch-rheumatologischer Versorgung vor Augen. Jeder zweite vor Verlassen der Kinderrheumatologie mit „disease modifying anti-rheumatic drugs“ (DMARDs) behandelte junge Betroffene nahm im Alter von 20 Jahren keine fachspezifische Versorgung mehr in Anspruch [12]. Auch die weiterhin unzureichende Verordnung oder Kostenübernahme von Patient:innenschulung und physikalischer Therapie bzw. Funktionstraining konnte mit Daten aus der Kerndokumentation belegt und mit Routinedaten bestätigt werden [13, 14].

Immunmodulierende und zielgerichtete Therapien führen nicht nur zu einer effektiven Hemmung der Entzündungsaktivität, zu reduzierten Folgeschäden und zu einer besseren Lebensqualität für die Betroffenen, sondern besitzen bei zunehmendem Einsatz aufgrund der hohen Therapiekosten auch große gesundheitsökonomische Relevanz. Ergebnisse aus der Kerndokumentation und Krankenkassendaten zeigen gleichermaßen, dass der starke Anstieg direkter Therapiekosten durch die Originalpräparate bislang durch Einsparung indirekter Kosten (ambulante und stationäre Versorgung, Krankheitstage, Arbeitsunfähigkeit) nur teilweise ausgeglichen werden kann [15, 16]. Dies könnte sich zukünftig durch die geringeren Kosten der Biosimilars zugunsten geringerer Gesamtkosten verschieben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Wirksamkeit dieser Therapien und ihre langfristigen Auswirkungen auf den Erhalt von Funktion, Arbeitsfähigkeit und Teilhabe weiter zu untersuchen.

Immunmodulierende und zielgerichtete Therapien haben große gesundheitsökonomische Relevanz

Ein weiterer Aspekt der patientenzentrierten Versorgungsforschung betrifft die Versorgung in spezifischen Lebensphasen, für die jeweils unterschiedliche therapeutische Ziele und Risiken gelten. Der Ausgang von Schwangerschaften bei JIA und PsA unter DMARD-Therapien [17, 18], die Transitionsphase der Jugendlichen mit der Herausforderung des Betreuungswechsels in die Erwachsenenrheumatologie [12] sowie Versorgungsdefizite und -abbrüche bei älteren Betroffenen [19] wurden als Schnittstellen in der Versorgung intensiv untersucht.

Wie sicher und wirksam sind die neuen Therapien?

Neben der Versorgungsforschung ist ein weiteres zentrales Thema unseres Programmbereichs die Erforschung der Sicherheit und Wirksamkeit neuer Therapien nach der Zulassung. In welchem Verhältnis stehen Nutzen und Risiken von Therapien, auf welche belastbaren Daten und Ergebnisse können Ärzt:innen die Behandlung ihrer Patient:innen stützen und welche Informationen können sie ihnen und ihren Familien geben?

Gegen Ende der 1990er Jahre ging es zunächst darum, innovative, gentechnisch hergestellten Therapeutika in randomisierten klinischen Prüfungen zu untersuchen, um deren Einsatz bei Rheumakranken zu ermöglichen. Hier haben wir verschiedene Therapiestudien biometrisch betreut, u. a. die erste Studie zu Infliximab bei ankylosierender Spondylitis [20], die zur Indikationserweiterung für dieses Krankheitsbild führte. Bei der Zulassung der ersten Tumornekrosefaktor(TNF)-Inhibitoren zur Behandlung der RA zeigte sich jedoch, dass die klinische Prüfung in Phase-III-Studien nicht ausreichend ist, um Betroffene beim Einsatz der neuen Medikamente hinsichtlich Langzeitsicherheit, seltener Risiken oder langfristiger Wirksamkeit zu beraten. Im Zusammenwirken mit der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und dem Berufsverband Deutscher Rheumatologen wurde daher 2001 das RABBIT-Register aufgesetzt, das heute als modellhaft für eine unabhängige Langzeitbeobachtung angesehen wird. Ihm folgten spezifische Register für Spondyloarthritiden (RABBIT-SpA), junge Erwachsene mit JIA (JuMBO) sowie Schwangerschaft und Kindesentwicklung (Rhekiss).

Sicherheitsaspekte der neuen Therapien

Infektionsrisiko

Mehrere Register machten schon bald nach der Zulassung die Beobachtung, dass zu Beginn einer Biologikatherapie ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, das im Zeitverlauf abnimmt [21]. Diese zeitabhängige Risikoveränderung konnte mit RABBIT-Daten auf Veränderungen der Risikostruktur und der individuellen Risikoprofile im Therapieverlauf zurückgeführt werden. Die Reduktion der Krankheitsaktivität und der Glukokortikoiddosis sowie die Verbesserung des Funktionsstatus nach Wirksamwerden der TNF-hemmenden Therapie führten zu einem Rückgang schwerwiegender Infektionen im Therapieverlauf [22]. Der im Internet zur Verfügung stehende RABBIT-Risikoscore für schwerwiegende Infektionen ist seit Jahren ein national und international etabliertes Instrument zur Bestimmung des individuellen Risikoprofils einzelner Patient:innen. Der Score wird auch in der direkten Kommunikation mit Betroffenen eingesetzt, um die verschiedenen Risikofaktoren für eine Infektion zu besprechen [23]. Hinsichtlich der Eskalation einer Infektion in eine Sepsis zeigten RABBIT-Daten erstmals, dass das Risiko einer Sepsis unter einer Therapie mit biologischen (b)DMARDs niedriger war als unter einer Therapie mit konventionellen synthetischen (cs)DMARDs [24]. Dieser Befund bestätigte tierexperimentelle Untersuchungen, die in klinischen Studien zur Sepsistherapie nicht reproduziert werden konnten. In der Diskussion um die Gabe von Immunsuppressiva in der COVID-19-Therapie wurde er wieder aufgenommen [25].

Kardiovaskuläre Ereignisse

Eine unzureichend kontrollierte Krankheitsaktivität und der daraus resultierende Glukokortikoidbedarf erhöhen das Risiko kardio- und zerebrovaskulärer Ereignisse, u. a. von Myokardinfarkt und Schlaganfall, entscheidend [26,27,28,29]. Eine anhaltend hohe Krankheitsaktivität verringert die Lebenserwartung um rund 10 Jahre [29]. Hingegen wirkt eine effektive Unterdrückung der Krankheitsaktivität durch immunsuppressive Therapien mit bDMARDs bei gleichzeitiger Reduktion von Glukokortikoiden protektiv.

COVID-19-Infektion und Rheuma

Anhand der laufenden Beobachtungsstudien werden einerseits aktuelle Fragen zur Therapiesicherheit adressiert. So wurde beispielsweise untersucht, wie SARS-CoV-2-Infektionen bei rheumakranken Kindern und Jugendlichen unter DMARD-Therapien verlaufen [30]. Andererseits fließen die über viele Jahre im RABBIT-Register gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen in aktuelle Analysen ein, z. B. die des europäischen EULAR-COVID-19-Registers. Ähnlich wie bei vielen anderen unerwünschten Ereignissen ist auch bei der COVID-19-Erkrankung eine unzureichend kontrollierte Krankheitsaktivität der Arthritis ein wichtiger Risikofaktor für einen letalen Ausgang, während Glukokortikoide und eine wirksame DMARD-Therapie bei Erreichen von niedriger Krankheitsaktivität oder Remission eben dieses Risiko minimieren können [31, 32]. Eine Ausnahme ist vermutlich die B‑Zell-depletierende Therapie mit Rituximab, die die Produktion der Antikörper gegen die Virusinfektion beeinträchtigen kann [32, 33]. Der zugrunde liegende Mechanismus für die Assoziation einer Therapie mit Januskinaseinhibitoren und einem schwereren Verlauf ist unklar [33].

Malignomrisiko

Eine Stärke der Krankheitsregister am DRFZ wie RABBIT, BiKeR oder JuMBO ist die langjährige Beobachtungsdauer von bis zu 10 Jahren. Dadurch lassen sich auch langfristige Risiken wie eine Erhöhung des Krebsrisikos oder eine Verschiebung des Spektrums von Malignomen unter Therapieeinfluss untersuchen. In intensiver Kooperation mit 11 anderen europäischen Biologikaregistern konnte im Hinblick auf neu auftretende Lymphome oder solide Tumoren grundsätzlich Entwarnung hinsichtlich eines erhöhten Risikos infolge einer TNF-Blocker-Therapie gegeben werden. Dies gilt sowohl für das Melanomrisiko als auch hinsichtlich der Häufigkeit und des Spektrums von Lymphomen [34, 35]. Ein generell erhöhtes Risiko für nichtmelanozytären Hautkrebs bei RA-Kranken wurde jedoch in verschiedenen Registern gesehen. Im Hinblick auf wiederkehrende Malignome wurde im RABBIT-Register keine Risikoerhöhung mit einer Biologikatherapie im Vergleich zur csDMARD-Therapie beobachtet [36]. Die Sorge vor einem erhöhten Malignomrisiko bestand insbesondere auch bei einer frühen Biologikaexposition im Kindes- und Jugendalter. Das BiKeR- und das JuMBO-Register haben für JIA-Patient:innen ein im Vergleich zur Bevölkerung erhöhtes Malignomrisiko nachgewiesen, jedoch für mit Biologika Behandelte keine signifikant höhere Rate gegenüber mit herkömmlichen DMARDs Behandelten festgestellt [37]. Diese Ergebnisse haben andere Register bestätigt.

Seltene Ereignisse

Durch den Einschluss sehr vieler Patient:innen und die lange Beobachtungsdauer können in den Registern auch seltene Ereignisse im Therapievergleich beobachtet werden. Hierzu zählen beispielsweise Perforationen des unteren Darmtrakts, die sehr selten, aber mit gravierenden Auswirkungen verbunden sind [38]. Im Vergleich der Therapien untereinander zeigte sich ein erhöhtes Risiko für die Interleukin(IL)-6-Blockade.

Hohe Effektivität neuer Therapien

RABBIT-Daten zeigten eine gute Wirksamkeit aller bDMARD-Therapien, die jedoch durch die Anzahl vorheriger Therapieversagen beeinflusst wird. Anders verhielt es sich mit dem IL-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab, dessen Anwendung sowohl bei bionaiven als auch bei Patient:innen, die auf ein oder mehrere bDMARDs unzureichend angesprochen hatten, gleich wirksam war. Die Mehrheit der Betroffenen erreichte, ungeachtet der Anzahl der Therapieversagen, nach 6 Monaten unter Tocilizumab eine niedrige Krankheitsaktivität und behielt diese über 3 Jahre bei [39]. Die Registerdaten der Kinder und Jugendlichen zeigten, dass sich die Zeitdauer bis zum Beginn einer csDMARD- oder bDMARD-Therapie bei Kindern mit JIA signifikant auf das Therapieergebnis auswirkt. Je früher mit einer effektiven Therapie begonnen wird, desto besser sind das Therapieansprechen und der Verlauf im Erwachsenenalter [40,41,42].

Wie beurteilen Betroffene ihre Krankheitslast und Lebensqualität?

Patientenberichtete Outcomes wie Schmerz, Fatigue, Lebensqualität u. a. m. sind ein wesentlicher Baustein, um ein vollständiges Bild der Krankheitslast, aber auch der Therapieerfolge zu gewinnen. Die Ergänzung der klinischen Befunderhebung um Befragungen der Betroffenen ist unverzichtbar. So lassen sich sonst unbemerkt bleibende Auswirkungen der rheumatischen Erkrankung erkennen und präventiv angehen. Eine patientenorientierte Forschung unter Einbeziehung standardisierter Instrumente hat sich seit vielen Jahren in der Versorgungsforschung am DRFZ etabliert. In allen Studien sind Patientenfragebögen Bestandteil der Dokumentation, sie beinhalten u. a. Fragen zur Schmerzintensität, zu körperlichen Einschränkungen, zur Alltagsbewältigung, zur beruflichen Teilhabe und zur Lebensqualität. Bei der Entwicklung von Fragebögen unterstützen uns Forschungspartner:innen der Deutschen Rheuma-Liga.

Fatigue, Depression

In einer Kohorte von Patientinnen mit primärem Sjögren-Syndrom zeigten sich Fatigue und depressive Symptome als wichtigste Risikofaktoren für Arbeitsunfähigkeit [43]. Auch in der Früharthritiskohorte CAPEA waren depressive Symptome, nicht aber Marker der Krankheitsaktivität, der wichtigste Prädiktor, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu erwägen [44]. Eine Befragung im Rahmen der PROCLAIR-Studie zeigte bei von axialer Spondyloarthritis Betroffenen moderate bis schwere Symptome einer Depression v. a. in der Altersgruppe der 40- bis 59-Jährigen. Dies betrifft ein Lebensalter, in dem Einschränkungen der sozialen Teilhabe besonders folgenschwer sein können [45].

Lebensqualität

Trotz der deutlich eingeschränkten Lebensqualität von RA-Patient:innen im Vergleich zur Normalbevölkerung zeigten Daten aus RABBIT, dass eine bDMARD-Therapie selbst bei Betroffenen mit mehreren Therapieversagen eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität erzielen kann [46]. Bei Kindern und Jugendlichen mit einer JIA, die in der ICON-Kohorte beobachten werden, hatten 3 Jahre nach Beginn der Erkrankung drei Viertel der Kinder und Jugendlichen wieder annähernd eine Lebensqualität vergleichbar zu gesunden Kindern erreicht [47].

Welche Risikofaktoren und Biomarker können wir für Therapieentscheidungen nutzen?

Die Identifizierung von individuellen Risikokonstellationen und prognostischen „Biomarkern“ für die Entstehung, den Verlauf und insbesondere für das Therapieansprechen stehen im Fokus der heute angestrebten Präzisionsmedizin. Für die Versorgungsqualität im rheumatologischen Alltag sind v. a. die Marker von Bedeutung, die allen Betroffenen zur Verfügung stehen und für Therapieentscheidungen genutzt werden können. Nicht Rheumafaktoren und Antikörper gegen citrullinierte Proteine, sondern hohe Krankheitsaktivität, Funktionseinschränkungen und Komorbidität, insbesondere Übergewicht, wurden in einer Auswertung von Daten aus CAPEA und RABBIT als wesentliche Faktoren für das Nichterreichen von Remission identifiziert [48]. Übergewicht beeinflusst v. a. bei Frauen die Wirksamkeit zytokingerichteter Therapien, während die zellbasierten Substanzen Abatacept und Rituximab hiervon nicht betroffen sind [49]. Dass sich Übergewicht auch geschlechtsspezifisch auf die Krankheitsaktivitätsmarker auswirkt, wurde im Rahmen des METARTHROS-Projekts in CAPEA, RABBIT und der Kerndokumentation gezeigt [50].

Datenquellen und Kooperationen

Betrachtet man die Forschungsergebnisse des Programmbereichs über die letzten 33 Jahre, gelingt eine bedarfsgerechte und krankheitsspezifische Versorgungsforschung nur unter Einbeziehung vieler Datenquellen, Forschungspartnerschaften und Netzwerke. Versorgungsforschung benötigt klinische Studien, langfristige Beobachtungskohorten und Routinedaten. Die unterschiedlichen Datenquellen ergänzen einander. Klinische Epidemiologie und Versorgungsforschung leben von den aktiven Beiträgen der klinisch tätigen Rheumatolog:innen und der Betroffenen, vom Erkenntnisgewinn aus der experimentellen Forschung und von nationalen sowie internationalen kollaborativen Forschungsideen und Verbundprojekten (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Exemplarische Forschungsnetzwerke im Programmbereich Epidemiologie und Versorgungsforschung

Fazit

Der Programmbereich Epidemiologie und Versorgungsforschung hat mit der Gründung des Deutsches Rheuma-Forschungszentrums die einmalige Chance erhalten, Erkenntnisse aus klinischer und experimenteller Forschung in großen Patient:innenkohorten zu überprüfen, mit innovativen Methoden Zusammenhänge aufzudecken und durch die konsequente Orientierung am Bedarf der Betroffenen zu einer zielgerichteten Therapie, aber auch zu einer besseren Versorgungsplanung beizutragen. Für die Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung gehört der stete Wissenstransfer in die Fachgesellschaften, Berufsverbände und politischen Entscheidungsgremien, wie den Gemeinsamen Bundesausschuss, zu den essenziellen Aufgaben des Programmbereichs. Die Partnerschaft mit den klinisch tätigen Rheumatolog:innen und deren inhaltliche Beiträge, aber auch die Impulse seitens der Betroffenen haben die Forschung vorangebracht und auf das gemeinsame Ziel ausgerichtet: die Therapie und Versorgung Rheumakranker in Deutschland kontinuierlich zu verbessern und den Betroffenen eine bestmögliche Lebensqualität und soziale Teilhabe zu ermöglichen. Dieses Ziel wird auch in Zukunft unsere Forschung leiten.