Zusammenfassung
Die Einschätzung des Infektionsrisikos von Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen basiert auf der sorgfältigen Erfassung der hierfür relevanten Faktoren wie der Grunderkrankung selbst, der Intensität der immunsuppressiven Therapie und der Schwere etwaiger Komorbiditäten. Aus infektiologischer Sicht sind hier besonders das wiederholte Auftreten schwerer Infektionen sowie Vorerkrankungen wie eine latente Tuberkulose oder eine chronische Hepatitis B oder C zu erwähnen. Dies kann eine prophylaktische antibiotische Therapie erforderlich machen, die ansonsten vermieden werden sollte, um nicht auf resistente Erreger zu selektionieren. Weiterhin sind Impfungen besonders geeignet das Risiko für häufige Infektionskrankheiten spezifisch zu minimieren.
Abstract
The individual risk assessment concerning infections in patients with rheumatic diseases is based on the detailed personalized documentation of relevant risk factors, such as the underlying disease itself, the intensity of immunosuppressive therapy and the severity of any comorbidities. From the perspective of infectiology, the history of repeated and severe infections as well as previous illnesses, such as (latent) tuberculosis and chronic hepatitis B or C need to be considered. In some instances prophylactic antibiotic therapy might be required, which should otherwise be avoided in order to prevent selection of resistant pathogens. Furthermore, vaccinations are particularly suitable to specifically minimize the risk for frequent infectious diseases.
Risikostratifizierung
Jede chronisch entzündliche Erkrankung bedarf der Immunsuppression, die je nach Verlauf der Erkrankung mehr oder weniger aggressiv gestaltet werden muss. Dadurch erhöht sich unweigerlich das Risiko für Infektionen, da das Immunsystem zumindest theoretisch Keime nicht mehr optimal kontrollieren und abwehren kann. Infektionen stellen tatsächlich – zusammen mit kardiovaskulären Komorbiditäten – die Haupttodesursache von Patienten mit chronisch verlaufenden entzündlich rheumatischen Erkrankungen dar. Neben der medikamentösen Immunsuppression kommen natürliche Risikofaktoren für Infektionen hinzu wie das Alter des Patienten sowie Begleiterkrankungen wie chronische Nieren- und Lungenerkrankungen, angeborene oder erworbene Immundefekte wie Hypogammaglobulinämien oder eine funktionelle Asplenie. So zeigen Registerdateien, dass das Risiko für bakterielle Infektionen, hier v. a. Pneumonien und Harnwegsinfektionen, virale Infektionen wie Herpes zoster sowie opportunistische Infektionen mit intrazellulären Erregern wie der Tuberkulose ab dem 60. Lebensjahr signifikant ansteigt [1]. Dabei verlaufen die Infektionen häufig aggressiver und beginnen oligosymptomatisch, was ebenfalls als Zeichen einer Immunoseneszenz gedeutet werden kann. Ursachen hierfür können neben funktionellen, bisher nicht gut charakterisierten Defiziten auch eine Malnutrition, anatomische Veränderungen wie eine verminderte Sekretproduktion oder ein weniger kraftvolles Abhusten, Komorbiditäten mit chronischer Herz- und Lungenerkrankung, Nierenerkrankungen, längere Hospitalisierungsphasen sowie eine wenig aggressive Diagnostik (Zumutbarkeit von Untersuchungen, Compliance etc.) sein [2]. So wurde in Impfstudien belegt, dass die Impfantwort (gemessen anhand der Antikörperbildung) mit zunehmendem Alter abnimmt [3, 4].
Die Aggressivität der Krankheit selbst, sicherlich koinzident damit auch die Therapie mit ihrer immunsuppressiven Kapazität, bedingt, dass Infektionen mit bestimmten Krankheiten wie Vaskulitiden oder Kollagenosen eher assoziiert sind als mit Arthritiden und Spondylarthritiden. Somit ist zu konstatieren, dass das Infektionsrisiko von Patient zu Patient variiert und vor einer Immunsuppression individuell beurteilt werden muss. Wichtige Einflussfaktoren dabei sind:
-
die Grunderkrankung: Das Risiko ist bei Kollagenosen und Vaskulitiden höher als bei der rheumatoiden Arthritis, dem Morbus Bechterew oder der Psoriasisarthritis;
-
die Aktivität der Grunderkrankung: Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis tragen ein höheres Infektionsrisiko als Patienten mit inaktiver Erkrankung. Auch die Seropositivität, der Nachweis von Rheumaknoten und anderer extraartikulärer Manifestation erhöht das Infektionsrisiko, möglicherweise korrelierend zur Intensität der nötigen Immunsuppression [5];
-
Komorbiditäten wie COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung), Bronchiektasen, Diabetes mellitus, Hypogammaglobulinämie, Nierenerkrankungen, Asplenie (www.biologika-register.de, hier „Risikoscore“);
-
relevante Infektionen in den letzten 12 Monaten;
-
ein Alter über 60 Jahre;
-
funktionelle Einschränkungen (z. B. Funktionsfragebogen Hannover [FFbH]);
-
die Intensität der Immunsuppression: Steroiddosis, Anzahl abgesetzter Basistherapeutika <5/>5;
-
der Impfstatus, Prophylaxe und das Einhalten der Screeningmaßnahmen.
Einfluss der Immunsuppression
Die Intensität der Immunsuppression bestimmt hier in besonderer Weise das Risiko für die Entstehung schwerer Infektionen: So ist eine Therapie mit Cyclophosphamid – primär oder sekundär durch die verursachte Lymphopenie und Granulozytopenie – mit einerseits einer erhöhten Inzidenz von Pneumocystis-jirovecii-Pneumonien (PjP), andererseits mit Infektionen durch gramnegative Bakterien assoziiert. Eine entsprechende PjP-Prophylaxe ist unbedingt notwendig (Trimethoprim/Sulfamethoxazol 960 mg 3‑mal/Woche), dies wird identisch für die Therapie der ANCA(antinukleäre zytoplasmatische Antikörper)-assoziierten Vaskulitiden mit Rituximab und inzwischen auch für rheumatische Erkrankungen mit einem geringeren Infektionsrisiko, aber hoch dosierter Steroidtherapie empfohlen [6, 7]. Das Risiko von „banaleren“ Infektionen ist jedoch auch bei chronischen Gelenkerkrankungen um mindestens 50 % erhöht [5], hier hauptsächlich getrieben durch die Kortikosteroiddosis und Biologikatherapie, während eine Therapie mit Basistherapeutika wie Methotrexat oder anderen traditionellen DMARDs („disease modifying antirheumatic drugs“) sich hierauf kaum auswirkt [8]. Einzelne Arbeiten legen nahe, dass bei Patienten mit rekurrenten Infekten möglicherweise eine Anti-TNF(Tumor-Nekrose-Faktor)-Rezeptor-Therapie mit Etanercept im Vergleich zu Anti-TNF-Antikörpern ein geringeres Infektionsrisiko trägt, wobei die Signifikanz in großen Studien oft nur grenzwertig war [9]. Eine auf der Basis des deutschen RABBIT-Registers durchgeführte Analyse zeigt, dass v. a. eine hohe Kortikosteroiddosis und das Vorliegen von Komorbiditäten das Risiko, eine schwere Infektion zu erleiden, erhöhen (www.biologika-register.de, hier „Risikoscore“). Gelingt es somit, durch eine Biologikatherapie die Aktivität der Erkrankung gut zu kontrollieren und somit die Steroiddosis gerade bei älteren Patienten zu reduzieren, kann dies möglicherweise das Infektionsrisiko sogar mindern. Dabei gilt es zu beachten, dass auch eine geringe Dosis der Kortikosteroide gerade bei älteren Patienten das Infektionsrisiko immer noch signifikant ansteigen lässt: So ist bei diesen Patienten das Infektionsrisiko einer 3‑jährigen, niedrig dosierten Prednisolon-Therapie in etwa identisch zu dem Risiko unter 30 mg Kortikosteroiden/Tag über 1 Monat, es normalisiert sich erst ein halbes Jahr nach Beendigung der Therapie [10]. Somit sollten Kortikosteroide gerade bei älteren Patienten – sofern überhaupt erforderlich – in der niedrigsten effektiven Dosis eingesetzt werden. Dies trifft wahrscheinlich auch für eine zusätzliche Biologikatherapie zu: Eine britische Biologikaregisterstudie bestätigt die Zunahme des Infektionsrisikos mit zunehmendem Alter [11]. Eine über Steroide hinausgehende zusätzliche TNF-Blocker-Therapie führte bei diesen Patienten jedoch nicht zu einem überproportionalen Anstieg des Infektionsrisikos [12]. Dies belegt nochmals, dass es nicht sinnvoll ist, eine Basistherapie zugunsten einer Steroidtherapie zu vermeiden oder suboptimal zu dosieren.
Das Risiko für Herpes-zoster-Infektionen ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis laut einer US-amerikanischen Studie aus Krankenkassendaten verdoppelt. Eine Therapie mit synthetischen Basistherapeutika scheint diese Infektionsrate nicht zu beeinflussen, die Therapie mit Tofacitinib (und vermutlich auch anderen JAK-Inhibitoren) erhöht die Herpes-zoster-Infektionsrate, während das Risiko unter Therapie mit TNF-Blockern wenn überhaut nur gering ansteigt [13,14,15,16].
Screening und Management
Entscheidend ist die Einschätzung der individuellen Risiken, bevor man die Immunsuppression beginnt. Dies fängt bei der entsprechenden Aufklärung des Patienten an, geht über die internistische Analyse der Komorbiditäten des Patienten, die Einschätzung der Aggressivität der Grunderkrankung, die Begleittherapie, die Vorgeschichte, ggf. die Messung der Immunglobulinspiegel sowie anamnestische Daten, wie sie im oben genannten Risikoscore festgehalten sind. Klinisch werden die Erfassung der körperlichen Funktion (z. B: FFbH) sowie von pulmonalen (z. B. COPD) und renalen (z. B. chronische Niereninsuffizienz) Komorbiditäten die wichtigsten Informationen liefern. Dies ist Aufgabe des internistischen Rheumatologen und belegt erneut, dass eine breite internistische Ausbildung zur optimalen Betreuung der Patienten bei jeder Form chronisch entzündlich rheumatischer Erkrankungen notwendig ist, um den Patienten optimal beurteilen, einstellen und betreuen zu können und ihn dadurch nicht einem erhöhten Risiko auszusetzen. Auch die Wahl des bestmöglichen Immunsuppressivums aus der glücklicherweise steigenden Anzahl an Möglichkeiten bedarf einiger Erfahrung, um die Differenzialindikation einzelner Medikamente zu kennen und beim individuellen Patienten differenziert anzuwenden. Ziel sollte sein, das am besten geeignete Immunsuppressivum (Wirkung, Nebenwirkungsprofil, u. a. Infektionsrisiko) nach Analyse der oben genannten verschiedensten Faktoren auszuwählen.
Vor Beginn einer Immunsuppression muss der Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Status erhoben werden: Dazu sollten zumindest HbsAg, Anti-HBs und Anti-HBc bestimmt werden sowie Antikörper gegen Hepatitis C. Je nach Ergebnis muss geprüft werden, ob eine Immunsuppression, ggf. unter virostatischer Schutztherapie, durchgeführt werden kann: Es sind Fälle beschrieben, bei denen z. B. unter einer Therapie mit Rituximab bei vermeintlich ausgeheilter Hepatitis B tödlich verlaufende Hepatitiden auftraten. Hepatitis-B-Prophylaktika sind hier am ehesten neuere Substanzen wie Entecavir oder Tenofovir, da sie eine geringere Resistenzentwicklung aufweisen. Veröffentlichte Algorithmen können helfen, das individuelle Risiko abzuschätzen und therapeutische Entscheidungen zu treffen ggf. unter Diskussion mit Infektiologen oder Hepatologen [17].
Vor Beginn einer Immunsuppression sollte der Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Status erhoben werden
Vor Beginn einer Biologikatherapie ist in der Regel ein Tuberkulose(Tbc)-Screening (Interferon-γ-Release-Essay, Thoraxröntgenaufnahme mit Frage nach Altspezifika) erforderlich. Bei Hinweisen auf eine abgelaufene, latente oder aktive Tuberkulose sollte vor Beginn einer Biologikatherapie (Ausnahme: Rituximab) eine tuberkulostatische Therapie begonnen werden. Hierzu stehen Isoniazid 5 mg/kg, maximal 300 mg/Tag für 9 Monate (nach den ersten 4 Wochen kann die Biologikatherapie dann begonnen werden) und alternativ Rifampicin 10 mg/kg, maximal 600 mg/Tag für 4 Monate zur Verfügung. Hierbei ist zu beachten, dass regelmäßige Kontrollen der Leberwerte durchgeführt werden und Rifampicin ein hohes Interaktionspotenzial mit anderen Substanzen aufweist. Eine neue Studie belegt, dass eine 4‑monatige prophylaktische Therapie mit Rifampicin einer 9‑monatigen Therapie mit Isoniazid bezüglich des Tbc-Risikos nicht unterlegen war und Vorteile hat bezüglich der Behandlungscompliance und -sicherheit [18]. Einschränkend muss gesagt werden, dass bei der genannten Studie keine Patienten mit neuer Immunsuppression eingeschlossen wurden. Das Risiko einer Tbc-Reaktivierung ist unter gegen TNF-α-gerichteter Biologikatherapie mit Antikörpern höher als unter Verwendung des TNF-Rezeptors Etanercept [19]. Die Frage, ob ein Tuberkulosescreening auch vor einer nicht TNF-gerichteten Biologikatherapie notwendig ist, ist umstritten. Bei allen Studien mit modernen Immunsuppressiva wurde immer vor Einschluss eine Tbc ausgeschlossen, somit ist das Tbc-Screening auch in der Fachinformation festgelegt. Cantini et al. fassen zusammen, dass eine nicht TNF-gerichtete Biologikatherapie wahrscheinlich kein erhöhtes Risiko für eine Reaktivierung der Tuberkulose trägt, wobei sich diese Aussage auf die bis 2016 zugelassenen Substanzen bezieht und neuere Immunsuppressiva nicht mit einschließt [20]. Unter Therapie mit JAK(Januskinase)-Inhibitoren beispielsweise sind in den Studien einzelne Tbc-Fälle berichtet worden, sodass hier bis zum Vorliegen von Registerdaten besondere Vorsicht geboten erscheint.
Eine besondere Herausforderung mag das Screening von Flüchtlingen mit Arthritiden sein, bevor Biologika begonnen werden. Dazu wurden kürzlich Empfehlungen einer multidisziplinären Task-Force aus 4 europäischen Fachgesellschaften veröffentlicht [21].
Bei der Therapie von schweren Infektionen wird zunächst immer versucht werden, den Erreger zu isolieren und zu identifizieren. Bei der Wahl des Antibiotikums sollte gerade bei älteren Patienten an Wechselwirkungen mit der Begleitmedikation gedacht werden. In der Regel empfiehlt es sich, die immunsuppressive Therapie für einige Tage zu pausieren. Dies gilt in besonderer Weise für renal eliminierte Substanzen wie Methotrexat (MTX), da eine in dieser Situation häufige Verschlechterung der Nierenfunktion sehr rasch zur MTX-Toxizität führen kann. Ein besonderes Augenmerk gilt den Patienten unter einer IL(Interleukin)-6-Rezeptor-blockierenden Therapie mit Tocilizumab oder Sarilumab, da hier das CRP (C-reaktives Protein) erst sehr spät und dann auch nur moderat ansteigen wird, was zu einer verzögerten Diagnose und/oder einer Fehlinterpretation der Infektionsstärke führen kann.
Weitere Prophylaxe
Die Erhebung der oben bereits genannten anamnestischen und klinischen Daten sollte vor Beginn einer Immunsuppression ebenso Standard sein wie die Erhebung des Impfstatus und die Aufklärung des Patienten zu Impfungen. Impfungen nach Maßgabe der Ständigen Impfkommission (STIKO) sind dem Patienten nahezulegen. Hierbei ist zu beachten, dass Lebendimpfungen (Mumps, Masern, Röteln, Influenza Nasenspray, Gelbfieber, Tuberkulose) unter Immunsuppression kontraindiziert sind. Die Impfung gegen Herpes zoster war früher ebenfalls eine Lebendimpfung, aktuell ist eine rekombinante Subunit-Vakzine zugelassen, eine Empfehlung des gemeinsamen Bundesausschusses wird aktuell formuliert. Die STIKO empfiehlt jährliche Influenzaimpfungen, darüber hinaus regelmäßige Auffrischimpfungen gegen Tetanus und Diphterie (alle 10 Jahre), Pneumokokken für immunsupprimierte Patienten ab dem 50. Lebensjahr (PCV13, nach ca. 6 Monaten PPSV23, dann PPSV23 alle 6 Jahre), ggf. gegen Meningokokken (bei immunsupprimierten Patienten, insbesondere bei Komplementdefekten, systemischem Lupus erythematodes [SLE], tatsächlicher oder funktioneller Asplenie, Hypogammaglobulinämie, vor Eculizumab-Therapie) [22].
Dabei kann durch die Wirkung der Immunsuppressiva die Impfantwort vermindert sein. Festzuhalten ist jedoch, dass die Messung eines Impferfolges sehr schwierig ist, allein der mangelnde Anstieg eines Antikörpertiters belegt nicht, dass sich der Impferfolg nicht eingestellt hat, da die Induktion einer zellulären Immunantwort nicht gut messbar ist. Dennoch unterdrücken gerade die zellgerichteten Biologika wie Rituximab oder Abatacept die Impfantwort (unter Rituximab daher Impfung am besten 2 bis 4 Wochen vor erneuter Rituximab-Infusion) [23, 24]. Eine Arbeit zeigt auch, dass eine kurze Methotrexat-Pause für 2 Wochen nach einer Influenzaimpfung einen besseren Anstieg der impfinduzierten Antikörperspiegel ermöglichen kann [25]. Ob dieses Vorgehen auch für andere Impfungen einen Vorteil darstellt, ist gegenwärtig noch unklar. Eine Impfung gegen Hepatitis B unter Immunsuppression wird von der STIKO ebenfalls empfohlen [26].
Die Impfung sollte in einer Phase möglichst gut kontrollierter Grunderkrankung erfolgen
Lebendimpfungen sind bei immunsupprimierten Patienten kontraindiziert. Übersichtliche und einschlägige Informationsbroschüren, die die Situation bezüglich Immunsuppressiva für den individuellen Patienten aufzeichnen, sind verfügbar. Für die Dokumentation von Impfungen sollte der Impfpass konsequent geführt werden. Die Erkenntnis, dass über Impfungen Infektionsprophylaxe betrieben werden kann, ist eine der Errungenschaften der frühen medizinischen Wissenschaft und war Nobelpreise wert. Aufgabe des internistischen Rheumatologen sollte es sein, die Patienten davon zu überzeugen, dass Impfungen effizient sind und dass bei Autoimmunerkrankungen keine zusätzlichen Kontraindikationen gegen die Anwendung von Totimpfstoffen bestehen. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, dass neue Impfstoffe vor der Zulassung ausreichend gut untersucht wurden und Nebenwirkungen von Impfstoffen sorgfältig erfasst und gemeldet werden, um ein Höchstmaß an Therapiesicherheit zu erreichen. Zahlen auch aus Deutschland belegen, dass noch viel zu wenige Patienten über die aktuellen Impfempfehlungen informiert sind und dass gerade bei älteren Patienten die empfohlenen Impfungen nicht durchgeführt werden [27]. Die Impfung sollte in einer Phase möglichst gut kontrollierter Grunderkrankung erfolgen, somit in Phasen mit niedrigen Steroiddosierungen und möglichst zurückhaltender Immunsuppression.
Eine weitere therapeutische Infektionsprophylaxe wird dann indiziert sein, wenn bei niedrigen Immunglobulinspiegeln eine schwere Infektion auftritt. In diesem Fall ist neben einer adäquaten antibiotischen Therapie auch die Anhebung des Ig(Immunglobulin)G-Spiegels anzustreben und im Verlauf zumindest vorübergehend eine regelmäßige prophylaktische Ig-Substitution durchzuführen. Auch das Einstellen des Nikotinabusus ist nicht nur für die Besserung der Grunderkrankung (damit Minderung der nötigen Immunsuppression), sondern auch infektionsprophylaktisch sinnvoll, eine Steigerung der körperlichen Aktivität könnte möglicherweise die Inzidenz von Infektionen reduzieren.
Eine Prophylaxe gegen eine Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol ist bei der Therapie von Kleingefäßvaskulitiden mit Cyclophosphamid etabliert und wird oft auf die Behandlung anderer rheumatologischer Erkrankungen mit Cyclophosphamid übertragen. Es gibt Hinweise, dass v. a. bei Vorliegen einer Lymphopenie unter Anwendung von Immunsuppressiva oder einer höher dosierten Steroidtherapie eine Prophylaxe ebenfalls sinnvoll sein kann.
Fazit für die Praxis
-
Vor Einleitung einer immunsuppressiven Therapie sollte eine Kalkulation des individuellen Infektionsrisikos vorgenommen werden.
-
Bei chronischen Infektionen wie einer Hepatitis B oder latenten Tuberkulose kann eine antibiotische Prophylaxe erforderlich sein. Zur Tbc-Prophylaxe eignet sich Rifampicin für 4 Monate in gleicher Weise wie Isoniazid für 9 Monate.
-
Bei chronischer Hepatitis B sollten neuere Virostatika eingesetzt werden, Lamivudin ist wegen höherer Resistenzwahrscheinlichkeit nicht optimal.
-
Eine Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol ist zu erwägen.
-
Der Impfstatus sollte erfasst werden. Nach individueller Beratung und Abwägen von Nutzen und Risiken ist ein Impfplan zu erstellen. Besonders ist auf Influenza, DPT (Diphtherie, Pertussis, Tetanus), Pneumokokken, Meningokokken und Herpes zoster zu achten
Literatur
Gavazzi G, Krause KH (2002) Ageing and infection. Lancet Infect Dis 2(11):659–666 (Nov)
Widdifield J, Bernatsky S, Paterson JM, Gunraj N, Thorne JC, Pope J, Cividino A, Bombardier C (2013) Arthritis Care Res 65(3):353–361
Reber AJ, Kim JH, Biber R, Talbot HK, Coleman LA, Chirkova T, Gross FL, Steward-Clark E, Cao W, Jefferson S, Veguilla V, Gillis E, Meece J, Bai Y, Tatum H, Hancock K, Stevens J, Spencer S, Chen J, Gargiullo P, Braun E, Griffin MR, Sundaram M, Belongia EA, Shay DK, Katz JM, Sambhara S (2015) Preexisting Immunity, More Than Aging, Influences Influenza Vaccine Responses. Open Forum Infect Dis 15;2(2):ofv52 (Apr)
Reber AJ, Chirkova T, Kim JH, Cao W, Biber R, Shay DK, Sambhara S (2012) Immunosenescence and Challenges of Vaccination against Influenza in the Aging Population. Aging Dis 3(1):68–90 (Epub 2011 Sep 30.)
Doran MF, Crowson CS, Pond GR, O’Fallon WM, Gabriel SE (2002) Predictors of infection in rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 46(9):2294–2300 (Sep)
Hellmich B (2017) Current guidelines on ANCA-associated vasculitides: Common features and differences. Z Rheumatol 76(2):133–142
Winthrop KL, Baddley JW (2018) Pneumocystis and glucocorticoid use: to prophylax or not to prophylax (and when?); that is the question. Ann Rheum Dis 77(5):631–633
Baradat C et al (2017) RMD Open 3:E352
Liao H et al (2017) Comparison of the risk of infections in different anti-TNF agents: a meta-analysis. Int J Rheum Dis 20:161–168
Dixon WG et al (2011) Annals Rheum Dis 70:956–996
Galloway JB, Hyrich KL, Mercer LK, Dixon WG, Watson KD, Lunt M (2011) BSRBR Control Centre Consortium, Symmons DP; British Society for Rheumatology Biologics Register. The risk of serious infections in patients receiving anakinra for rheumatoid arthritis: results from the British Society for Rheumatology Biologics Register. Rheumatology 50(7):1341–1342
Rutherford AI, Patarata E, Subesinghe S, Hyrich KL, Galloway JB (2018) Opportunistic infections in rheumatoid arthritis patients exposed to biologic therapy: results from the British Society for Rheumatology Biologics Register for Rheumatoid Arthritis. Baillieres Clin Rheumatol 57(6):997–1001
Smitten AL, Choi HK, Hochberg MC, Suissa S, Simon TA, Testa MA, Chan KA (2007) The risk of herpes zoster in patients with rheumatoid arthritis in the United States and the United Kingdom. Arthritis Rheum 57(8):1431–1438 (Dec 15)
Strangfeld A, Listing J, Herzer P, Liebhaber A, Rockwitz K, Richter C, Zink A (2009) Risk of herpes zoster in patients with rheumatoid arthritis treated with anti-TNF-alpha agents. JAMA 301(7):737–744 (Feb 18)
Kivitz AJ, Cohen S, Keystone E, van Vollenhoven RF, Haraoui B, Kaine J, Fan H, Connell CA, Bananis E, Takiya L, Fleischmann R (2018) A pooled analysis of the safety of tofacitinib as monotherapy or in combination with background conventional synthetic disease-modifying antirheumatic drugs in a Phase 3 rheumatoid arthritis population. Semin Arthritis Rheum. https://doi.org/10.1016/j.semarthrit.2018.07.006 (Jul 19. pii: S0049-0172(17)30815-6, Epub ahead of print)
Kunwar S, Collins CE, Constantinescu F (2018) Baricitinib, a Janus kinase inhibitor, in the treatment of rheumatoid arthritis: a systematic literature review and meta-analysis of randomized controlled trials. Clin Rheumatol. https://doi.org/10.1007/s10067-018-4199-7 (Jul 13)
Droz N, Gilardin L, Cacoub P, Berenbaum F, Wendling D, Godeau B, Piette AM, Dernis E, Ebbo M, Fautrel B, Le Guenno G, Mekinian A, Bernard-Chabert B, Costedoat-Chalumeau N, Descloux E, Michot JM, Radenne S, Rigolet A, Rivière S, Yvin JL, Thibault V, Thabut D, Pol S, Guillevin L, Mouthon L, Terrier B (2013) Kinetic profiles and management of hepatitis B virus reactivation in patients with immune-mediated inflammatory diseases. Arthritis Care Res (hoboken) 65(9):1504–1514 (Sep)
Menzies D, Adjobimey M, Ruslami R, Trajman A, Sow O, Kim H, Obeng Baah J, Marks GB, Long R, Hoeppner V, Elwood K, Al-Jahdali H, Gninafon M, Apriani L, Koesoemadinata RC, Kritski A, Rolla V, Bah B, Camara A, Boakye I, Cook VJ, Goldberg H, Valiquette C, Hornby K, Dion MJ, Li PZ, Hill PC, Schwartzman K, Benedetti A (2018) Four Months of Rifampin or Nine Months of Isoniazid for Latent Tuberculosis in Adults. N Engl J Med 379(5):440–453
Liao H, Zhong Z, Liu Z, Zou X (2017) Comparison of the risk of infections in different anti-TNF agents: a meta-analysis. Int J Rheum Dis 20(2):161–168
Cantini F, Nannini C, Niccoli L, Petrone L, Ippolito G, Goletti D (2017) Risk of Tuberculosis Reactivation in Patients with Rheumatoid Arthritis, Ankylosing Spondylitis, and Psoriatic Arthritis Receiving Non-Anti-TNF-Targeted Biologics. Ther Clin Risk Manag 14:2097–2111
Bartalesi F, Scirè C, Requena-Méndez A et al (2017) Recommendations for infectious disease screening in migrants to Western Europe with inflammatory arthropathies before starting biologic agents. Results from a multidisciplinary task force of four European societies (SIR, SER, SIMET, SEMTSI) facing the largest impact of the flow of migrants today. Clin Exp Rheumatol 35(5):752–765 (Sep–Oct; Epub 2017 May 8)
Epidemiologisches Bulletin 34/2018
Nguyen MTT, Lindegaard H, Hendricks O, Jørgensen CS, Kantsø B, Friis-Møller N (2017) Initial Serological Response after Prime-boost Pneumococcal Vaccination in Rheumatoid Arthritis Patients: Results of a Randomized Controlled Trial. J Rheumatol 44(12):1794–1803
Migita K, Akeda Y, Akazawa M, Tohma S, Hirano F, Ideguchi H, Kozuru H, Jiuchi Y, Matsumura R, Suematsu E, Miyamura T, Mori S, Fukui T, Izumi Y, Iwanaga N, Tsutani H, Saisyo K, Yamanaka T, Ohshima S, Mori N, Matsumori A, Takahi K, Yoshizawa S, Kawabe Y, Suenaga Y, Ozawa T, Hamada N, Komiya Y, Matsui T, Furukawa H, Oishi K (2015) Effect of abatacept on the immunogenicity of 23-valent pneumococcal polysaccharide vaccination (PPSV23) in rheumatoid arthritis patients. Arthritis Res Ther 10;17:357 (Dec)
Park JK, Lee YJ, Shin K et al (2018) Impact of temporary methotrexate discontinuation for 2 weeks on immunogenicity of seasonal influenza vaccination in patients with rheumatoid arthritis: a randomised clinical trial. Ann Rheum Dis 77(6):898–904
Epidemiologisches Bulletin 36/37 vom 9. Sept. 2013
Feuchtenberger M, Kleinert S, Schwab S, Roll P, Scharbatke EC, Ostermeier E, Voll RE, Schäfer A, Tony HP (2012) Vaccination survey in patients with rheumatoid arthritis: a cross-sectional study. Rheumatol Int 32(6):1533–1539 (Jun)
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Ethics declarations
Interessenkonflikt
H.-M. Lorenz und C. Kneitz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
Additional information
Redaktion
H.-M. Lorenz, Heidelberg
K. Krüger, München
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Lorenz, HM., Kneitz, C. Infektionen. Z Rheumatol 78, 236–242 (2019). https://doi.org/10.1007/s00393-018-0586-3
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00393-018-0586-3