Anamnese

Ein 55-jähriger Patient stellte sich mit Wahrnehmung von Blitzen und dunklen Schlieren vor dem rechten Auge seit 2 Tagen in unserer Notfallambulanz vor. Er war sonst gesund und hatte keine systemischen Grunderkrankungen.

Befund

Der Visus betrug bei Erstvorstellung 0,8 beidseits, die Refraktion betrug −2,0 sph rechts und 0 sph/−0,75 cyl/28° links. In der Spaltlampenuntersuchung zeigte sich auf beiden Augen eine Cataracta incipiens mit reizfreiem vorderem Augenabschnitt. Am rechten Auge waren fundoskopisch Sanguisschlieren in der Peripherie aufzufinden mit multiplen zirkulären Foramina sowie eine Begleitablatio zwischen 9 und 12 Uhr. Am linken Auge zeigte sich die Netzhaut zirkulär anliegend, Netzhautforamina waren nicht zu sehen.

Therapie und Verlauf

Es erfolgte die stationäre Aufnahme zur Durchführung einer nahtlosen, transkonjunktivalen 23-G-Vitrektomie (ppV) mit Endolaser und 20 % SF6-Gasfüllung kombiniert mit einer Phakoemulsifikation mit Implantation einer Kapselsack-fixierten Kunstlinse. Die gesamte Operation verlief komplikationslos. Perfluorcarbon wurde nicht verwendet, die Applikation der Laserherde erfolgte unter Indentation sowie unter vorheriger Netzhautanlegung mit Luft. Es wurden insgesamt 1582 Laserherde gesetzt mit einer Intensität von 150 mW und einer Expositionszeit von 200 ms. Die Skizze des intraoperativen Befundes ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Intraoperative Skizze der Netzhautsituation am Operationsende

Am 1. postoperativen Tag zeigten sich etwas Fibrin und Blut in der Vorderkammer (VK), der Augendruck lag bei 4 mm Hg, bei reduziertem Einblick lag die Netzhaut (NH) unter Gas an. Am 2. postoperativen Tag berichtete der Patient über starke Augenschmerzen. Es fanden sich eine ausgeprägte Hyperämie und Chemosis der Bindehaut, eine gequollene Hornhaut (HH) sowie viel Fibrin und etwas Blut in der VK, Fundus nur schemenhaft einsehbar (Abb. 2). Es erfolgte eine systemische Steroidtherapie mit 100 mg Prednisolon oral täglich. Die entzündlichen Veränderungen bildeten sich unter systemischer Steroidtherapie zurück, die Hypotonie blieb bestehen. Eine Ultraschalluntersuchung im Verlauf zeigte eine seröse bullöse Aderhautabhebung unterhalb der Gasblase. Aufgrund der persistierenden Hypotonie in Kombination mit Aderhautamotio wurde am 10. postoperativen Tag die Indikation für eine Revisionsoperation gestellt. Es erfolgte eine erneute Pars-plana-Vitrektomie mit VK-Spülung und Silikonfüllung des GK-Raums. Intraoperativ zeigte sich eine Aderhautamotio unten bei anliegender NH.

Abb. 2
figure 2

Vorderer Augenabschnitt am 2. postoperativen Tag

Eine intraoperativ bei schlechtem Einblick durchgeführte Abrasio des HH-Epithels heilte rasch zu, im weiteren Verlauf klarte die HH auf. Der Augendruck blieb niedrig bei 7 mm Hg. Die NH zeigte sich unter Silikon anliegend mit zystoidem Makulaödem, zentralen Aderhautfalten und einem Visus von 0,2. Es entwickelte sich eine sektorielle Irisatrophie temporal mit Pupillenentrundung (Abb. 3). Während der Silikonöltamponade zeigten sich keine Silikon-assoziierten Komplikationen. Aufgrund der persistierenden Hypotonie wurde erst 10 Monate später die Silikonentfernung indiziert. Anschließend zeigte sich eine deutliche Reduktion der Aderhautfalten, der intraokulare Druck stabilisierte sich auf 15 mm Hg. Es kam zu einem Visusanstieg auf 0,4, das zystoide Makulaödem zeigte sich ebenfalls rückläufig.

Abb. 3
figure 3

Vorderer Augenabschnitt mit sektorieller Irisatrophie 5 Monate postoperativ

Am Partnerauge entwickelte der Patient eine Riesenrissablatio, die mittels ppV mit Silikontamponade und Entfernung des Silikons nach 4 Wochen erfolgreich mit einem Endvisus von 1,0 behandelt wurde.

Diskussion

Als ursächlich für den komplizierten, postoperativen Verlauf erachten wir eine Ischämie des vorderen Augenabschnittes (VAA): in der akuten Phase mit ausgeprägter Entzündung, Schmerzen, Chemosis, HH-Ödem, Fibrin und Blut in der VK sowie Hypotonie mit bullöser Choroidalamotio; im weiteren Verlauf mit Entwicklung einer sektoriellen Irisatrophie mit persistierender relativer Hypotonie.

Differenzialdiagnose

Differenzialdiagnostisch muss an eine laserinduzierte Verletzung der Ziliarnerven gedacht werden. Diese führt typischerweise zu einer Pupillenlähmung und einer neurotrophen Keratopathie mit einiger Verzögerung [1]. Hier heilte die HH-Erosio rasch ab, Schmerzen, starke Entzündung und Irisatrophie wären allerdings atypisch für eine alleinige Ziliarnervenschädigung.

Intensive Laserkoagulation kann akut zu entzündlichen Reaktionen mit Fibrinausschwitzung und Aderhautamotio führen, aber nicht zur Atrophie der Iris. Zu denken wäre auch an eine Hypotonie durch undichte Zugänge der nahtlosen Vitrektomie, die ebenfalls HH-Ödem und Fibrinreaktion hervorrufen kann, aber eher nicht die starke Entzündung und Irisatrophie im Verlauf erklären kann.

In der akuten Phase ist differenzialdiagnostisch auch an eine infektiöse Endophthalmitis zu denken. Die milde zelluläre Vorderkammerreaktion ohne Hypopyon und der weitere Verlauf sprachen dagegen.

Vorderabschnittsischämien nach Augenoperationen

Die in der Literatur beschriebenen postoperativen VAA-Ischämien umfassen folgende klinische Situationen:

Insgesamt zwar selten, aber eine gut bekannte Komplikation ist die VAA-Ischämie in der Strabismuschirurgie [8], wenn anteriore Ziliararterien beim Abtrennen der geraden Augenmuskeln geopfert werden. Eine Manipulation an den Augenmuskeln ist bei transkonjunktivaler ppV sowie Endolaserapplikation (statt Exokoagulation) höchst unwahrscheinlich.

Auch eine dichte Laserapplikation der peripheren avaskulären Netzhaut bei Frühgeborenenretinopathie kann eine VAA-Ischämie bedingen, vermutlich auch über eine Beeinträchtigung der langen posterioren Ziliararterien [3]. Hier mag das noch nicht voll ausgereifte Gefäßsystem bei Frühgeborenen besonders vulnerabel sein.

Fallberichte beschreiben auch nach Vitrektomie und Laser bei Sichelzellanämie VAA-Ischämien. Mikrozirkulationsstörungen im Rahmen der Grundkrankheit werden hier vermutlich die Entwicklung von Ischämien begünstigen [10].

Für Ischämien des VAA nach Ablatiooperation werden besonders Cerclagen und episklerale Koagulation verantwortlich gemacht [2, 5]. Mit unserem Fall möchten wir erstmals eine VAA-Ischämie nach durchgeführter transkonjunktivaler ppV ohne Buckel beschreiben.

Mechanismus einer möglichen iatrogenen Ziliararterienschädigung

Die Blutversorgung der VAA erfolgt einerseits über die (meist 7) anterioren Ziliararterien, welche mit den geraden Augenmuskeln von hinten nach vorne ziehen, dann vom Muskelansatz episkleral bis nahe an den Limbus und hier die Sklera nach innen perforieren. Eine Schädigung dieser Gefäße ist denkbar durch episklerale Koagulation oder Manipulation an den Muskeln, welche aber bei transkonjunktivaler ppV nicht vorstellbar ist.

Die zweite Quelle für die arterielle Versorgung des VAA erfolgt über die (meist 2) langen posterioren Ziliararterien, welche nicht weit vom Sehnerven die Sklera perforieren und in der Regel in der Horizontalen bei 3 und 9 Uhr an der Innenseite der Sklera nach vorne ziehen und hier den Circulus arteriosus iridis major und den Gefäßplexus im Ziliarmuskel speisen. Die langen posterioren Ziliararterien machen normalerweise weniger als ein Drittel der Blutversorgung des vorderen Augenabschnittes aus. Darüber hinaus gibt es zwischen anterioren Ziliararterien und langen posterioren Ziliararterien mehrere kollaterale Zirkulationssysteme einschließlich episkleral limbalen Plexus, intramuskulärer Zirkulation im Ziliarkörper und Circulus arteriosus iridis major. Obwohl anteriore und lange posteriore Ziliararterien funktionelle Endarterien mit Wasserscheiden darstellen, bestehen über Circulus arteriosus iridis major und Gefäßplexus im Ziliarmuskel offensichtlich Kompensationsmöglichkeiten, die in vielen Fällen schwere klinische ischämische Folgen verhindern [4,5,6,7]. Allerdings bestehen erhebliche anatomische Variationen der Blutversorgung des vorderen Augenabschnittes, sodass manche Augen vulnerabler gegenüber Interventionen sein könnten [9].

Vermutlich führte im hier beschriebenen Fall intensive Laserkoagulation bei anterioren Netzhautrissen zu einer Schädigung mit Okklusion der langen posterioren Ziliararterien, auch wenn es experimentell schwer ist, selbst kleine arterielle Gefäße mit dem Laser zu verschließen. Wahrscheinlich hat die Laserung unter Indentation einen kollateralen Schaden verstärkt. Es kann darüber spekuliert werden, ob anatomische Variationen der Blutversorgung des vorderen Augenabschnittes zu dieser sehr seltenen Komplikation beigetragen haben könnten.

Ein Verschluss der vorderen und ggf. langen hinteren Ziliararterien kann trotz Kompensationsmöglichkeit über den Gefäßplexus eine Perfusionsbeeinträchtigung bewirken. Ursächlich können systemische Faktoren (kardiovaskuläre Erkrankungen, intraoperative Hypotonien in Narkose etc.) eine Rolle spielen.

Schlussfolgerung

Wir berichten hier erstmals über einen sehr seltenen Fall von VAA-Ischämie nach primärer transkonjunktivaler Vitrektomie bei Netzhautablösung. Vermutlich hat intensive Laserkoagulation (1582 Herde) zahlreicher sehr peripherer Netzhautrisse in Kombination mit einer Indentation, welche zur lokalisierten vaskulären Insuffizienz beigetragen haben kann, zu einer Schädigung der arteriellen Versorgung des VAA durch die lange posteriore Ziliararterie geführt.

Fazit für die Praxis

  • Eine akute Ischämie des vorderen Augenabschnittes ist eine extrem seltene Komplikation der Vitrektomie bei Netzhautablösung.

  • Sie präsentiert sich klinisch mit: Schmerzen, Chemosis, Hyperämie der Bindehaut, HH-Epithel- oder Stromaödem, Descemet-Falten, Blut und Fibrin in der Vorderkammer, niedrigem Augendruck, sektorieller Irisatrophie im späteren Verlauf.

  • Ursächlich wird eine Schädigung der langen posterioren Ziliararterie durch intensive intraoperative Laserkoagulation unter Indentation vermutet.