Abraham S, Feucht N, Lohmann CP, Maier M (2015) Okuläres Ischämiesyndrom. Ophthalmologe 112:679–681. doi:10.1007/s00347-014-3178-x
Mit großem Interesse habe ich den Beitrag von S. Abraham, N. Feucht, C.P. Lohmann und M. Maier über den ungewöhnlichen Krankheitsverlauf eines Patienten gelesen. Der Krankheitsverlauf ist deshalb ungewöhnlich, da zunächst „keine höhergradigen Stenosen der extrakraniellen hirnversorgenden Arterien“ mit dem „Karotis-Doppler“ festgestellt wurden. Erst mit der Magnetresonanzangiographie wurde schließlich die Diagnose einer „langstreckigen A.-carotis-interna-Stenose links vor dem Eintritt in den Canalis caroticus mit komplettem Verschluss der A. ophthalmica auf der linken Seite“ aufgedeckt. Es ist ungewöhnlich, dass die Verdachtsdiagnose einer Durchblutungsstörung der A. carotis interna nicht mit dem „Karotis-Doppler“ gestellt werden konnte.
Ein okuläres Ischämiesyndrom des linken Auges mit einer Rubeosis iridis, mit einem dezenten Hyphäma, einer isolierten Fleckblutung der Retina sowie einer verlängerten Arm-Retina-Zeit mit beginnenden peripheren „ischämischen Arealen“ wäre bei einem 76-jährigen Diabetes-Patienten nicht ungewöhnlich. Jedoch der offenbar streng einseitige Befund müsste auf die Vedachtsdiagnose einer okulären Durchblutungsstörung, bedingt durch eine Minderdurchblutung der Halsarterie, hinweisen, die nicht alleine durch den Diabetes (bei zusätzlich vorhandenem Nikotinabusus) zu erklären wäre – was dann aber schließlich mit der Magnetresonanzangiographie nachgewiesen wurde.
Bei einem okulären Ischämiesyndrom sind, abgesehen von dem mitgeteilten charakteristischen Befund, auch auf weitere Veränderungen zu achten: Es wurde nichts darüber berichtet, ob der Augendruck auf beiden Seiten gleich hoch war, denn bei einer einseitigen Ischämie kann die Tension des betreffenden Auges erniedrigt sein [3]. Die Autoren stellten zwar einen „normalen Augendruck“ fest, es stellt sich aber die Frage der Seitendifferenz. Eine Ischämie eines Auges geht nicht selten mit Cotton-wool-Flecken der Retina einher [6]; auch können die Gefäße gelegentlich kleine glitzernde Emboli [3] aufweisen, die jedoch ophthalmoskopisch und fluoreszenzangiographisch durch die Autoren ausgeschlossen wurden.
Auch eine einseitig stärker ausgeprägte Katarakt oder eine Pseudouveitis anterior könnten auf eine einseitige Karotisstenose hinweisen [3].
Kearns und Hollenhorst berichteten über die „venöse Stase-Retinopathie“ bei einem Karotisverschluss [1]. Odashima et al. [2] wiesen auf das selten vorkommende Makulaödem hin.
Zudem ist bei einem älteren Patienten mit einer kürzlich eingetretenen Visusminderung (es ist ja nicht immer sicher, ob die Sehverschlechterung vor kurzer oder längerer Zeit eingetreten war, da die Angaben der Patienten nicht immer verlässlich sind) stets auch an die wichtige Differenzialdiagnose einer Riesenzellarteriitis zu denken [4, 5], sodass die Blutsenkungsgeschwindigkeit, das Fibrinogen zu bestimmen und der Befund der Schläfenarterie zu beurteilen wären.