Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

primäre Knochentumoren sind für den diagnostizierenden Pathologen nach wie vor eine Herausforderung.

Aufgrund der niedrigen Inzidenz sind primäre Tumoren des Knochens im täglichen diagnostischen Routinebetrieb selten. Demgegenüber steht die enorme Vielfalt der primären Knochentumoren. In der aktuellen WHO-Klassifikation werden über 50 Entitäten aufgelistet (Hämatoblastosen ausgeschlossen), deren biologisches Verhalten sehr unterschiedlich sein kann. Die WHO hat deshalb neben den weit überwiegenden benignen und den sehr viel selteneren, eindeutig malignen Tumoren die Kategorie „intermediate“ eingeführt, die nochmals in 2 Subgruppen unterteilt wird: „intermediate (lokal aggressiv)“ und „intermediate (selten metastasierend)“, welche die Kategorien gut- und bösartig jedoch nicht auflösen, sondern zu einem differenzierteren therapeutischen Vorgehen anhalten sollen (siehe Beitrag von G. Jundt).

Die Diagnostik der Knochentumoren beginnt mit der Bildgebung. Neben der Tumorlokalisation (40 % der malignen Knochentumoren entstehen um das Knie) sind als entscheidende Faktoren die Größe (<6 cm eher benigne; >6 cm sowohl benigne als auch maligne nach aktueller WHO-Klassifikation), die ossäre Lokalisation (intramedullär, intrakortikal, juxtakortikal) und Lage (epiphysär, metaphysär, diaphysär), die randliche Begrenzung, die Beurteilung der Matrix und die periosteale Reaktion bei der feingeweblichen Diagnostik mit zu bedenken.

Letztendlich sind die Beiträge aller beteiligten Fachrichtungen (Radiologen, Chirurgen und Orthopäden, Onkologen und Pathologen) optimal in einem entsprechenden Tumorboard zu integrieren, was wiederum nur in größeren Zentren geleistet werden kann. Es gibt somit kaum einen anderen Bereich in der histopathologischen Diagnostik, der gleichzeitig so zeitaufwendig (beispielsweise die Aufarbeitung mit teils langen Entkalkungszeiten) und organisatorisch umfassend ist.

Die molekulare Pathologie mit ihrer explosionsartigen Entwicklung hat auch Einzug in die Diagnostik der primären Knochentumoren gehalten. Das vorliegende Themenheft „Knorpel, Knochen, Chorda – Molekulare Pathologie“ bringt eine Reihe von Beiträgen, die sich mit neuen, teils diagnostisch bahnbrechenden molekularen Erkenntnissen für diesen Bereich der Pathologie auseinandersetzen und viel zum Verständnis, zum Beispiel der Osteosarkomentwicklung (siehe Beitrag von D. Baumhoer), aber auch zur Genese der fibrösen Dysplasie und des McCune-Albright-Syndromes (siehe Beitrag von H. Ostertag und S. Glombitza) beigetragen haben. Ähnliches gilt für die Gruppe der klein-, blau- und rundzelligen Knochensarkome, welche um die Gruppe der sog. ewing-ähnlichen Sarkome erweitert wurden, die andere Translokationen und eine andere Klinik als das klassische Ewing-Sarkom aufweisen, auch wenn diese neuesten Entwicklungen erst andeutungsweise Einzug in die aktuelle WHO-Klassifikation gefunden haben (siehe Beitrag von K. Specht und W. Hartmann). Als weitere Beispiele seien an dieser Stelle der Riesenzelltumor des Knochens und das Chondroblastom aus dem Feld der riesenzellhaltigen Läsionen des Knochens sowie das Chordom genannt. Es ist heute möglich, die für den Riesenzelltumor charakteristische H3F3A-Mutation, welche ursprünglich lediglich durch Sequenzierung nachweisbar war, durch den schnellen und kostengünstigen immunhistologischen Einsatz eines mutationsspezifischen Antikörpers, der der Sequenzierung ebenbürtig ist, zu erkennen (siehe Beitrag von J. Lüke et al.). Ähnliches gilt für das Chondroblastom (siehe Beitrag von G. Jundt und D. Baumhoer). In Chordomen konnte durch einen rekurrenten genetischen Defekt ein konstitutiv aktiver Signalweg beschrieben werden, der durch eine zielgerichteten Blockade zur Initiierung einer klinischen Studie mit dem Inhibitor Palbociclib geführt hat (siehe Beitrag von T. Barth et al.). Ebenso hat der Nachweis einer USP6-Translokation in intraossären Läsionen wie der aneurysmatischen Knochenzyste, aber auch in der nodulären Fasziitis des Weichgewebes das diagnostische Instrumentarium des Pathologen wesentlich erweitert (siehe CME-Beitrag von G. Mechtersheimer und M. Werner). Auch das Verständnis anderer Knochenerkrankungen, wie z. B der Osteopetrose, konnte durch Korrelation von Genotyp und histologischem Bild verbessert werden (siehe Beitrag von J. Zustin et al.).

Wir gehen davon aus, dass die Anwendung molekular-pathologischer Verfahren weiter in der Diagnostik der Knochenpathologie Verbreitung finden wird und mithelfen kann, die Diagnostik der ossären Läsionen zu unterstützen und zu erleichtern. Die Beiträge in diesem Heft sollen ein Schritt in diese Richtung sein.

Die 9 Beiträge stammen zum überwiegenden Teil von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Knochentumoren (http://www.agkt.org), die mit ihrer konsequenten interdisziplinären Arbeit auf dem Gebiet der Knochentumordiagnostik und -behandlung vorbildlich ist.

Prof. Dr. Thomas F. E. Barth

Prof. Dr. Peter Möller

Prof. Dr. Gernot Jundt