Zusammenfassung
Hintergrund
Ein natürlicher Tod (NT) soll vom Leichenschauer bescheinigt werden, wenn der Patient an einer Krankheit verstarb, deretwegen er ärztlich behandelt wurde, die das Ableben vorhersehbar machte und wenn kein Hinweis auf einen nichtnatürlichen Tod besteht.
Methode
Es wurden vom Referat für Gesundheit und Umwelt München prospektiv alle Münchner Todesbescheinigungen (TB) der 28. bis 48. Kalenderwoche 2016 geprüft. Wenn die Rubrik „zuletzt behandelnder Arzt“ vom Leichenschauer nicht ausgefüllt und ein NT bescheinigt worden war, wurde die TB an ihn zurückgesendet, und er wurde um Mitteilung gebeten, wie er an die für die Bescheinigung eines NT erforderlichen Informationen gekommen war. Die TB und Antwortschreiben wurden standardisiert erfasst und statistisch ausgewertet.
Ergebnisse
Im Studienzeitraum wurden 5210 TB überprüft. Bei 343 (6,6 %) war der zuletzt behandelnde Arzt nicht eingetragen worden; davon war bei 103 (30 %) ein NT bescheinigt worden. Es waren 60 % dieser TB von Klinikärzten, 30 % von Niedergelassenen und 10 % vom Münchner Leichenschau(LS)-Dienst ausgefüllt worden. Bei diesen 3 Gruppen ergaben sich Unterschiede in folgenden Parametern: Ort der LS, Identifikation und demografische Daten der Verstorbenen sowie Todesursachen. Ebenso unterschieden sich die 3 Gruppen z. T. erheblich in den Punkten: Bereitschaft zur Auskunftserteilung, nachträgliche Änderung der Kausalkette, Eigenschaft als zuletzt behandelnder Arzt sowie zur Verfügung stehende bzw. genutzte Informationsquellen. Besonders bei den TB der niedergelassenen Ärzte waren gravierende weitere Fehler zu verzeichnen. Am besten schnitt der LS-Dienst ab.
Diskussion
Es können erstmals Daten präsentiert werden, woher die leichenschauenden Ärzte die Informationen bekommen, die sie zur Bescheinigung eines NT benötigen. Insbesondere niedergelassene Kollegen und Kollegen des LS-Dienstes verfügen häufig als alleinige Informationsquelle über mündliche Angaben von Dritten. Damit kommt nicht nur der Plausibilitätsprüfung dieser Angaben, sondern auch der sorgfältigen äußeren Besichtigung des Verstorbenen eine große Bedeutung zu. Weiterhin nichtgelöst ist das Problem des nichtsorgfältigen Ausstellens der TB.
Abstract
Background
A natural death is to be certified after the external examination of the corpse when the patient died of a disease which was treated by a doctor, which made the death foreseeable and if there were no indications of an unnatural death.
Method
All Munich death certificates from the 28th to the 48th calendar week in 2016 were prospectively analyzed by the Department of Health and Environment of Munich. If the heading “last treating physician” had not been completed by the physician performing the external examination of the corpse and a natural death had been certified, the death certificate was returned and the physician was asked to provide details of how the information for the certification of a natural death was acquired. The death certificates and response letters were registered in a standardized manner and statistically evaluated.
Results
During the study period 5210 death certificates were analyzed. In 343 cases (6.6%) the last physician had not been filled in of which 103 death certificates confirmed a natural death (30%). Of these death certificates 60% had been filled out by clinicians, 30% by residents and 10% by the Munich necropsy service. These three groups showed differences in the following parameters: location of the examination of the corpse, identification and demographic data of the deceased and cause of death. Likewise, the three groups partly differed in the following: willingness to provide information, subsequent modification of the causal chain, features of the last treating physician, as well as available or used sources of information. Particularly with the death certificates filled out by the residents there were further serious errors. The necropsy service showed the best results.
Discussion
For the first time, data can be presented on the source from which physicians received the information needed to certify a natural death. In particular, residents and personnel from the necropsy service often have verbal data from third parties as the only source of information. This is of great importance not only for the plausibility check of this information but also for the careful external examination of the deceased. Furthermore, the problem of not carefully filling in the death certificate has not been solved.
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S. Gleich, S. Viehöver, O. Peschel und M. Graw geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Gleich, S., Viehöver, S., Peschel, O. et al. Woher stammen die Informationen zum Verstorbenen bei der ärztlichen Leichenschau in München?. Rechtsmedizin 28, 10–18 (2018). https://doi.org/10.1007/s00194-017-0213-7
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00194-017-0213-7
Schlüsselwörter
- Öffentlicher Gesundheitsdienst
- Leichenschau
- Zuletzt behandelnder Arzt
- Informationsquellen
- Todesbescheinigung