Der anteriore Zugang zum Hüftgelenk wurde bereits im 19. Jahrhundert beschrieben. Er ermöglicht bei einfachen Pfannenrevisionen einen minimalinvasiven Zugang und ist bei Bedarf erweiterbar.

Kurze Geschichte des Zugangs

Der anteriore Zugang zum Hüftgelenk wurde vermutlich erstmals 1871 von Carl Hueter zur Resektion von Hüftkopf und Schenkelhals zur Behandlung der Coxitis beschrieben [1]. Die Schnittführung ging vom Trochanter major zur „Spina ant. sup. ossis ilei“. Ein Messer wird in der Mitte dieser Inzisionslinie angesetzt und dieses wird in einem Schnitt auf die Gelenkfläche des Femurkopfs geführt, in einem Schnitt wird dann die Kapsel durchtrennt. Mit einem Schnitt wird somit die Gelenkfläche des Kopfes über mehrere Zentimeter freigelegt. Nach mehreren radiären Schnitten in den „Limbus cartilagineus“ wird der Kopf luxiert. Der Zugang entspricht also in etwa dem heutigen direkt anterioren Zugang, allerdings fand die Tatsache der internervalen Ebene keine Erwähnung. Wenn auch nicht explizit erwähnt, war sehr wohl die Überlegung der möglichst geringen Invasivität zur Behandlung einer sonst meist tödlichen Erkrankung wesentlich.

Ein ähnlicher Zugang wurde in den 1920er-Jahren vom Amerikaner Marius F. Smith-Petersen [2] verwendet, um eine Kappenprothese aus Glas zu implantieren. 1938 führte er eine Kappenprothese aus Chrom-Kobalt-Molybdän ein und implantierte sie über denselben Zugang. Die Brüder Robert und Jean Judet implantierten ab 1947 eine Polymethylmethacrylat-Kopfprothese über den von Hueter inaugurierten Zugang [35]. Die Verwendung von Femurteilprothesen mit Stiel (Moore-Prothese) und später von Totalendoprothesen mit zementierten Schäften verlagerte das Interesse auf den Zugang zum Markraum des Femurs. Der vordere Zugang wurde seither für lange Zeit nur von wenigen Chirurgen zur Implantation von Hüftprothesen verwendet: Für die Schalenprothese nach Wagner in den 1970er-Jahren und von Light und Keggi [6], Bost und Luck in den USA sowie weiterhin von den Judet-Brüdern in Paris. Mit dem Beginn der minimalinvasiven Hüftendoprothetik wurde auch ein 2‑Inzisionen-Zugang entwickelt [7], der den vorderen Zugang wieder aufgriff. Wahrscheinlich wurde dadurch eine Renaissance des vorderen Zugangs eingeleitet.

Keggi beschreibt 1993 [6] auch die Verwendung des vorderen Zugangs für Revisionen. Während keine besonderen Techniken zur Zugangserweiterung für die Pfanne beschrieben werden, wird für den Schaft eine Spaltung der Fascia lata und ein Vastus-lateralis-Splitting beschrieben. Stiehl beschreibt 1995 [8] eine ausgedehnte Darstellung der vorderen Säule im Rahmen eines vorderen Zugangs für Prothesenrevisionen.

Zugang für primäre Endoprothesen

Der Zugang wurde in aktuellen Arbeiten ausführlich beschrieben [9, 10]. Auch die Revisionschirurgie unter Verwendung des anterioren Zuganges ist in den letzten Jahren mehrfach beschrieben worden [1113].

Es sind verschiedene Techniken möglich: Lagerung in Rückenlage oder Seitenlage, mit oder ohne Extensionstisch, direkt anterior oder anterolateral, Schnittführung longitudinal, schräg oder in der Leiste [10]. Im Folgenden wird die eigene Technik für den direkt anterioren Zugang mit longitudinaler Schnittführung ohne Extensionstisch der Beschreibung zugrunde gelegt. Dieser Zugang wurde für die Primärendoprothetik in anderen Publikationen detailreich beschrieben [9, 11]. Es werden im Folgenden die einzelnen Schritte, insofern sie denen bei der primären Endoprothetik entsprechen, kurz beschrieben, um danach die Spezifika für den Pfannenwechsel im Detail darzustellen.

Es erfolgt eine Rückenlagerung des Patienten auf dem Operationstisch, dessen Fußteil mit Gelenk in Höhe der Hüfte abgesenkt werden kann. Dies ist erforderlich für einen allfälligen zusätzlichen Schaftwechsel, nicht für den Pfannenwechsel. Beide Beine werden beweglich abgedeckt. Je nach Operationsschritt wird das zu operierende Bein vor oder hinter dem gegenüber liegenden Bein gelagert.

Zum Hautschnitt identifiziert man die Spina iliaca anterior superior. Er beginnt ca. 2 Querfinger lateral der Spina sowie ca. 1 Querfinger kaudal der Spina, und wird in Körperlängsachse je nach Körpergröße des Patienten 10–15 cm nach distal geführt.

Im Falle eines Pfannenwechsels nach vorhergehender Primäroperation über einen direkt anterioren oder anterolateralen Zugang wird die Narbe ausgeschnitten und für den Zugang verwendet. Nach Durchtrennen der Subkutis erscheint die Fascia lata. Diese wird knapp vor den kleinen perforierenden Gefäßen durchtrennt (Fasciae-latae-Perforatoren [14]). Dadurch kann meist der rein sensible N. cutaneus femoris lateralis geschont werden, welcher an dieser Stelle in der Faszie verläuft und sich in bis zu fünf Äste aufteilt. Diese Inzision der Faszie befindet sich deutlich lateraler als die intermuskuläre Schicht zwischen M. sartorius und M. tensor fasciae latae. Um in diese intermuskuläre Schicht zu gelangen, wird die Faszie angehoben, und die Fasern des M. tensor fasciae latae werden stumpf mit dem Finger von der Faszie gelöst.

Im Falle eines Pfannenwechsels nach vorhergehender Primäroperation mit einem vorderen Zugang müssen diese Fasern scharf mit einem Raspatorium gelöst werden. Es wird nun die intermuskuläre und internervale Schicht zwischen dem M. tensor fasciae latae und dem M. gluteus medius lateral sowie den Mm. sartorius und rectus femoris medial dargestellt. Dazu ist es erforderlich, die Vasa circumflexa femoris lateralis zu ligieren.

Im Falle eines Pfannenwechsels nach vorhergehender Primäroperation von vorne sind diese Gefäße oft nicht mehr vorhanden oder es finden sich zahlreiche dünne Äste, die koaguliert werden müssen. Das Präparieren dieser Schicht bereitet auch bei Revisionsoperationen kaum Probleme. In manchen Fällen ist es erforderlich, den Zugang zu erweitern. Dazu wird der vordere Teil des Ansatzes des M. tensor fasciae latae von der Crista iliaca und nachfolgend vom Darmbein gelöst, bis ausreichend Platz geschaffen wurde (Abb. 1). Auf diese Variante wird später bei den Vorteilen des Zugangs im Detail eingegangen.

Abb. 1
figure 1

Erweiterungsmöglichkeit für den Zugang: Die gelbe Linie zeigt den Ursprung des M. tensor fasciae latae, welcher abgelöst werden kann. Er wird später mit Faszie an der Crista iliaca, bei ausgedehnter Ablösung auch mit Knochenankern, fixiert

Bei Primäroperationen findet sich nun im Wundgrund eine dünne Faszie, welche durchtrennt wird. Dann wird die Gelenkkapsel sichtbar und mit Hohmann-Hebeln eingestellt. Die Verwendung spezieller Hohmann-Hebel für den direkt anterioren Zugang ist von Vorteil. Die Hebel werden ventral des Azetabulums, medial des Schenkelhalses, lateral des Schenkelhalses sowie lateral des Trochanter major gesetzt.

Beim Pfannenwechsel ist hier oft eine scharfe Präparation erforderlich, am besten mit einem scharfen Cobb-Raspatorium.

Nun erfolgt die Resektion der Pseudokapsel und die Darstellung des knöchernen Azetabulums um die liegende Prothesenpfanne. Die Hohmann-Retraktoren werden dabei schrittweise auch dazu eingesetzt, um Pseudokapselgewebe wegzuhalten. Zur Dislokation wird der Konus mit einem Einzinker-Haken gefasst und nach lateral gezogen, während ein Assistent das Bein nach kaudal zieht und nach innen rotiert. Liegt Ersatz für den vorgefundenen Prothesenkopf vor (da keine Inkompatibilität des vorgefundenen Konus zu vorrätigen Köpfen und kein Lieferproblem bei nicht mehr vertriebenen Implantaten vorliegt), wird dieser entfernt. Das Bein wird über das Bein der Gegenseite gelegt, durch ein Polster oder einen OP-Mantel angehoben und damit gleichzeitig der N. peroneus geschont. Die Darstellung und Resektion der Reparationskapsel können erst nach Dislokation der Prothese zum Ende geführt werden. Je nach Knochenqualität des Femurs werden der Konus des Schaftes oder der Knochen des Femurs durch einen oder zwei Hohmann-Hebel nach dorsal gehalten (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

85 Jahre alter Mann, Pfannen- und Schaftlockerung. Ganzschale nach Bone Impaction Grafting in situ. Die 5 Hohmannhebel nummeriert: 1 vorderer Pfeiler des Azetabulums, 2 Unterrand des Azetabulums, 3 Sitzbein, 4 und 5 dorsal des Azetabulums (meist reicht ein Retraktor). a intraoperativ, b präoperatives Röntgenbild, c postoperatives Röntgenbild

Die Entfernung des Implantats wird hier nicht geschildert, da diese ebenso wie die Rekonstruktion durch ein neues Implantat, allfälliges Bone Impaction Grafting, Luxationssicherung, z. B. durch ein Dual-mobility-System, nicht vom gewählten Zugang abhängen.

Vorteile des direkt anterioren Zugangs

Einfache übersichtliche Darstellung

Die Übersicht über die Verhältnisse um die liegende Prothese ist gut, weil der vordere Zugang den kürzesten Weg zur Hüfte darstellt. Die Ausleuchtung durch die OP-Lampen von oben ist einfach. Durch Ablösen des Ansatzes des M. tensor fasciae latae vom Darmbein (Abb. 1) kann das Darmbein oberhalb des Azetabulumrandes über mehrere Zentimeter nach kranial ohne Gefährdung der Nervenversorgung dargestellt werden.

Erhalt der Nervenversorgung der Glutealmuskulatur

Der direkte anteriore Zugang vor dem M. tensor fasciae latae erfolgt an einer Stelle, an der keine motorischen Nerven oder Äste der Glutealmuskulatur kreuzen. Insofern ist er relativ sicher. In einer Arbeit von Grob und Mitarbeitern [15] wird der Fall einer Patientin mit Atrophie des M. tensor fasciae latae nach direkt anteriorem Zugang zur Hüfte beschrieben, und als mögliche Ursache beschrieben, dass der Endast des N. gluteus sup. dort in den M. tensor fasciae latae eintritt und diesen versorgt, wo auch der Ramus ascendens der A. circumflexa fem. lat. in diesen eintritt. Die Möglichkeit der Schädigung der Nervenversorgung des M. tensor fasciae latae in diesem Bereich ist gegeben. Die Glutealmuskulatur ist bei anderen Zugängen zur Hüfte besonders dann gefährdet, wenn die pathologischen Verhältnisse oder die Form einer Prothese oder Pfannendachschale eine Exposition mehrere Zentimeter kranial des oberen Azetabulumrandes erfordern. In einer anatomischen Arbeit von Miguel-Perez und Mitarbeitern [16] teilt sich der N. gluteus sup. in 2 oder 3 Äste auf, und eine sichere Zone liegt nur 2–3 cm kranial der Spitze des Trochanter major. Dies gilt auch für dysplastische Hüften [17]. Von anderen Autoren wurden für unterschiedliche Zugänge folgende Raumverhältnisse gefunden:

  • Anterolateraler Zugang: Der distale Ast des N. gluteus sup. verläuft ca. 3 cm kranial der Spitze des Trochanter major [18].

  • Laterale und transgluteale Zugänge: Der distale Ast des N. gluteus sup. verläuft ca. 4 cm kranial der Spitze des Trochanter major [19].

  • Posteriorer bzw. posterolateraler Zugang: Der N. gluteus inf. verläuft 5 cm kranial der Spitze des Trochanter major [20].

Zugang zum vorderen Pfeiler und zum Beckeninneren

Wird die Spina iliaca ant. sup. im Sinne eines erweiterten Smith-Petersen-Zugangs osteotomiert, so ergibt sich ein üblicher Zugang für eine periazetabuläre Osteotomie, mit Darstellung des Darmbeins unter dem M. iliacus bis zum vorderen Pfannenrand und vorderen Pfeiler (Abb. 3). Ähnliches beschreibt Ziran [21] mit einer Ileumosteotomie, die entsprechend unseren Erfahrungen nicht erforderlich ist.

Abb. 3
figure 3

a 65 Jahre alte Frau nach Insuffizienzfraktur des Beckens und mehreren Prothesenwechseln, Zerstörung des vorderen Pfeilers und medialer Pfannenmigration. b Rekonstruktion des vorderen Pfeilers, Bone Impaction Grafting, Restoration-GAP-II-Pfanne und Dual-mobility-Paarung zur Luxationssicherung über einen direkten vorderen Zugang

Wird der Ansatz des M. obliquus ext. abd. durchtrennt, ergibt sich insbesondere bei Weiterführung des Hautschnitts in der Leiste nach medial der in der Tumorchirurgie bekannte anteriore retroperitoneale Zugang über eine ilioinguinale Inzision [22]. Der Zugang zu knöchernen Strukturen ist dabei wegen der Vasa iliaca ext. bzw. femoralia und des N. femoralis im Gegensatz zur Tumorchirurgie begrenzt, intrapelvine Abszesse sind jedoch gut zugänglich.

Nachteile des direkt anterioren Zugangs

Kein Zugang zum hinteren Pfeiler

Grundsätzlich ist es möglich, im Sinne eines Judet-Zugangs mit Ablösung der Glutealmuskulatur am Beckenkamm bis weit nach dorsal das Foramen ischiadicum majus zu präparieren und somit den hinteren Pfeiler darzustellen. Die ausgedehnte Denudierung von Darm- und Sitzbein bei dieser Zugangserweiterung spricht jedoch gegen ihre Anwendung.

Erweiterung für ausgedehnten Zugang zum Femur schwieriger

Auch diese Erweiterung ist möglich, sie ist nur etwas aufwendiger als bei einem transglutealen, posterioren oder transfemoralen Zugang. Muss auch ein Schaftwechsel durchgeführt werden, so reicht die Ablösung des Ansatzes des M. tensor fasciae latae aus, um mit geraden Instrumenten in den Markraum des Femurs zu gelangen, um z. B. eine Geradschaftrevisionsprothese zu implantierten.

Muss das Femur über einen längeren Abschnitt dargestellt werden, wird am besten ein zweiter lateraler Zugang zum Femur gewählt, wobei dies auch mit einem Hautschnitt geschehen kann. Die Muskelbrücke, die dann entsteht, weil der M. vastus lateralis beim anterioren Zugang zur Hüfte lateral, beim lateralen Zugang zum Femur medial des Zugangs liegt, sollte nicht durchtrennt werden, weil sie die den M. vastus lateralis versorgenden Äste des N. femoralis enthält (Abb. 4; [11]).

Abb. 4
figure 4

a Links implantierte Pfanne bei vorderem Zugang im Leichenpräparat, rechts während der Präparation zum lateralen Zugang zum Femur. b In der Gewebebrücke rechts des Hohmannhebels in a zeigen sich nach Präparation den M. vastus lat. versorgende Äste des N. femoralis

Fazit für die Praxis

Bei Pfannenwechseln kann eine Glutealinsuffizienz mit Trendelenburg-Hinken auftreten, wenn durch Exposition des Ileums motorische Äste von Glutelanerven verletzt werden. Durch Verwendung des direkt anterioren Zugangs wird dieses Risiko minimiert.