Liebe Leserinnen und Leser,

Leistenschmerz ist bei Sportlern und sportlich aktiven Personen häufig, denn bis zu 5 % aller sportbedingten Schmerzzustände entfallen auf den Leistenschmerz. Bei Sportarten mit schnellen Dreh- und Beugebewegungen, wie z. B. im Fußball oder Tennis, ist die Inzidenz deutlich höher und beträgt bis 18 %. Bei Profifußballern ist er sogar die dritthäufigste Ursache für den Ausfall vom Spielbetrieb. Neben der Tatsache, dass Leistenbeschwerden gerade im Profisport eine klinisch häufige Fragestellung sind, ist die Leistenregion durch eine komplexe Anatomie gekennzeichnet und dem Zusammenspiel diverser Fachgebiete geprägt. Insbesondere zur korrekten Aufarbeitung von Schmerzzuständen, die sich auf die Leistenregion projizieren, ist ein enger Dialog zwischen Klinikern und Radiologen zur Festlegung der optimalen Bildgebung ganz entscheidend, denn man kann Leistenbeschwerden des Sportlers in extraartikuläre Ursachen, also außerhalb des Hüftgelenks, allen voran die Osteitis pubis oder Schambeinastentzündung, und intraartikuläre Ursachen unterteilen. Extraartikulärer Genese sind aber auch Spinalkanalstenosen, Wurzelkompressionssyndrome, neuromuskuläre Erkrankungen, Prozesse im kleinen Becken, seien sie nun entzündlicher oder tumoröser Natur, sowie Schleimbeutelentzündungen und Muskelverletzungen; alle diese Ursachen können sich als Leistenschmerzen manifestieren. Intraartikulär sind einerseits das femoroazetabuläre Impingement, Labrumläsionen, osteochondrale Läsionen, Frakturen oder ein transientes Knochenmarködemsyndrom sowie eine frühzeitige Koxarthrose als Beschwerdeursache möglich. Sie sehen schon anhand dieser Aufzählung, dass sich der Radiologe hier zur Festlegung der optimalen Bildgebung (fokussiert auf den Symphysenspalt, auf eine Darstellung des Hüftgelenks mittels direkter MR-Arthrographie oder auf einen Prozess im kleinen Becken, wie z. B. eine eingeblutete Ovarialzyste oder einen Endometrioseherd) unterschiedlicher Bildgebungsprotokolle bedienen muss. In diesem Zusammenhang sind das Themenheft und seine Beiträge zu sehen.

Das Themenheft beginnt mit „Leistenschmerzen beim Sportler – Was erwartet der Sportarzt vom Radiologen?“. Dr. Henning Ott aus Rheinfelden/Schweiz war lange Jahre Mannschaftsarzt der Profifußballmannschaft der TSG 1899 Hoffenheim und betreut nun den FC Aarau sowie den BSC Young Boys Bern. Er stellt schön heraus, dass die Komplexität der Verletzungen im Bereich der Leiste eine Herausforderung an alle an der Behandlung Beteiligten darstellt, den Radiologen eingeschlossen, und betont die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit zwischen Radiologen und Sportmedizinern. Gerade im Spitzensport lastet auf den betreuenden Ärzten, nicht zuletzt aufgrund der großen medialen Präsenz, ein enormer Druck, Ausfallzeiten kurz zu halten, und Trainer, Vereinsfunktionäre und Spieler fordern häufig eine exakte zeitliche Prognose der Rückkehr zum Leistungssport, die gerade bei chronischen Leistenschmerzen trotz aller Therapie nicht immer exakt möglich ist.

Anschließend folgt ein Beitrag, federführend von Dr. Kristina Bath aus Rostock, zum Thema „Stressfaktoren beim Sportler als Ursache von Leistenschmerzen“. Ermüdungs- und Stressfrakturen sind relativ häufige Verletzungen bei Sportlern, die aber bisweilen aufgrund untypischer oder mangelnder Klinik nicht oder erst spät diagnostiziert werden. Der Beitrag betont die Wertigkeit der MRT als Methode der Wahl zum Nachweis oder sicheren Ausschluss einer Stressfraktur.

Es schließt sich die Übersichtsarbeit, federführend von Prof. Dr. Martin G. Mack aus München, an zum Thema „Muskelverletzungen an der Leistenregion und apophysäre Verletzungen“, deren exakte Diagnostizierung und Gradeinteilung Grundvoraussetzung für die Einleitung einer zielgerichteten Therapie und damit für die Zeit zur Rückkehr zum Spielbetrieb ist. Hervorzuheben ist, dass Muskelverletzungen sowohl im Profi- als auch im Breitensport mit zunehmender Häufigkeit auftreten. Prof. Mack ist für die radiologische Betreuung des FC Bayern München zuständig und stellt die typischen Bildzeichen von Muskelverletzungen in der MRT und ein fokussiertes Bildgebungsprotokoll vor.

Darauf folgt ein Beitrag, federführend von Dr. Francesco Gaudino aus Rom/Italien, zum Thema „Osteitis pubis und Symphysitis pubis“. Hier wird ein auf die Symphysenregion optimiertes MRT-Bildgebungsprotokoll und die wichtigsten MRT-Bildzeichen einer Osteitis pubis vorgestellt. Des Weiteren werden Stadieneinteilungen der Osteitis pubis vorgestellt, die prognostische Güte haben.

Es folgt ein Gemeinschaftswerk von Dr. Andreas Koch, Cottbus, und Dr. Ulrike Muschaweck, München, zum Thema „Sportlerleiste – Begriffsbestimmung, Differenzialdiagnostik und Therapie“. Dr. Koch ist u. a. Mannschaftsarzt des FC Energie Cottbus und ebenso wie Dr. Muschaweck ausgewiesener Experte im Gebiet der Hernienchirurgie. Die Autoren verdeutlichen, dass die fachübergreifende Abklärung von besonderer Bedeutung ist, da es eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen für den Leistenschmerz bei Sportlern gibt. Ebenso wird ausgeführt, dass die sog. Sportlerleiste selbst keine Hernie, sondern durch ihren typischen Schmerzcharakter und sonographischen Nachweis einer messbaren Protrusion der Leistenkanalhinterwand als eigene Entität zu verstehen ist.

Es schließt sich ein Beitrag, federführend von Prof. Dr. Christian Czerny aus Wien, an zum Thema Labrumpathologien des Hüftgelenks. Diese sind mit der MR-Arthrographie am besten und verlässlichsten zu erfassen. Neben Labrumveränderungen spielen aber auch Knorpelschädigungen eine entscheidende Rolle, auch hinsichtlich der Therapieplanung. Es werden die gebräuchlichsten Klassifikationen sowie ein neuer Klassifikationsvorschlag nach Czerny/Nöbauer vorgestellt.

Das Themenheft schließt mit einem Beitrag, federführend von Prof. Dr. Andreas Heuck aus München, zum Thema „Femoroazetabuläres Impingement – Update 2019“. Das Expertenteam aus München berichtet über die grundlegenden Konzepte des femoroazetabulären Impingements, welche Diagnoseverfahren zum Ausschluss oder Nachweis am besten geeignet sind und unterstreichen, dass die Diagnose eines femoroazetabulären Impingements primär klinisch gestellt wird, aber dass radiologische Verfahren eine zentrale Bedeutung für die Detektion und Charakterisierung zugrundeliegender Deformitäten des Femurkopfes bzw. des Azetabulums haben.

Insgesamt hoffe ich, dass Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dieses Themenheft einen umfassenden Überblick über diese spezielle und anatomisch herausfordernde Region sowie das komplexe Krankheitsbild des Leistenschmerzes beim Sportler liefert. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und hoffe, Sie finden diese Zusammenstellung hilfreich und interessant für Ihre praktische Tätigkeit.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

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Prof. Dr. Marc-André Weber