Infektionskrankheiten stellen nach wie vor die häufigste Krankheitsgruppe weltweit dar, Mortalität und infektionsbedingte Kosten für die Weltgesundheitssysteme sind hoch [1]. Jahrzehntelang bestand die Strategie darin, durch eine verbesserte soziale Situation, neue Präventionsmechanismen und weiterentwickelte Antibiotikatherapie die Infektionskrankheiten einzudämmen. Gerade unter dem Gesichtspunkt steigender Resistenzen gegen Tuberkulose, Malaria und verschiedener bakterieller Erreger, sowie der zunehmenden Ausbreitung viraler Erkrankungen wie AIDS muss diese Strategie als gescheitert angesehen werden. Lungenentzündungen nehmen dabei sowohl unter den ambulant erworbenen als auch unter den noskomialen Infektionen eine Spitzenstellung ein [2]. Im Folgenden sollen die Grundsätze der Epidemiologie, Diagnostik und Therapie von Pneumonien entsprechend des aktuellen Stands des Wissens präsentiert werden.

Definition des Krankheitsbildes

Eine Infektion des Alveolarraums, die zur Akkumulation von Entzündungszellen und von Sekret in den Alveolen und zu einer Störung des Gasaustauschs führt, wird als Pneumonie bezeichnet [3]. Frühere Klassifikationen orientierten sich wechselseitig an pathologischen (Lobär- oder Bronchopneumonie) oder mikrobiologischen (typische—Pneumokokken, Staphylokokken oder gram-negative Keime—oder atypische—Chlamydien, Mykoplasmen, Legionellen—Erreger) Unterschieden einzelner Pneumonieformen [4]. Eine Reihe von Studien konnte zeigen, dass weder die Differenzierung zwischen typisch und atypisch [5] noch eine an der morphologischen Veränderung orientierte Einteilung [6] verwertbare Hinweise für die Therapie dieser Infektion liefern können.

Die Unterscheidung in ambulant erworbene oder im Krankenhaus entstandene Pneumonien hat sich heute aufgrund der Konsequenzen für das diagnostische und therapeutische Vorgehen etabliert [7]. Als 3. Gruppe werden Pneumonien bei immunsupprimierten Patienten (nach Chemotherapie oder Transplantation bzw. bei Patienten mit Systemerkrankung oder AIDS) unterschieden, da hier opportunistische Erreger (Pneumocystis carinii, Pilze, Viren) im Vordergrund stehen. Die empirische Primärtherapie unterscheidet sich deswegen deutlich von der anderer Formen [8]. Die Besprechung dieser Sonderform der Pneumonie ist jedoch nicht Gegenstand dieser Übersicht.

Jede Pneumonie, bei der der auslösende Erreger außerhalb des Krankenhauses aufgenommen wurde, wird als ambulant erworben bezeichnet. Unter nosokomialer Pneumonie wird dagegen jede Infektion verstanden, die 48 h oder später nach Krankenhausaufnahme oder in den ersten 14 Tagen nach Krankenhausentlassung auftritt [7].

Schon bei der Definition der Pneumonie gibt es erhebliche Differenzen zwischen einzelnen Fachgesellschaften. Beweisend für das Vorliegen der Erkrankung ist allein der pathologische Befund, verbunden mit einem positiven Keimnachweis im Gewebe [9]. Biopsiematerial ist jedoch in der Regel von Pneumoniepatienten nicht erhältlich. Auch das Röntgenbild des Thorax wird selbst bei optimaler Untersuchungstechnik gelegentlich erst im Verlauf der Erkrankung positiv, bei der Erstdiagnostik ist oft kein Infiltrat fassbar. Alle anderen der unten aufgeführten klinischen Befunde bei Pneumonie finden sich in wechselnder Ausprägung, jedoch nie gleichzeitig und bei allen Patienten.

Die European Respiratory Society führte deswegen ein anhand des klinischen Bildes als "ambulant erworbene untere Atemweginfektion" ("community acquired lower respiratory tract infection") bezeichnetes Krankheitsbild ein, das die akute Bronchitis mit purulentem Sputum (eitrige Tracheobronchitis), die Exazerbation der chronischen Bronchitis, die Influenzainfektion und die Pneumonie erfasst [10]. Eine Definition der Pneumonie mit Hilfe des radiologischen Infiltrats wurde nicht versucht, weil man der Ansicht war, dass Röntgenbilder in der ambulanten Medizin nur selten durchgeführt würden und dass sie nicht wegweisend für die Therapieentscheidung seien.

Für dieses Vorgehen spricht, dass sich die Keimspektren zwischen unterer und oberer Atemwegsinfektion (mit Ausnahme der atypischen Erreger) praktisch nicht unterscheiden [11]. In der klinischen Praxis führt eine solche erweiterte Definition von Atemwegsinfektion allerdings zu einem vermehrten Einsatz von Antibiotika auch bei banalen Infekten [12]. Die Folge ist eine häufig unterdosierte, zu kurze Behandlung mit Antibiotika, was wiederum einen der wesentlichen Risikofaktoren für die Entstehung von Antibiotikaresistenzen darstellt [13].

Im angloamerikanischen Sprachraum wird deswegen das Vorhandensein eines neuen oder progressiven Infiltrats im Röntgenbild (Abb. 1) als Conditio sine qua non der Pneumoniediagnose angesehen [9]. Klinische Befunde (Auskultationsbefund, Fieber, Husten und Auswurf, Dyspnoe, Thoraxschmerz und Entzündungszeichen im Serum) werden zusätzlich als Hilfskriterien in Anspruch genommen (Tabelle 1).

Abb. 1.
figure 1

Pneumokokkenlobärpneumonie

Tabelle 1. Diagnosekriterien der Pneumonie

Im deutschen Kompetentnetz "ambulant erworbene Pneumonie" wurde letzteres Vorgehen unterstützt, da das Röntgenbild über die Frage nach einem pneumonischen Infiltrat hinaus, wichtige Zusatzinformationen liefert. So ist beispielsweise beim über 45-jährigen Raucher eine Pneumonie in einer nennenswerten Zahl von Erkrankungen Folge einer Tumorerkrankung. Pneumonien bei Patienten mit Herzinsuffizienz verlaufen schwerer und sollten schneller zu einer Krankenhauseinweisung führen. In beiden Fällen hilft das Röntgenbild bei der Diagnosefindung [14]. Zudem sind gerade bei alten Menschen, bei denen die Sterblichkeit aufgrund dieser Erkrankung am höchsten ist, klinische Symptome häufig gering ausgeprägt, sodass eine Pneumonie hier leicht übersehen wird [15].

Ambulant erworbene Pneumonie

Epidemiologie

Die ambulant erworbene Pneumonie (Community Acquired Pneumonia, CAP) ist die häufigste registrierte Erkrankung weltweit [1]. Rund 2–3 Mio. Fälle werden in den USA pro Jahr festgestellt [16]. Dies führt zu 10 Mio. Hausarztkontakten und etwa 500.000 Krankenhauseinweisungen pro Jahr, eine Inzidenz von 258 Hospitalisierungen pro 100.000 Einwohner. Die Einweisungsrate ist altersabhängig, die höchste Rate wird in der Gruppe der über 65-Jährigen gefunden. In dieser Gruppe beträgt die Hospitalisierungsinzidenz 1000 pro 100.000 Einwohner im Jahr [17]. Insgesamt wird für die USA mit 8 Mrd. US-$ für die Pneumoniebehandlung gerechnet, die in der Mehrzahl auf ältere und hospitalisierte Patienten entfallen (Tabelle 2; [18]).

Tabelle 2. Kosten für die Pneumoniebehandlung in den USA pro Jahr. (Mod. nach [18])

Vergleichbare epidemiologische Daten für Deutschland gibt es nicht, da aus den Krankenkassendaten keine Rückschlüsse auf die Häufigkeit von Erkrankungen, die ausschließlich im ambulanten Bereich behandelt werden, möglich sind. Das statistische Bundesamt gibt für 1998 insgesamt 239.000 Patienten an, die mit der Hauptdiagnose Pneumonie in deutschen Krankenhäusern behandelt wurden [14]. Dies beinhaltet allerdings sowohl im Krankenhaus erworbene als auch ambulant entstandene Infektionen. Geht man jedoch davon aus, dass mehr als 2/3 aller Pneumoniefälle außerhalb des Krankenhauses entstehen, muss man mit annähernd 800.000 Fällen ambulant erworbener Pneumonie pro Jahr in Deutschland rechnen.

Tabelle 3 zeigt die Hospitalisierungsrate von Pneumoniepatienten im Verhältnis zu anderen Infektionskrankheiten und wichtigen sonstigen Erkrankungen. Unschwer wird deutlich, dass CAP den Stellenwert einer Volkskrankheit mit allen medizinischen und ökonomischen Folgen einer solchen Erkrankung hat.

Tabelle 3. Erstdiagnose bei Aufnahme ins Krankenhaus (Statistisches Bundesamt, mod. nach [14])

Mortalität

Neben der hohen Morbidität ist CAP für eine beachtliche Zahl an Todesfällen ursächlich verantwortlich. In den USA ist es die sechsthäufigste Todesursache überhaupt, wobei eine Steigerung von 0,5–1% jährlich zu verzeichnen ist [2]. Gründe hierfür sind einerseits die veränderte Bevölkerungsdemographie mit Steigerung der Lebenserwartung andererseits die bessere Therapie chronischer Erkrankungen, ältere Patienten mit verschiedenen Begleiterkrankungen sind jedoch anfälliger für Infektionskrankheiten [9]. Während die Letalität an CAP im ambulanten Bereich mit knapp 1% gering ist, kann sie bei hospitalisierten Patienten bis auf 20% ansteigen [19].

In Deutschland liegt die durchschnittliche Mortalität von Patienten mit Pneumonie zurzeit um 14%, wobei genaue Daten nur für im Krankenhaus behandelte Patienten bestehen [14].

Risikoabschätzung

In den USA wurden anhand einer retrospektiven Analyse von mehr als 100.000 Patientenfällen ein Risikoprofil für eine erhöhte Sterblichkeit an einer Pneumonie ermittelt. Tabelle 4 zeigt den sog. Fine-Score, in dem für verschiedene anamnestische Faktoren und pathologische Untersuchungs- und Laborbefunde Punkte verteilt werden. Oberhalb einer Punktzahl von 90 (entspricht Fine-Klasse IV) wird eine stationäre Aufnahme des Patienten empfohlen [20].

Tabelle 4. Fine-Score zur Risikoabschätzung von Pneumoniepatienten. (Mod. nach [20])

Der Nachteil dieser Klassifikation ist darin zu sehen, dass ein Großteil der verwendeten Laborwerte üblicherweise im ambulanten Bereich nicht erhoben werden. Die britische pneumologische Gesellschaft hat sich daher in ihrem Risikostratifizierungssystem an einfachen klinischen Parametern orientiert. So verpflichten 2 der folgenden 3 Parameter in Großbritannien zu einer stationären Einweisung:

  • Atemfrequenz >30/min,

  • systolischer Blutdruck <90 mmHg oder diastolischer Blutdruck ≤60 mmHg oder

  • neu aufgetretene Verwirrtheit des Patienten.

Findet sich bei der Aufnahme im Krankenhaus zusätzlich noch ein über 7 mmol/l erhöhter Serumharnstoff in der Laboruntersuchung sollte der Patient auf die Intensivstation übernommen werden [21].

Diagnostik

Das Spektrum der klinischen Befunde lässt sich in Allgemeinsymptome (Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, u. a.) und respiratorische Symptome (Husten, purulenter Auswurf, Luftnot, Thoraxschmerz, Hämoptysen) aufteilen. Tachypnoe und Tachykardie sind häufig zu beobachtende Zeichen. Beim alten Menschen treten diese Symptome jedoch deutlich seltener (Tabelle 5) und zudem auch erst später auf als beim jüngeren Menschen. Hier muss schon bei relativer Symptomarmut an eine Pneumonie gedacht werden.

Tabelle 5. Häufigkeit der wichtigsten Allgemein- und Atemwegssymptome in Abhängigkeit vom Alter. (Mod. nach [15])

Das Röntgenbild stellt die Grundvoraussetzung der Pneumoniediagnose dar

Der klassische Auskultationsbefund umfasst mittel- bis feinblasige Rasselgeräusche über dem betroffenen Areal, perkutorisch kommt es bei größeren Pneumonien zu einer Klopfschalldämpfung. Auch wenn dem Auskultationsbefund aus meiner klinischen Erfahrung eine besonders wichtige Bedeutung zukommt, ist er jedoch nicht in jedem Falle positiv und damit diagnostisch verwertbar.

Das Röntgenbild stellt neben den klinischen Befunden die Grundvoraussetzung der Pneumoniediagnose dar und sollte, wann immer möglich, als Stehendbild in 2 Ebenen angefertigt werden.

Laborparameter sind für die Diagnose einer Pneumonie von untergeordneter Bedeutung, sie spielen jedoch, wie oben dargestellt, für die Schweregradeinteilung eine entscheidende Rolle. Eine Basisdiagnostik mit Entzündungswerten, Retentionswerten, Gerinnungswerten und Elektrolyten sollte daher bei jedem ins Krankenhaus aufgenommenen Patienten durchgeführt werden. Im Krankenhaus sollte zumindest die Oxygenierung (über Pulsoxymetrie) bestimmt werden, besser ist eine arterielle oder kapilläre Blutgasanalyse.

Mikrobiologische Diagnostik

Die Untersuchung von Atemwegsmaterial ist schwierig. Rund 40% der Patienten (Tabelle 5) produzieren kein Sputum [15]. Ist Sputum vorhanden, bleiben immer noch eine Reihe von Fehlermöglichkeiten, die die Auswertung dieses Materials belasten. Für eine mikrobiologische Diagnostik ist Sputum nur dann nutzbar, wenn es aus den tiefen Atemwegen kommt. Jedoch sind 90% aller Patienten nicht in der Lage ausreichend abzuhusten und liefern Spucke anstelle vom Sputum zur Auswertung ab. Der Nachweis von weniger als 25 Plattenepithelien pro Gesichtsfeld und von einer deutlich erhöhten Granulozytenzahl spricht für ein gutes Material.

Bronchoskopisch gewonnenes Sekret ist in der Regel qualitativ besser als Sputum, jedoch im ambulanten Bereich nur selten zu erhalten. Atemwegspathogene sind in der Regel ausgesprochen umweltempfindlich, wenn sie nicht 3–4 h nach Gewinnung im mikrobiologischen Labor kultiviert werden, sind sie abgestorben. Normale Keimflora des oberen Respirationstrakts wie Neisserien oder vergrünende Streptokokken sind wesentlich umweltresistenter und finden sich auch bei späterer Anzüchtung noch in der Kultur, sie können jedoch nie als Auslöser einer Pneumonie angeschuldigt werden [22].

Aus den genannten Gründen wird empfohlen, im ambulanten Bereich auf eine mikrobiologische Diagnostik zu verzichten. Einzig bei Verdacht auf eine Legionelleninfektion kann über den Antigentest im Urin eine schnelle und zuverlässige Diagnose gestellt werden.

Im Krankenhaus sollte dagegen eine mikrobiologische Diagnostik angestrebt werden. Wenn irgend möglich, sind alle Materialien vor Beginn einer Antibiotikatherapie zu gewinnen [23]. Neben dem Atemwegsmaterial lohnt es sich Blutkulturen abzunehmen, da bakteriämische Infektionen bei einzelnen Erregern wie Pneumokokken häufig sind und die Prognose der Erkrankung beeinflussen. Serologische Untersuchungen auf Mykoplasmen, Chlamydien oder Legionellen sind nur bei primär hohem IgM- bzw. IgA-Titer oder anhand des Titerverlaufs verwertbar, die Ergebnisse kommen jedoch in der Regel so spät, dass sie keinen Einfluss mehr auf die Therapiegestaltung haben. Außerhalb von Studien sollte man daher auf serologische Untersuchungen verzichten.

Antigentests sind bisher nur zur Legionellendiagnostik etabliert [24]. Der Pneumokokkenantigentest befindet sich in der klinischen Prüfung, bisher wird er jedoch nur bei bakteriämisch verlaufenden Infektionen positiv [25]. DNA- oder RNA-basierte Diagnostik (auf der Basis einer Polymerase Chain Reaction, PCR) sind hochsensitiv, die Spezifität ist jedoch aufgrund von Kontaminationsmöglichkeiten so schlecht, dass sie zurzeit im klinischen Alltag nicht benutzt werden sollte. Weiter verbesserte Testverfahren sind jedoch in den nächsten Jahren zu erwarten.

Im Bereich der Intensivmedizin und bei Therapieversagern einer primären antibiotischen Therapie sollte man immer eine bronchoskopische Diagnostik erwägen.

Erregerspektrum

Pneumokokken stellen nach wie vor den weltweit wichtigsten Pneumonieerreger dar (Tabelle 6). Während allerdings penicillinresistente Pneumokokken in Ländern wie USA, Südafrika, Spanien, Frankreich oder Ungarn inzwischen ein erhebliches Problem sind (>40% resistenter Stämme), ist die Resistenzrate bei uns mit weniger als 1% resistenter Stämme weiterhin gering [26]. Größere Probleme stellen makrolidresistente Pneumokokken dar (15–20% resistente Stämme), sodass diese Antibiotika in der First-line-Therapie umstritten sind.

Tabelle 6. Erregerspektrum bei ambulant erworbenen Pneumonien. (Mod. nach [28])

Zweitwichtigster Erreger sind Hämophilius influenzae und die atypischen Erreger Mykoplasma und Chlamydia pneumoniae. Die Inzidenz letzterer ist aufgrund der Schwierigkeiten in der Diagnostik dieser Keime nicht sicher zu bestimmen. Legionelleninfektionen spielen in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle (<1% aller Erreger). Bei älteren und kränkeren Patienten (vor allem aus Alten- und Pflegeheimen) kommt gramnegativen Enterobakterien und aspirationstypischen Erregern wie Staphylokokkus aureus oder Anaerobiern eine Bedeutung zu, diese sollten durch die Therapie abgedeckt werden [27].

Viruspneumonien (Influenza-, Adeno-, RSV-, Picornavirus) sind wahrscheinlich häufiger als bisher angenommen (ca. 20% aller Pneumonien), werden aber nur selten diagnostiziert, da der Direktnachweis bzw. die Identifikation durch PCR aufwendig und teuer ist.

Selbst in sorgfältig durchgeführten Studien gelingt in 1/3 bis 1/4 der Fälle kein Erregernachweis, obwohl eine gesicherte Pneumonie vorliegt. Die oben angeführten Schwierigkeiten in der Diagnostik einerseits und antibiotische Vorbehandlung andererseits sind als Grund anzusehen.

Therapie

Die antimikrobielle Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie muss umgehend und in Unkenntnis des Erregers eingeleitet werden [29]. Sowohl eine verzögerte als auch eine inadäquate Antibiotikagabe sind für die Prognose der Erkrankung nachteilig. Die initiale antimikrobielle Therapie erfolgt daher kalkuliert auf dem Boden des regional definierten Erreger- und Resistenzspektrums sowie unter Berücksichtigung des Schweregrades der Pneumonie und individueller Risikofaktoren [28]. Das Erregerspektrum unterscheidet sich regional z. T. erheblich, die im Folgenden formulierten Therapieempfehlungen können daher nur einen Orientierungspunkt darstellen [26]. Kontinuierliche lokal bezogene Resistenzstatistiken müssen als Grundlage für die permanente Anpassung der Therapierichtlinien gelten.

Die heute verfügbaren antimikrobiellen Substanzen sind hochpotent und führen in über 90% der Fälle zu einem Therapieerfolg. Wir unterscheiden ältere Substanzen wie Penicilline und Cephalosporine (diese beiden Substanzgruppen werden unter dem Begriff β-Laktamantibiotika zusammengefasst), Makrolide, Tetrazykline und Chinolone der Gruppe 2 von neueren Antibiotikaentwicklungen. Zu den neueren Substanzen gehören Ketolide (Telithromycin), eine Weiterentwicklung der Makrolidantibiotika, die auch gegenüber der Mehrzahl der makrolidresistenten Pneumokokken wirksam sind [30] und neuere Chinolone wie Levo-, Moxi- oder Gatifloxacin, die sich durch eine verbesserte Wirksamkeit gegenüber Kokken und atypischen Erregern bei gleichbleibend guter Effizienz gegenüber gramnegativen Stäbchen (Ausnahme: Pseudomonas aeruginosa) auszeichnen [31].

Für schwerer kranke Patienten mit Aspirationspneumonie steht mit Ertapenem ein einmal zu applizierendes Carbapenem zur Verfügung, dass sich durch eine gute Wirksamkeit gegenüber Kokken und gramnegativen Erregern auszeichnet und zusätzlich anaerob effektiv ist [32]. Die Effektivität gegenüber Pseudomonas ist jedoch ebenfalls gering. Für Problemkeime wie methacillinresistente Staphylokokken (MRSA) wurde mit dem Oxazolidinon Linezolid eine völlig neue Substanz mit hervorragender Gewebepenetrabilität und damit guter Wirksamkeit in der Lunge entwickelt. Im ambulanten Bereich stellen solche Probleminfektionen zurzeit jedoch noch eine Rarität dar.

Die therapeutischen Empfehlungen richten sich heute danach, wo die Infektion behandelt wird (ambulanter Bereich, Normalstation, Intensivstation) und nach dem Vorliegen von individuellen Risikofaktoren des Patienten. Dabei kommt einer vorbestehenden Lungenerkrankung oder einer Herzerkrankung die größte Bedeutung zu. Tabelle 7 fasst die wichtigsten Richtlinien zusammen [33].

Tabelle 7. Risikostratifizierte Therapieempfehlung für die ambulant erworbene Pneumonie. (Mod. nach [33])

Neue Studien zeigen, dass bei Patienten mit einer Antibiotikavorbehandlung in den letzten 3 Monaten vor der jetzigen Pneumonieepisode, bei einem Krankenhausaufenthalt im letzten Monat vor der jetzigen Erkrankung und bei Patienten mit Lungenvorerkrankungen mit einem erhöhten Risiko gramnegativer Pneumonien gerechnet werden muss. Bei diesen Patienten finden sich auch im ambulanten Bereich Pseudomonaspneumonien [34], daher sollte eine Pseudomonas erfassende Therapie bei allen Patienten mit diesem Risikoprofil angestrebt werden. Pseudomonaswirksame Antibiotika sind Piperacillin, Ceftazidim, die Carbapeneme Imipenem und Meropenem und die Fluorchinolone Ciprofloxacin und Levofloxacin [35]. Viele der oben erwähnten neuen Substanzen (Ertapenem, Moxi- oder Gatifloxacin) haben nur geringe oder keine Wirksamkeit gegenüber Pseudomonaden.

Die oben beschriebenen Richtlinien für Diagnostik und Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie gelten weitgehend auch für die von der ERS als untere Atemwegsinfektion definierten Erkrankung. Abweichend von diesen Empfehlungen muss selbstverständlich bei Influenzaverdacht vorgegangen werden [36].

Für die Exazerbation der chronischen obstruktiven Bronchitis (COPD) hat sich heute ein Vorgehen etabliert, dass sich am Grad der Lungenfunktionseinschränkung vor Beginn der Exazerbation orientiert [37]. Grund hierfür ist, dass sich bei gering eingeschränkten Patienten ein Keimspektrum findet, dass dem der ambulant erworbenen Pneumonie ähnlich ist. Mit zunehmender Obstruktion setzen sich jedoch gramnegative Enterobakterien und Pseudomonas durch, sodass die Exazerbationstherapie auf in diesem Bereich wirksame Antibiotika auszudehnen ist [38]. Ein positiver Effekt der antibiotischen Therapie der COPD-Exazerbation ist jedoch nur für Patienten belegt, bei denen es zu einer deutlichen gelb-grünlichen Verfärbung des Sputum gekommen ist [39].

Therapiedauer

Kontrollierte Studien zur Frage der notwendigen Therapiedauer bei ambulanter Pneumonie fehlen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nur in seltenen Fällen länger als 7 Tage therapiert werden muss [21]. Längere Therapiezeiten bis 14 Tage sind bei Legionelleninfekten und bei schweren Staphylokokken- und Pseudomonaspneumonien (v. a. bei Lungenabszess oder Pleuraempyem) anzustreben.

In der Regel sollte bei ambulant erworbener Pneumonie eine orale Therapie angestrebt werden. Dies ist bei älteren Patienten und im Intensivbereich häufig nicht möglich. Nach 3-tägiger parenteraler Therapie muss jedoch evaluiert werden, ob wieder eine zuverlässige orale Tablettenaufnahme durchführbar ist. Wenn dies der Fall ist und der Patient sich klinisch deutlich gebessert hat, kann von parenteral auf oral (sogenannte Switchtherapie) gewechselt werden [40].

Therapieversager

Wenn sich 72 h nach antimikrobieller Therapie keine klinische Besserung zeigt, muss von Therapieversagen ausgegangen werden. Diese stellen eine große Herausforderung dar [41]. Die Ursachen sind außerordentlich komplex. Behandelbare Ursachen umfassen

  • das Vorliegen ungewöhnlicher Erreger,

  • Komplikationen,

  • mikrobielle Resistenz,

  • nosokomiale Superinfektionen sowie

  • eine Reihe von Erkrankungen, die eine Pneumonie nur imitieren (z. B. Tumor- oder Lungengerüsterkrankungen, immunologische Erkrankungen, kardiale Stauung).

Komplikationen einer Pneumonie können Lungenabszesse oder die Entwicklung eines Pleuraempyems sein. Vor allem bei Pneumonien nach Aspirationsprozessen muss an diese Komplikation gedacht werden. Die Einführung gewebegängiger Antibiotika und die Drainagebehandlung mit lokaler Lysetherapie hat dazu geführt, dass die meisten Abszesse und Empyeme konservativ beherrscht werden können [21]. Nur bei erfolgloser antibiotischer Therapie ist eine chirurgische Intervention notwendig.

Das größte Problem stellen Therapieversager dar, die nicht eigentlich durch eine fehlende Wirksamkeit der antimikrobiellen Substanz zustande kommen, sondern durch die antimikrobiell nicht mehr kontrollierbaren Folgen der inflammatorischen Reaktion im Rahmen der schweren Sepsis. In diesen Fällen kommt die antimikrobielle Therapie zu spät.

Ein kleiner Teil der Fälle bleibt ungeklärt und stellt lediglich eine verzögerte Abheilung dar. Hierfür müssen besondere Wirtsfaktoren verantwortlich gemacht werden [41].

Zuletzt darf nicht vergessen werden, dass Antibiotika selbst für Fieber verantwortlich sein können (sog. "drug fever"). Passen Entzündungswerte, klinisches Bild und Temperatur nicht zusammen, sollte ein Auslassversuch der Antibiotikatherapie gestartet werden. In der Regel entfiebern die Patienten im Falle einer Medikamenteninduktion der erhöhten Temperatur 24 h nach Absetzen des Antibiotikums [42].

Prophylaxe

Pneumokokken stellen wie oben gesagt den wichtigsten Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie dar. Die momentan verfügbaren Pneumokokkenimpfstoffe erfassen etwa 75% der Pneumokokkenserotypen und bieten von daher einen zuverlässigen Schutz gegen die meisten Infektionen mit diesem Erreger [43]. Aufgrund der erhöhten Sterblichkeit alter Menschen wird diese Impfung bei allen über 65-Jährigen empfohlen. Lungenkranke Patienten (COPD, Bronchiektasenerkrankung) sollten sich jedoch grundsätzlich impfen lassen. Die Pneumokokkenimpfung sollte einmal alle 5 Jahre durchgeführt werden. Verbesserte Impfstoffe sind zurzeit in Entwicklung, sodass mit einem noch umfassenderen Schutz gerechnet werden kann.

Wie schon oben erwähnt sind Virusinfektionen in bis zu 20% der Fälle ursächlich oder mittelbar für das Entstehen einer ambulant erworbenen Pneumonie verantwortlich [44]. Dem Influenzavirus kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die jährliche Influenzaimpfung hilft, die meisten dieser Infektionen zu vermeiden und sollte daher generell empfohlen werden [45].

Pneumonieforschung in Deutschland

Trotz der Bedeutung der ambulant erworbenen Pneumonie fehlen in Deutschland zuverlässige Daten zum Erregerspektrum, zur Resistenzsituation der Erreger und zum Verlauf der Erkrankung. Auch die Anwendbarkeit verschiedener internationaler Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie auf Deutschland ist nicht gesichert. Grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse über die Interaktion von Erregern mit Wirtszellen sind nur unzureichend verstanden, dies ist jedoch für die Entwicklung alternativer therapeutischer Strategien von zentraler Bedeutung.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat diese Defizite erkannt. Es fördert ein Projekt (Kompetenznetzwerk ambulant erworbene Pneumonie, kurz CAPNETZ), das versucht, durch eine Vernetzung verschiedener in Deutschland mit diesem Krankheitsbild beschäftigter Gruppen aus allen Bereichen der Medizin neue deutschlandspezifische Daten zu ermitteln [14]. Hierbei werden niedergelassene Ärzte, Krankenhausärzte, Mikrobiologen, Virologen, Epidemiologen und Informatiker zusammenarbeiten. Zirka 6000 Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie sollen landesweit erfasst werden (Abb. 2). Die verantwortlichen Erreger werden angezüchtet und deren Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika ermittelt. Alle klinischen und mikrobiologischen Daten werden zusammengeführt und es wird eine zentrale Material- sowie Informationsbank erstellt. Ausgehend von diesem Datenmaterial werden u. a. folgende Fragestellungen bearbeitet:

Abb. 2.
figure 2

In CAPNETZ zusammengeschlossene Zentren in Deutschland

  1. 1.

    Wie häufig verursachen welche Erreger eine ambulant erworbene Pneumonie?

  2. 2.

    Wie ist die Resistenzsituation der Erreger gegenüber Antibiotika in Deutschland?

  3. 3.

    Gibt es im Blut bestimmte Werte, die eine Vorhersage erlauben, ob der Patient eine besonders schwere Pneumonie erleidet?

  4. 4.

    Ist das zzt. in Deutschland praktizierte Vorgehen bei dieser Krankheit ökonomisch?

  5. 5.

    Müssen bestehende offizielle Empfehlungen zur Diagnose und Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie überarbeitet werden?

  6. 6.

    Wie kann eine bessere Akzeptanz von Impfungen erreicht werden?

  7. 7.

    Was bringt Bakterien dazu, Schleimhäute nicht nur zu besiedeln, sondern invasiv zu werden? Warum kann die körpereigene Abwehr die Erkrankung nicht verhindern?

Die Ergebnisse von CAPNETZ sollen nicht nur den Teilnehmern zur Verfügung gestellt werden. Es ist vorgesehen, internetbasiert eine mehrdimensionale Informationsplattform zu schaffen, die Ärzte und Patienten nutzen können. Instrumente wie "Meet the expert" und Chat-Funktionen stehen zur Verfügung, um aktuelle Informationen und Empfehlungen abzufragen.

CAPNETZ soll damit die Grundlage für ein erweitertes Verständnis der Erkrankung Pneumonie und eine bessere und umfassendere Versorgung der Patienten liefern.

Nosokomiale und beatmungsassoziierte Pneumonie

Pathophysiologie und Epidemiologie

Die nosokomiale Pneumonie ist die häufigste im Krankenhaus erworbene Infektion—sowohl insgesamt als auch im Intensivbereich [2]. Die Intubation ist dabei der mit Abstand wichtigste Risikofaktor für das Auftreten einer solchen Infektion [46]. Die beatmungsassoziierte Pneumonie (Ventilator Associated Pneumonia, VAP; Abb. 3) ist somit eines der zentralen Probleme im Intensivbereich.

Abb. 3.
figure 3

Beatmungsassoziierte Pneumonie des linken Unterlappens

Grund dafür ist, dass es mit zunehmender Beatmungsdauer zu einer Kolonisation des Oropharyngealraums mit pathogenen Erregern kommt. Diese werden am nicht vollständig dicht abschließenden Tubus-Cuff vorbei in die Atemwege aspiriert [47]. Humorale und zelluläre Schutzfunktionen des Epithels sind durch die Überdruckbeatmung selbst beeinträchtigt, was den Infektionsvorgang begünstigt und beschleunigt. Daneben kommt der Übertragung von Keimen zwischen Patienten (sog. "Cross-Infektion") durch ärztliches und pflegerisches Personal eine wesentliche Bedeutung zu, wobei mangelnde Händehygiene als wesentlicher Risikofaktor erkannt ist [48].

Die Wahrscheinlichkeit, eine Pneumonie zu erwerben, steigt mit der Länge der Beatmungszeit. Bei Langzeitbeatmeten (>10 Tage) entwickeln mehr als 75% der Patienten eine Pneumonie. Die Gesamtinzidenz der VAP beträgt nach neueren Untersuchungen im Bereich internistischer Intensivstationen 12,1%, das entspricht 16,5 Fälle pro 1000 Patiententagen [49]. Die Kosten für die Behandlung einer VAP—vor allem aufgrund der Verlängerung der Intensivliegezeit—betragen etwa 15.000 DM, was bei einer Inzidenz von 100.000 bis 120.000 beatmungsassoziierten Pneumonien/Jahr in Deutschland zu einer Belastung des Gesundheitssystems von 1,5 Mrd. Mark führt [50].

Diagnostik

Alle Untersuchungen der letzten Jahre belegen, dass klinische, radiologische und mikrobiologische Parameter auch zusammengenommen keine ausreichende Sensitivität erreichen, um die Diagnose einer Pneumonie im Intensivbereich zuverlässig zu stellen. Fagon zeigte schon 1993, dass auch erfahrene Intensivmediziner im besten Fall nur mit einer Zuverlässigkeit von 70% eine Pneumonie diagnostizieren können. Bei unerfahrenen Ärzten sinkt die Sensitivität unter 50% [51].

Es gibt kein pathognomisches radiologisches Zeichen für eine Pneumonie

Auch die Zuhilfenahme radiologischer Kriterien bessert die Diagnosezuverlässigkeit nur bedingt. Wunderink konnte belegen, dass es kein pathognomisches Zeichen für eine Pneumonie im Röntgenbild gibt. Unter 8 untersuchten, von Experten als pneumonietypisch eingestuften Röntgenkriterien zeigte nur das beidseitige Luftbronchogramm mit knapp 70% eine ausreichende Sensitivität [52]. Dieses Zeichen findet man jedoch in der Regel nur bei sehr schweren Pneumonieverlaufsformen.

Auch die anfängliche Euphorie hinsichtlich invasiver Bronchoskopieverfahren mit semiquantitativer Aufarbeitung des gewonnenen Materials ist inzwischen gewichen. Ein Vorteil der invasiven Methodik gegenüber den "klassischen" diagnostischen Kriterien konnte hinsichtlich Mortalität und Morbidität beatmeter Patienten bisher nicht gezeigt werden [53]. Eine Überlegenheit scheint nur in Teilbereichen wie der Diagnostik opportunistischer Infektionen vorhanden zu sein [8].

Das Dilemma wird am deutlichsten durch die Arbeit von Meduri belegt, der zeigte, dass bei 45 Patienten, bei denen erfahrene Intensivmediziner glaubten, dass eine beatmungsassoziierte Pneumonie vorliegt, nur in 23 Fällen trotz maximaler Diagnostik, eine solche zu beweisen war. Die übrigen 22 Patienten litten an anderen Infektionen (Sinusitis, Cholangitis, Endokarditis, Katheterinfektion, Harnwegsinfekt oder Peritonitis), oder es ließ sich trotz Einsatz aller verfügbaren diagnostischen Maßnahmen gar keine Infektion sichern [54].

Nicht einmal histologische Präparate, die lange Jahre als Goldstandard für die Pneumoniediagnose galten, konnten einer kritischen Überprüfung standhalten. So zeigte Corley, dass bei Interpretation gleicher Schnitte aus Lungen von Patienten mit Pneumonieverdacht 4 Universitätspathologen nur eine 50%ige Übereinstimmung in der Bewertung erzielen konnten [55].

Möglicherweise gelingt durch Anwendung neuer Entzündungsparameter (IL-6, Procalcitonin III, Komplementfaktoren) eine Verbesserung von Sensitivität und Spezifität der Diagnostik. Die Güte dieser Parameter ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht ausreichend evaluiert. Sie sollten daher zzt. außerhalb von Studien nicht zur Anwendung kommen. Die Verbesserung der Qualität von Röntgenbildern auf Intensivstationen (digitale Technik, Selenradiographie) scheint möglich, ein Durchbruch ist jedoch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

In Ermangelung eines wirklichen Goldstandards bleibt deshalb die klinische Evaluation bei gleichzeitiger kritischer Interpretation von radiologischem und mikrobiologischem Befund die einzig praktikable Methode im klinischen Alltag. Einen im klinischen Bereich praktikablen diagnostischen Algorithhmus zeigt Abb. 4.

Abb. 4.
figure 4

Diagnostischer Algorithmus bei Verdacht auf nosokomiale Pneumonie

Das diagnostische Dilemma begünstigt antibiotische "Übertherapie". Die Angst des Behandlers, eine Infektion zu übersehen, führt zum vermehrten Einsatz von Substanzen und begünstigt die Resistenzentwicklung auf Intensivstationen.

Therapie

Die Therapie der nosokomialen Pneumonie erfolgt risikostratifiziert. Die wesentlichen Stratifizierungskriterien sind dabei die Schwere der Erkrankung, die Dauer des Krankenhausaufenthaltes und die Frage, ob bereits eine Antibiotikatherapie durchgeführt wurde [35].

Unter einer schweren Pneumonie verstehen wir eine Erkrankung, bei der es infolge der Infektion zu einem Organversagen gekommen ist [56]. Dies kann ein beatmungspflichtiges Lungenversagen, ein katecholaminbedürftiges Kreislaufversagen, ein Nierenversagen oder eine Verbrauchskoagulopathie sein. Die Prognose eines Patienten mit schwerer nosokomialer Pneumonie hängt in erster Linie von der primär richtig gewählten Antibiotikatherapie ab. Inadäquate Primärantibiose oder zu spät einsetzende Therapie geht mit deutlich gesteigerter Mortalität einher (Tabelle 8; [57]).

Tabelle 8. Risikofaktoren für eine erhöhte Sterblichkeit bei nosokomialer Pneumonie. (Mod. nach [57])

Dies kann auch durch eine nachträgliche Korrektur der Therapie nicht günstig beeinflusst werden [58]. Schwere Pneumonien müssen daher primär breit antibiotisch behandelt werden.

Im Laufe des Krankenhausaufenthalts und vor allem unter Beatmung kommt es zu einem Wechsel der oropharyngealen Keimbesiedlung, die das Reservoir für die spätere Infektion darstellt [47]. Während in der frühen Phase der Infektion gut behandelbare Erreger aus dem ambulanten Bereich gefunden werden (Pneumokokken, Haemophilus influenzae), verschiebt sich das Keimspektrum nach etwa 5 Tagen in Richtung gramnegativer Erreger wie Pseudomonas, Enterobacter und Acinetobacter und resistenter Kokken wie den methacillinresistenten Staphylokokkus aureus (MRSA). Das Vorliegen multiresistenter Keime trägt zu einer deutlichen Erhöhung der Mortalität bei [59]. Diese Keime müssen daher bei der Planung der Antibiotikatherapie berücksichtigt werden. Wichtigster Risikofaktor für die Selektion polyresistenter Erreger ist eine vorausgegangene Therapie mit Antibiotika (Tabelle 9; [60]).

Tabelle 9. Risikofaktoren für den Erwerb multiresistenter Erreger. (Mod. nach [60])

Aus den genannten Stratifizierungsfaktoren ergeben sich folgende Schlussfolgerungen für die Therapie (Tabelle 10):

Tabelle 10. Therapieempfehlungen für die Behandlung der nosokomialen Pneumonie. (Mod. nach [35])

Leichte bis moderate Erkrankungen während des frühen Krankenhausaufenthalts bei nicht antibiotikavorbehandelten Patienten erlauben eine Therapie mit Aminopenicillinen (+ β-Laktamaseinhibitor) oder Zweitgenerationscephalosporinen, eine Kombinationstherapie ist nicht erforderlich. Bei Unverträglichkeit der genannten Substanzen kommen als Alternative neuere Fluorochinolone der Gruppe 3 (Levofloxacin) oder 4 (Moxifloxacin) zum Einsatz.

Bei schwer kranken Patienten, nach längerem Krankenhausaufenthalt und bei Antibiotikavorbehandlung ist eine breite, hochdosierte Therapie erforderlich. Neben Ureidopenicillinen (Piperacillin) mit β-Laktamasehemmer, pseudomonaswirksamen Cephalosporinen (Ceftazidim) und Carbapenemen stehen Fluorochinolone zur Verfügung. Letztere haben sich aufgrund ihrer guten Gewebepenetrabilität insbesondere im Bereich der Lunge als sehr wirksame Substanzen erwiesen. Die oben genannten neueren Fluorchinolone sind dabei im grampositiven Bereich dem bewährten Ciprofloxacin überlegen [31]. Bei gramnegativen Infektionen, insbesondere durch Pseudomonas aeruginosa, gilt Ciprofloxacin immer noch als wirksamste Substanz. Levofloxacin hat jedoch eine bessere Gewebspenetrabilität und konnte in klinischen Studien eine dem Ciprofloxacin vergleichbare Pseudomonaswirksamkeit unter Beweis stellen [61].

Im klinischen Alltag werden bei schweren Pneumonien Kombinationstherapien bevorzugt, ohne dass ausreichende klinische Studien vorliegen. Bei Pseudomonasinfektionen und bei breitspektrumbetalaktamasebildenden Keimen wie Serratia oder Enterobacter scheint jedoch eine Kombinationstherapie sinnvoll [62]. Aminoglykosiden kommt wegen der schlechten Penetration ins Lungengewebe dabei keine große Bedeutung mehr zu [63], empfohlen wird eine Kombination zwischen einem β-Laktamantibiotikum und Fluorochinolonen.

Schwere MRSA-Pneumonien stellen nach wie vor ein therapeutisches Dilemma dar, da die klassischen Glykopeptidantibiotika aufgrund ihrer hohen Molekülgröße außerordentlich schlechte Penetrationseigenschaften in die Lunge haben. Kombinationstherapien von Vancomycin oder Teicoplanin mit Rifampicin [64], Fosfomycin [65] oder Fusidinsäure [66] sind möglich, führen jedoch zu einer erhöhten Nebenwirkungsrate. Mit dem neuen Oxazolidinon Linezolid steht jetzt eine für alle Arten resistenter Kokken erfolgversprechende Substanz zur Verfügung [67], die Tagestherapiekosten sind allerdings mit ca. 120 € erheblich.

Therapiedauer

Zur optimalen Therapiedauer bei nosokomialer Pneumonie gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, in der Mehrzahl der Fälle reichen 7 Tage aus, Problemkeime wie Pseudomonas oder Staphylokokken benötigen jedoch wahrscheinlich längere Therapiezyklen. Bei milder Pneumonie oder bei Verdachtsfällen ohne sicheren Pneumoniebeweis scheint es sich jedoch zu bewähren, nach 3 Behandlungstagen eine klinische Reevaluation des Patienten durchzuführen [68]. Hat sich der Patient in diesem Zeitraum verbessert und sind keine neuen Infektionszeichen aufgetreten, kann man die Therapie frühzeitig beenden.

Therapieversager

Zeigt sich 48–72 h nach Therapiebeginn keine klinische Besserung oder gar eine Verschlechterung, spricht das für ein Therapieversagen. Ein Antibiotikawechsel auf eine andere Substanzgruppe (beispielsweise von Cephalosporin nach Carbapenem oder von letzterem zu einem Fluorchinolon) ist dann die Therapie der Wahl. Alternativ kann nach initialer Monotherapie eine Kombinationstherapie gewählt werden.

Kommt es trotz Therapiewechsel nicht zur einer Verbesserung der klinischen Situation, müssen andere Infektionen (Pilze, atypische Keime wie Legionellen oder Chlamydien) in die differenzialdiagnostische Überlegung mit einbezogen. Es muss auch bedacht werden, dass Antibiotika nur dort wirken können, wo sie auch hingelangen. Persistierende Temperaturen können für eine Höhleninfektion sprechen (Pleuraempyem), die klinisch gerade beim Beatmeten schwer zu erkennen ist und nur durch Drainage behoben werden kann [69].

Gerade nach lang dauernder Antibiotikatherapie und bei Divergenzen zwischen klinischer Symptomatik und Entzündungsparametern (hohes Fieber, letztere fehlend) sollte daran gedacht werden, dass Antibiotika selbst ein medikamentenassoziiertes Fieber auslösen können. Wenn es der klinische Zustand des Patienten erlaubt, ist deshalb eine Pause der Antibiotikagabe von 24–48 h sinnvoll. Beim "drug fever" kommt es in der Regel innerhalb von 24–36 h zu einem Sistieren der Temperaturen.

Kommt es im Verlauf der Antibiotikatherapie zu profusen Durchfällen (die nicht blutig sein müssen) und einem Wiederansteigen der Entzündungswerte, muss an eine pseudomembranöse Enterokolitis gedacht werden (Abb. 5). Mit einer Prävalenz von 3% der Intensivpatienten ist diese Komplikation durchaus nicht selten. Langdauernde Cephalosporintherapie stellt dabei den häufigsten Grund für die Entwicklung dieser Komplikation dar [70]. Tabelle 11 fasst die diagnostischen und therapeutischen Notwendigkeiten bei Verdacht auf pseudomembranöse Kolitis entsprechend der neusten Empfehlungen zusammen [71].

Abb. 5.
figure 5

Endoskopisches Bild einer pseudomembranösen Enterokolitis mit den typischen weißlichen Belägen auf der Schleimhaut

Tabelle 11. Diagnostisches und therapeutisches Procedere bei pseudomembranöser Enterokolitis. (Mod. nach [71])

Therapieprobleme werden in Zukunft aufgrund zunehmender Resistenzentwicklungen gegen eine Reihe von Keimen auftreten. Aufgrund der Probleme bei der Entwicklung neuer Substanzen, werden diese nur durch prophylaktische Maßnahmen und frühzeitige Isolation von Risikopatienten zu lösen sein. Keimstatistiken sind dabei für jede einzelne Intensiveinheit mindestens alle 6 Monate (besser alle 3 Monate) notwendig [48].

Präventive Maßnahmen

Wichtigster Risikofaktor für den Erwerb einer nosokomialen Pneumonie ist, wie oben bereits diskutiert, die endotracheale Intubation und maschinelle Beatmung. Ursächlich unterscheiden wir 2 wesentliche Infektionswege, die als endogen und exogen bezeichnet werden [48]. Bei ersterem wandern patienteneigene Erreger aus dem Gastrointestinal- oder HNO-Bereich in den Oropharynx ein und werden von dort am Tubus vorbei in die Atemwege aspiriert (endogene Infektion). Im 2. Fall kommt es zum Einbringen der Mikroorganismen in die Atemwege von außen, wichtigste Quelle der Keimübertragung sind dabei die Hände des Personals (exogene Infektion).

Welcher Infektionsroute für VAP die größere Bedeutung zukommt, ist unklar. Wahrscheinlich gibt es von Intensivstation zu Intensivstation, von Patient zu Patient (abhängig von individuellen Risikofaktoren wie Grunderkrankung, Nikotinabusus etc.), ja sogar von Keim zu Keim unterschiedliche Verteilungen zwischen endogener und exogener Infektion (gramnegative Keime eher endogen, grampositive eher exogen), ohne dass dies abschließend geklärt wäre.

Die zunehmende Prävalenz multiresistenter Keime stellt das bedrohlichste Zukunftsproblem für die moderne Intensivmedizin dar [72]. Die Behandlung solcher Erreger ist schwierig und teuer, in Einzelfällen versagen inzwischen alle bekannten Antiinfektiva. Der Infektionsprophylaxe kommt von daher steigende Bedeutung zu.

Prophylaxe endogener Infektionen

Bei der endogenen Infektion konnte für einfache pflegerische Maßnahmen wie die Oberkörperhochlagerung und die regelmäßige Kontrolle des Cuff-Drucks des Tubus ein Rückgang der Infektionsraten ermittelt werden [73]. Versuche, die Aspiration des Sekrets in den Bronchialbaum durch kontinuierliche subglottische Absaugung oder elektronische Cuff-Druckkontrolle zu minimieren, zeigten in ersten Studien vielversprechende Ergebnisse, konnten sich jedoch in der klinischen Praxis nicht durchsetzen [74]. Durch selektive Darmkontamination mit topischen und systemischen Antibiotika ließ sich im Bereich der chirurgischen Intensivmedizin eine deutlich Rückgang der Infektionsrate und der Mortalität erreichen [75], für internistische oder neurologische Patienten konnte das jedoch bisher nicht bestätigt werden. Gleiches gilt für die frühzeitige enterale Ernährung. Die Dekontamination des Oropharynx mit modernen schleimhautverträglichen Antiseptika scheint ebenfalls erfolgversprechend, es fehlen jedoch auch hier randomisierte Studien mit ausreichender Patientenzahl.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Prophylaxe ist die Minimierung von Resistenzentwicklung. Antibiotikatherapie selbst stellt dabei einen entscheidenden Risikofaktor für den Erwerb von Multiresistenzen dar. Eine Reihe von auslösenden Behandlungsfehlern ist dabei bekannt: falsche perioperative Prophylaxe, unterdosierte Antibiotikatherapie, starre Therapieregime über lange Zeiträume, zu lange Therapiedauer. Viele Fragen sind jedoch weiterhin offen und müssen untersucht werden: Macht eine "Peri-Intubationsprophylaxe" Sinn? Was ist die optimale Therapiedauer? Gibt es eine Kurzzeittherapie des Infektionsverdachts? Wann gibt man Mono-, wann Kombinationstherapie? Wann spricht man von Therapieversagen und wie verhält man sich dann? Welche Bedeutung kommt Candida für die Intensivinfektion zu?

Prophylaxe exogener Infektionen

Zur Prophylaxe exogener Infektionen kommt der Händehygiene eine herausragende Bedeutung zu [76]. Zudem hat sich zeigen lassen, dass räumliche (Mehrbettzimmer, wenig Raum) und personelle Faktoren (Personalmangel) Infektionen begünstigen [77].

Gerade im Umgang mit den in der Intensivtherapie benutzten Materialien bleiben jedoch eine Reihe offener Fragen. Im Umgang mit Beatmungsschläuchen haben wir gelernt, dass seltene Wechselintervalle auf keinen Fall schlechter und auf jeden Fall günstiger sind als häufige Wechsel [78]. Wie verhält sich dies bei Absaugsystemen, Beatmungsfiltern und Infusionssystemen? Bietet geschlossene Absaugung einen Infektionsschutz, wie lange kann man ein System benutzen? Ist passive Befeuchtung vom infektiologischen Standpunkt vorteilhaft und wenn ja, wie lange kann man einen Filter einsetzen? Brauchen wir Inhaletten im Beatmungssystem und wenn ja, wie oft muss man sie wechseln?

Alle genannten Fragen können nur in großen Studien mit ausreichenden Patientenzahlen zuverlässig beantwortet werden. Das infektionsepidemiologische Netzwerk SIR ist ein erster Schritt zur Erkennung und Quantifizierung unserer infektiologischen Probleme im Intensivbereich. Es bietet die Basis, auf der in Zukunft diagnostische, therapeutische und Prophylaxe orientierte Studienansätze überprüft werden können.

Fazit für die Praxis

Untere Atemwegsinfektionen und Pneumonien stellen nach wie vor Volkskrankheiten dar, die mit einer nennenswerten Sterblichkeit belastet sind. Verspätete Diagnosestellung und falsche Antibiotikatherapie erhöhen das Risiko von Komplikationen. Andererseits begünstigt eine antibiotische Übertherapie die Resistenzentwicklung gegen die wichtigsten Antibiotika. Neben dem klinischen Bild sollte daher vor allem das Röntgenbild einen wichtigen Platz in der Diagnostik einnehmen. Mikrobiologische Untersuchungen sind bei Therapieversagern und schweren Infektionen durchzuführen. Ansonsten kann eine empirische Therapie ohne Erregernachweis durchgeführt werden. Diese sollte sich an den lokalen Gegebenheiten und Resistenzen orientieren, nationale Empfehlungen müssen daher regelmäßig angepasst werden.