Die Behandlung von Karzinomen im Kopf-Hals-Bereich stellt eine tägliche Herausforderung unseres Fachs dar, die nichts an ihrer Aktualität eingebüßt hat. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Disziplinen ist inzwischen institutionalisiert. An immer mehr Einrichtungen finden sich Tumor-Boards, in denen mit den Kolleginnen und Kollegen der Radiologie, der internistischen Onkologie, den Pathologen und den Strahlentherapeuten sowie den Mund-, Gesichts- und Kieferchirurgen individuelle Fallkonstellationen erörtert werden. In einem solchen Board kann aus den jeweiligen Fachdisziplinen ein großer Wissens- und Erfahrungsschatz für eine gemeinsame, individuelle Therapieempfehlung herangezogen werden. Gleichzeitig können zur Entlastung eines solchen Gremiums bei weniger komplexen Erkrankungen einrichtungsinterne Standardarbeitsanweisungen (SOP, „standard operation procedure“) erarbeitet und fortentwickelt werden. Dabei werden zur Entscheidungsfindung neueste Studienergebnisse mit einbezogen. Für Behandlungswege der medikamentösen Tumortherapie und der Bestrahlung lassen sich diese jedoch häufig mit größeren zusammengefassten Fallzahlen leichter belegen. Hierbei ist das angenommene Evidenzniveau dann auch schnell höher als bei chirurgisch-handwerklich soliden operativen Behandlungen und deren Nachbeobachtungen. Dies ist ein Gesichtspunkt, den wir HNO-Ärzte bei der Positionierung unserer Angebote im Wettstreit um die beste Behandlungsoption mit anderen Fächern unter Initiierung eigener Studien (ggf. multizentrisch) wohl noch stärken sollten.

In der vorliegenden Ausgabe möchten wir auf die Behandlung fortgeschrittener Tumoren eingehen. Die chirurgische Therapie führt dabei zwangsläufig zu Defekten, deren Verschluss dann primär nur schwer oder gar nicht mehr möglich ist. Nach kompletter chirurgischer Resektion (R0-Status) stellt neben dem Verschluss des Wundbetts der Aspekt des Funktionserhalts einen wesentlichen Bestandteil der onkologischen Kopf-Hals-Chirurgie dar. Die komplexen Strukturen des oberen Aerodigestivtrakts müssen hierfür weitestmöglich rekonstruiert und für den Patienten suffizient nutzbar werden. Dabei steht die funktionelle Rekonstruktion des Nahrungswegs zur erfolgreichen Passage von Speichel, Flüssigkeit und Speise im Vordergrund.

Über die für diese rekonstruktive Chirurgie geeigneten freien und gestielten Transplantate berichten die Autoren Herberhold und Bootz aus Bonn. Die jeweiligen Vorteile, aber auch Grenzen sowohl der gestielten Pectoralis-major- als auch Latissimus-dorsi-Lappen sowie der freien Unterarm-, Oberarm- und Perforanslappen werden hier herausgearbeitet und für die Praxis gewichtet.

Neben den vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten der mikrovaskulär-anastomosierten Lappentransplantate im Kopf-Hals-Bereich wird aus der Heidelberger HNO-Klinik insbesondere auf die erschwerten Bedingungen eingegangen, welche eine erfolgreiche Anastomosierung beeinträchtigen. Dies trifft insbesondere auf Patienten in einer Salvage-Situation nach Strahlentherapie zu. Aber auch bereits mehrfache vorangegangene, radikal-chirurgische Eingriffe können zu einer ungünstigen Gefäßsituation führen, die einen Anschluss der Blutversorgung für das freie Transplantat erheblich erschweren. Gleichwohl kann oft erst die „mitgebrachte“ Blutversorgung und der Gewebeersatz dieses Transplantats im sonst schon traumatisch oder durch Bestrahlung geschädigten Gewebe zu einer Abheilung des Defekts führen.

Bei großen Kopf-Hals-Tumoren im Mundhöhlenbereich besteht nicht selten eine ausgedehnte Beteiligung des Unterkiefers, sodass dessen Resektion im Sinne der onkologisch sicheren Entfernung essenziell ist. Wenn diese Defekte ausgedehnter oder kontinuitätsunterbrechend sind, ist eine kieferchirurgische Rekonstruktion erforderlich. Nur so kann eine regelrechte Okklusion und eine funktionelle Rehabilitation ermöglicht werden. Aus der Heidelberger MKG-Klinik stellen Freier et al. Rekonstruktionsstrategien des Unterkiefers vor. Anhand der Verwendung von mikrovaskulär anastomosierten Beckenkamm- bzw. Fibulatransplantaten wird verdeutlicht, dass neben einer ossären Rekonstruktion auch der Verschluss benachbarter Weichteil- oder Hautdefekte möglich ist. Auch hier stehen weit fortgeschrittene oder strahlentherapeutisch komplizierte Befunde im Vordergrund.

Die Überlebensrate von Patienten mit Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich ist nach wie vor unbefriedigend

Trotz deutlicher Verbesserungen im Bereich kopf- und halschirurgischer Resektions- und Rekonstruktionsverfahren ist die Überlebensrate von Patienten mit Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich nach wie vor unbefriedigend. Neue zielgerichtete onkologische Ansätze durch eine Immuntherapie scheinen hierbei vielversprechend zu sein. Schuler et al. aus Essen stellen hierzu die aktuellen Konzepte und klinischen Studien vor. Dabei wird die Bedeutung tumorassoziierter Antigene (TAA) wie p53, HPV-16 und MAGE-3 sowie von Mechanismen der Tumorzellen, sich einer Immunantwort erfolgreich zu entziehen, systematisch aufgearbeitet. Daneben werden neueste Vakzinierungsstrategien und Antikörpertherapien in ihren Ansätzen und Fortschritten erörtert. Hier zeichnet sich neben „Stahl, Strahl und Chemo“ nun eine weitere, vierte Behandlungssäule ab.

Wir hoffen, dass Sie nach Lektüre dieser Ausgabe der „HNO“ hoffnungsstiftende Erfolge in der Behandlung auch fortgeschrittener Tumoren des Kopf-Hals-Bereiches mit in Ihre tägliche Praxis nehmen.

Karim Zaoui