Die Verletzung des Ductus hepatocholedochus während der Cholezystektomie ist eine schwere Komplikation, die erhebliche Folgen für den Patienten in Bezug auf Morbidität, Mortalität und Lebensqualität haben kann. Der „critical view of safety“ (CVS) kann helfen, die Häufigkeit dieser Komplikation während der laparoskopischen Cholezystektomie zu reduzieren. Im Rahmen dieser Studie wurden die CVS-Bilder mittels Noten evaluiert und der Einfluss der Noten auf den perioperativen Verlauf untersucht.

Einführung

Die Gallenblasenentfernung (CHE) ist einer der häufigsten operativen Eingriffe [1, 2]. Dabei deckt die Indikationsstellung für die Entfernung der Gallenblase viele Facetten vom reinen Elektiveingriff bis hin zum Notfalleingriff ab. Die CHE ist eine sichere Operation mit einer Sterblichkeitsrate von ca. 0,3 % [3]. Es gibt allerdings wenige gefürchtete Komplikationen wie z. B. die Verletzung oder Durchtrennung des Hauptgallengangs (Ductus hepatocholedochus, DHC) bzw. des extrahepatischen Gallengangssystems. Diese schweren Komplikationen mit einer geschätzten Inzidenz von 0,4–1,5 % können erhebliche Folgen für den Patienten in Bezug auf Morbidität, Mortalität und langfristiger Lebensqualität haben [4, 5]. Es gibt Fallberichte mit der Notwendigkeit einer Lebertransplantation nach Gallengangsverletzung nach Cholezystektomie [6].

Das Konzept des „critical view of safety“ (CVS) wurde von Strasberg 1995 eingeführt, da es nach der Einführung der laparoskopischen Cholezystektomie (lap. CHE) zu unerwartet vielen Verletzungen des DHC kam und immer noch kommt [7,8,9]. Der CVS ist eine von mehreren Methoden zur Vermeidung von DHC-Verletzungen [10, 11]. Der CVS beinhaltet dabei die Zielidentifikation des D. cysticus und der A. cystica mit Separation der beiden Strukturen voneinander und von der Gallenblase bzw. der Leber durch 2 Präparationsfenster (Abb. 1). Daten zeigen, dass eine Verletzung des Gallengangsystems unter Anwendung des CVS in weit unter 1 % der lap. CHE auftritt [9, 10]. Der CVS ist allerdings nicht immer möglich [5, 11, 12]. Sogenannte Bailout-Prozeduren [5, 8, 13, 14] sollten daher immer dann angewendet werden, wenn die Anatomie absehbar schwierig ist und somit der CVS nicht oder nicht adäquat erreicht werden kann. Zu den operativen Bailout-Prozeduren gehören laut den Tokio-Richtlinien [15] die Konversion, der „fundus first approach“ und die inkomplette Cholezystektomie. Alternativ können Bailout-like-Prozeduren wie intraoperatives Team-Time-out, Konsultation eines Kollegen, die laparoskopische oder offene Darstellung des DHC (optisch oder mittels intraoperativer Cholangiographie) durchgeführt werden und somit helfen, Verletzungen des DHC zu vermeiden. Bei erwartbar technisch schweren Operationen bei z. B. älteren, multimorbiden Patienten können interventionelle Therapieverfahren die CHE und damit mögliche Komplikationen primär vermeiden helfen [16, 17].

Abb. 1
figure 1

Bildliche Demonstration des Notensystems für den „critical view of safety“ (CVS). Die Note 1 beinhaltete, dass beide Strukturen (Ductus cysticus [Dc] und Arteria cystica [Ac]) dargestellt werden konnten und beide Fenster zu sehen waren (a). Note 2 wurde dann vergeben, wenn beide Strukturen (Dc und Ac) sicher zu erkennen waren, jedoch nur ein 1 Fenster eindeutig zu sehen war (b). Die Note 3 wurde dann erteilt, wenn nur eine Struktur sicher (Dc oder Ac) und nur ein Fenster zu erkennen waren (c). Die Note 4 beschrieb ein Bild, bei dem nur die Gallenblase zu sehen und eine Struktur (vermuteter Dc oder vermutete Ac) zu erahnen war (d). Der rot umrandete weiße Pfeil in d zeigt den D. hepatocholedochus (DHC), welcher bei der Operation durchtrennt wurde. Der Stern markiert den intraoperativ vermuteten Heister-Lymphknoten. Die Note 5 erhielt ein CVS-Bild, in dem aufgrund eines unscharfen Bildes oder einer verschmutzten Kamera keine Struktur eindeutig zu erkennen war (e)

Obwohl die Qualität der CVS-Bilder in einigen Studien untersucht wurde [5, 18,19,20], gibt es unseres Wissens keine Artikel, die die Qualität der CVS-Bilder anhand eines Notensystems erfasst und den Einfluss dieser Noten auf den perioperativen Verlauf untersucht haben. Ein Ziel dieser retrospektiven Untersuchung war es daher, ein Notensystem für CVS-Bilder zu entwickeln und klinisch zu evaluieren.

Methodik

Nach dem Chefarztwechsel im Mai 2017 im Klinikum Mittelbaden wurde das CVS-Konzept am 01.07.2018 eingeführt. Um es dem Team zu erleichtern, die Kriterien des CVS und die Datenlage bez. CVS schneller zu verinnerlichen, wurden nach dem Einführungsworkshop jährliche Erinnerungsmails bez. CVS verschickt. Zusätzlich wurde das Konzept CVS bei den Personalgesprächen thematisiert. Dieses Vorgehen war mitverantwortlich dafür, dass im Verlauf keine signifikanten Änderungen sowohl in der Häufigkeit der CVS-Bilder als auch der Benotung beobachtet werden konnte (Daten nicht gezeigt).

Im Rahmen dieser retrospektiven Studie wurde eine detaillierte Analyse von Patienten mit laparoskopischer Cholezystektomie (CHE) für den Zeitraum vom 01.07.2018 bis 31.12.2021 durchgeführt. Diese schloss folgende Parameter ein: Alter, Geschlecht, Operationsverfahren (primär offene Operation, laparoskopische Operation, Konversionsoperation), präoperative Durchführung einer endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikographie (präERCP), Operationsindikation (elektiv, Notfall), Operationsdauer, Operateur, Krankenhausverweildauer (KrVD) und postoperative Komplikationen.

Die grundlegende Darstellung des CVS ist mehrfach beschrieben und beinhaltet die Identifikation der Gallenblase (Abb. 1a, weißer Pfeil), des Ductus cysticus (Dc, Abb. 1a, grüner Pfeil), der Arteria cystica (Ac, Abb. 1a, roter Pfeil) mit 2 klaren Präparationsfenstern (Abb. 1a, blaue Pfeile). Bezüglich des CVS wurde erfasst, ob ein Bild vorhanden war, und wenn ja, wurde das Bild benotet. Zunächst wurde durch eine Gruppe von 3 Ärzten anhand von ca. 40 CVS-Bildern ein Notensystem entwickelt. Dieses Notensystem wurde dann auf alle Patienten angewendet. Es wurden die Noten des hiesigen Schulsystems angewendet (1 = sehr gut, …, 5 = mangelhaft). Das Notensystem ist in der Legende der Abb. 1 dargestellt. Bei unklarer Bewertung haben wir im Team einen Konsens gefunden. Wenn mehrere Bilder vorhanden waren, wurde das beste Bild zur Prüfung ausgewählt.

Bei der Analyse wurde weiterhin jeder Operationsbericht bez. der Erwähnung des CVS oder der expliziten Identifikation der A. cystica und des D. cysticus analysiert. Alle Patienten, die nicht über die Indikationssprechstunde zur Operation geplant wurden, Patienten, die im Dienst operiert wurden, oder Patienten, die beim Versagen der konservativen Therapie operiert werden mussten, wurden als Notfalloperationen deklariert. Im Rahmen der elektronischen Dokumentation wurden die Patienten pseudonymisiert erfasst, auf die elektronische Erfassung von Name und Geburtsdatum zu Auswertungszwecken wurde verzichtet. Bei der Dauer des Krankenhausaufenthalts wurden Aufnahme- und Entlasstag als je 1 Tag gewertet.

Jede Operation wurde einem mitoperierenden/operierenden Oberarzt (OA) zugeordnet (auch wenn der OA „nur“ die Operation assistierte). Wenn 2 Oberärzte operierten, wurde der eigentliche Operateur erfasst; wenn 2 Fachärzte operierten, wurde dies als „Sonstige“ erfasst. Teile der Analyse wurden für die Oberärzte und den Chefarzt getrennt durchgeführt.

Statistik

Stetige Parameter wurden als Mittelwert mit Standardabweichung (SD) angegeben, kategoriale Parameter wurden in absoluten und relativen Häufigkeiten beschrieben. Um Unterschiede zwischen verschiedenen Subgruppen zu untersuchen, wurde entweder der χ2-Test nach Pearson oder der Zweistichproben t‑Test bzw. ein F‑Test für mehrere Gruppen angewendet. Als statistisch signifikant wurden in dieser explorativen und retrospektiven Studie p-Werte < 0,05 bewertet. Die statistische Analyse wurde mit dem Programm Microsoft Excel 2016 Microsoft Corporation, Redmond, WA, USA und der statistischen Programmiersprache R Version > 4.0.0 durchgeführt.

Ergebnisse

Vom 01.07.2018 bis 31.12.2021 wurden 735 Patienten mit Gallenblasenoperationen (CHE) erfasst. Von den 735 Patienten waren 460 (62,5 %) Patientinnen, das mittlere Alter aller Patienten betrug 59 Jahre (SD 17 Jahre). 87 % der Operationen (n = 640) wurden komplett laparoskopisch durchgeführt, 3 % primär offen und bei 8 % wurde konvertiert. Die verbleibenden Operationen (1 %) waren offene oder Konversions-CHE mit zusätzlich notwendiger Gallengangsrevision z. B. zur Steinbergung aus dem DHC. Bei 534 der 640 Patienten mit lap. CHE erfolgte eine intraoperative Fotodokumentation des CVS. Bei 106 Patienten mit lap. CHE lag kein CVS-Bild vor.

Bei 534 laparoskopisch operierten Patienten konnten ein oder mehrere Bilder des CVS analysiert werden. Die durchschnittliche CVS-Note dieser 534 Patienten betrug 1,9 (SD 0,87). Insgesamt hatten 280 Patienten (51,9 %) eine CVS-Note von 1, 126 Patienten (23,6 %) eine CVS-Note von 2, 114 Patienten (21,7 %) eine CVS-Note von 3 und 14 Patienten (2,8 %) eine CVS-Note von 4 bis 5 (Tab. 1). Die statistische Untersuchung mittels F‑Test (ANOVA) zeigte eine signifikante Korrelation zwischen sich verbessernder CVS-Note und der Verringerungen der Operationsdauer (p < 0,01) bzw. der KrVD (p < 0,01). Die Veränderungen bez. CVS-Note und Komplikationsrate (p = 0,16, Tab. 2) und der stationären Wiederaufnahme (p = 0,08, nicht gezeigt) waren nicht signifikant. Bei den leitenden Ärzten reichte die Quote von vorhandenen CVS-Bildern von 71 bis 92 %, der Notendurchschnitt von 1,5 bis 2,2 (Daten nicht gezeigt).

Tab. 1 Darstellung der Notenverteilung des „critical view of safety“ und deren Korrelation zu Operationszeit, Krankenhausverweildauer und perioperativen Komplikationen anhand der 534 Patienten mit auswertbaren CVS-Bilder nach laparoskopischer Cholezystektomie
Tab. 2 Detaillierte Analyse perioperativer Parameter für Patienten mit laparoskopischer Cholezystektomie mit vs. ohne Bild des „critical view of safety“

Bei 3 von 735 Patienten kam es zu einer Verletzung des Gallengangssystems. Ein Patient hatte eine komplette Durchtrennung des D. hepatocholedochus mit Anlage einer biliodigestiven Anastomose und interventioneller transhepatischer Drainage bei Insuffizienz. Das dazugehörige CVS-Bild ist in Abb. 1d dargestellt und wurde in der retrospektiven Analyse mit der Note 4 bewertet. Der CVS wurde nicht korrekt durchgeführt, da das Gallenblaseninfundibulum nicht suffizient dargestellt wurde. Dies kann in den meisten Fällen durch eine semizirkuläre Eröffnung des Peritoneums auf Höhe des Rouviere-Sulkus um das Gallenblaseninfundibulum und die gallenblasenahe Präparation im Calot-Dreieck mit Dissektion eines Drittels des unteren Gallenblasenbetts erreicht werden. Dies gelingt aber trotz minutiöser Präparation bei z. B. schweren Entzündungen oder bei nekrotischen Veränderungen nicht immer. Wenn dies bei diesem Patienten durchgeführt worden und gelungen wäre, hätte auffallen können, dass die Präparation zu tief, nämlich im Ligamentum hepatoduodenale erfolgte. Wie hier gezeigt, findet sich in Abb. 1d tatsächlich ein Blick durch das Ligamentum hepatoduodenale auf den Leberunterrand. Ein weiterer Patient hatte nach der Konversion zum offenen Vorgehen eine Verletzung des rechten D. hepaticus, die mit intraoperativer Anlage einer T‑Drainage zur Ausheilung gebracht werden konnte. Einem dritten Patienten wurde der Ductus cysticus bei Stumpfinsuffizienz im Rahmen einer weiteren Operation erfolgreich übernäht.

Aus Tab. 2 ist zu entnehmen, dass jüngere Patienten mit elektiver lap. CHE signifikant häufiger CVS-Bilder aufwiesen. Bei Patienten mit CVS-Bild waren neben der Operationsdauer (60 min vs. 67 min, p = 0,03) auch die KrVD (3,5 Tage vs. 4,1 Tage, p = 0,02) signifikant kürzer. Es konnten keine signifikante Unterschiede in der Komplikationsrate (9 % vs. 8 %, p = 0,91) zu den 106 Patienten mit lap. CHE ohne CVS-Bild beobachtet werden. Die Häufigkeit des Vorhandenseins der CVS-Bilder differierte nicht signifikant zwischen Männern und Frauen. Allerdings waren die Noten der CVS-Bilder bei Patientinnen signifikant besser als bei männlichen Patienten (1,8 vs. 2,1, p < 0,01, Daten nicht gezeigt).

Diskussion

Der CVS kann helfen, schwere Komplikationen wie die Verletzung oder Durchtrennung des DHC zu reduzieren [9, 10]. Das Wissen und die Verwendung von CVS ist jedoch teilweise immer noch unbefriedigend [18]. Es konnte in anderen Arbeiten gezeigt werden, dass Assistenten den CVS öfter anwenden als erfahrenere Kollegen [18, 19, 21]. Die Möglichkeiten zur Einführung und Auffrischung des Konzepts CVS sind heutzutage nahezu unbegrenzt [22, 23]. Die hier gezeigte Rate von 83,4 % an verfügbaren CVS-Bilder nach lap. CHE (534 Patienten mit CVS-Bild von 640 Patienten mit kompletter lap. CHE) entspricht der Literatur [5, 14, 20].

Die Anwendung des CVS hilft, Komplikationen nach lap. Gallenblasen-OP zu reduzieren. Der CVS bietet jedoch bei technisch schwierigen laparoskopischen Gallenblasenentfernungen nicht immer die erwartete Unterstützung. Es konnte im Artikel gezeigt werden, dass schlechtere CVS-Noten sowohl mit längerer OP-Dauer (als möglicher Indikator für den technischen Schwierigkeitsgrad der lap. CHE) als auch mit längerer KrVD (als möglicher Indikator für eine längere Rekonvaleszenz nach technisch schwieriger lap. CHE) korrelieren. Es ist durchaus denkbar, dass die Noten der CVS-Bilder somit auch den Schwierigkeitsgrad der Operation reflektieren; also ein sehr gutes CVS-Bild ein Indikator für eine technisch einfache lap. Cholezystektomie sein kann und vice versa.

Bei 106 Patienten mit lap. CHE und bei den allermeisten Patienten mit Konversionen fehlte ein CVS-Bild. Die Ursachen für das Nichtvorhandensein von CVS-Bildern nach lap. CHE sind vielfältig und schließen Notfalloperationen und technische Probleme ein. Bei den Notfalloperationen wurde wahrscheinlich häufig vergessen, ein CVS-Bild aufzunehmen und/oder zu speichern. Aber auch medikolegale Aspekte müssen berücksichtigt werden. In Gesprächen wurde deutlich, dass Bilder auch bewusst nicht aufgenommen wurden, wenn das erwartete CVS-Bild nicht den Vorgaben entsprach. Das am Klinikum Mittelbaden genutzte elektronische Datenverarbeitungssystem im Operationssaal erlaubt nur dann die Aufnahme und Speicherung von Bildern, wenn sie einem Patienten zugeordnet sind. Die intraoperativen Bilder werden dann direkt in das Krankenhausinformationssystem eingespielt und stellen somit ein Dokument dar, auf das der Patient (oder ein beauftragter Anwalt) jederzeit Zugriff hat. Unabhängig davon, ob die Strukturen des CVS mit einem Foto oder Video dargestellt werden, ist es heute zwingend notwendig, die Präparation im Callot-Dreieck mit Identifizierung der relevanten Strukturen explizit im Operationsbericht zu erwähnen [24, 25].

Aber Gallengangsverletzungen nach lap. CHEs sind immer noch zu häufig [9, 10, 12] und die niedrige Komplikationsrate an DHC-Verletzungen der offenen CHE-Ära ist noch nicht erreicht. Die hier erfolgte Durchtrennung des D. hepatocholedochus basierte auf einer Fehlinterpretation der Anatomie (Abb. 1d). Dies ist in der Literatur beschrieben [12]. Derartige Komplikationen treten besonders häufig während der Dienste auf [26]. Allerdings steht uns Chirurgen zuweilen auch falsch verstandener Ehrgeiz im Weg (Meinung des Autors). So werden z. B. Konversionen unter Chirurgen teilweise als Niederlage empfunden und zu spät oder gar nicht durchgeführt und subtotale Cholezystektomien werden als insuffiziente Operationen wahrgenommen. Dass aber diese Bailout-Prozeduren in erster Linie den Patienten schwere Komplikationen ersparen können, muss in die Abwägung der intraoperativen Behandlungsoptionen einbezogen werden. Wie oft trotz fehlendem oder nicht adäquatem CVS-Bild die Strukturen dessen ungeachtet durchtrennt werden, bleibt Spekulation. Dass dies nicht immer zu Komplikationen führen muss bzw. die Forcierung der Präparation im Callot auch zu Verletzungen des DHC führen kann, reflektiert sicher die Erfahrung einiger Chirurgen.

Das hier präsentierte CVS-Notensystem ist nicht perfekt. Tatsächlich sind die Übergänge zwischen Nützlichkeit und Nutzlosigkeit fließend. Das CVS-Notensystem eröffnet jedoch die Option einer zusätzlichen, objektivierbaren Bewertung des intraoperativen Situs und kann eine Chance sein, eine der möglichen Schwachstellen des Systems Chirurg – CVS-Bild zu verbessern. Denn Komplikationsprophylaxe während einer lap. CHE beginnt mit dem wesentlichsten und gleichzeitig schwierigsten Schritt, nämlich als operierender Chirurg bewusst wahrzunehmen, dass die Anatomie und damit der CVS nicht adäquat dargestellt sind. Bei einer absehbaren CVS-Note ab 3 (ca. 25 % der CVS-Bilder!) kann es wichtig und richtig sein, zeitnah, sozusagen prospektiv, auf Bailout-Prozeduren zurückzugreifen [5, 27, 28].

Diese Untersuchung zeigt ebenso, dass nicht jede lap. CHE mit einem sehr guten CVS-Bild (Note 1) verbunden ist. Im Gegenteil, die Streuung der CVS-Noten ist, basierend auf dem hier vorgestellten Notensystem, relativ breit. Es ist vor dem Hintergrund möglicher Komplikationen wichtig, zu verstehen, dass das letztlich im Krankenhausinformationssystem gespeicherte CVS-Bild ein medizinisches Dokument darstellt, welches den konkreten Situs vor Durchtrennung der Strukturen nachweislich bezeugt. Daher kann es manchmal sinnvoll sein, explizit auf die CVS-Bildqualität (CVS-Note) zu achten, mehrere CVS-Bilder aufzunehmen, gänzlich auf ein CVS-Bild zu verzichten oder aber den Situs und die chirurgischen Präparationsschritte noch detaillierter im Operationsbericht zu erwähnen. Die unkommentierte Dokumentation von CVS-Bildern mit der Note 4 oder 5 sollte vermieden werden.

Bei der Anwendung der Bailout-Prozeduren gibt es fließende Übergänge, die bei einem intraoperativen Konsil eines erfahrenen Kollegen beginnen, über eine Laparoskopie und sofortigen Konversion oder einer Laparoskopie mit dem letztlich erfolgreichen Ausschöpfen einer oder mehrerer Bailout-Prozeduren bis hin zur Laparoskopie, dem erfolglosen Versuch verschiedener Bailout-Prozeduren und der letztlichen Konversion reichen. Bei unklarer Anatomie oder spätestens ab einer CVS-Note von 4 ist am Klinikum Baden-Baden vorgesehen, entweder die intraoperative Unterstützung durch einen Oberarztkollegen anzufordern oder den „fundus first approach“ durchzuführen. Der Einsatz eines Staplers zur subtotalen Cholezystektomie erfordert die Anwesenheit des leitenden Oberarztes oder des Chefarztes. Ansonsten wäre eine Konversion durchzuführen. Wir sind bewusst davon abgegangen, die Möglichkeiten der Laparoskopie bis zum letzten auszuschöpfen. Vor allem die Literatur [7, 29, 30], aber auch die persönlichen Erfahrungen der älteren Chirurgen zeigen, dass die offene CHE mit der größte Garant dafür ist, Verletzungen des DHC mit all den potenziell schwerwiegenden Komplikationen zu vermeiden. Denn letztlich unterscheidet sich das postoperative Outcome und die Lebensqualität nach offener CHE zumindest im Langzeitverlauf nicht immer deutlich von Ergebnissen der lap. CHE [29, 30].

Limitierungen

  • Dies ist eine retrospektive Untersuchung mit den damit verbundenen Konsequenzen bez. der Datenqualität.

  • Die Benotung der CVS-Bilder konnte nur am tatsächlich vorhandenen Bild erfolgen. Der eigentliche Live-Situs während der Operation hätte ggf. eine bessere Notengebung ermöglicht.

Fazit für die Praxis

  • Die Verletzung oder Durchtrennung der extrahepatischen Hauptgallengänge bei der Gallenblasenentfernung sollte aufgrund der möglichen nachfolgenden Komplikationen vermieden werden. Der CVS kann vor allem bei technisch einfacheren laparoskopischen Gallenblasenentfernungen helfen, diese Komplikation zu vermeiden.

  • Das hier präsentierte Notensystem der CVS-Bilder ist eine mögliche Methode zur intraoperativen Objektivierung der Anatomie.

  • Die Qualität der CVS-Bilder ist sehr unterschiedlich und nicht jede laparoskopische Gallenblasenentfernung ist mit einem sehr guten CVS-Bild (Note 1) verbunden. Bei Patienten mit einer Note bis 2 besteht allerdings eine große Sicherheit, Verletzungen des Gallengangs zu vermeiden. Spätestens ab einer CVS-Note von 3 sollte erwogen werden, Bailout-Prozeduren anzuwenden.

  • Das gespeicherte CVS-Bild stellt ein medizinisches Dokument dar, welches die konkrete Anatomie vor Durchtrennung der Strukturen nachweislich bezeugt. Es kann daher sinnvoll sein, auf die CVS-Bildqualität zu achten, mehrere CVS-Bilder aufzunehmen, auf ein CVS-Bild zu verzichten und/oder die chirurgischen Präparationsschritte noch detaillierter im Operationsbericht zu beschreiben.