Hintergrund und Fragestellung

Die routinemäßige Serumkalziumbestimmung hat zu einer früheren Erkennung des primären Hyperparathyreoidismus (pHPT) geführt. Das Symptomspektrum hat sich darunter verändert. Während früher bei pHPT-Patienten Nephrolithiasis und Knochenerkrankungen dominierten, sind die vorherrschenden Symptome heute bei Patienten mit nur gering erhöhtem Serumkalzium und Parathormon vor allem unerklärte Müdigkeit, kognitive und Schlafstörungen. Ziel der vorliegenden Studie war daher, herausfinden, ob und wenn ja welche chirurgisch relevanten Besonderheiten kleine Nebenschilddrüsenadenome (NSDA) mit niedrig erhöhten Serumkalzium- und Parathormonwerten aufweisen.

Methoden

Die retrospektive Untersuchung umfasste insgesamt 3974 pHPT-Patienten, die 1997 bis 2011 in einem universitären Zentrum von vier endokrinen Chirurgen unter Einsatz der intraoperativen PTH-Bestimmung (IOPTH) parathyreoidektomiert wurden. Bei allen Patienten erfolgte präoperativ eine bildgebende Lokalisationsdiagnostik und intraoperativ eine Größen- und Gewichtsbestimmung der entfernten Nebenschilddrüse(n) (NSD). Bei einem Gewicht von < 50 mg wurde die NSD als normal gewertet, bei einem Gewicht von bis zu 200 mg als Mikroadenom. Erfolgskriterium einer erfolgreichen Parathyreoidektomie (PTX) war der intraoperative PTH-Abfall von mindestens 50 % verbunden mit dem Erreichen des Normalbereiches.

Ergebnisse

Von insgesamt 1150 die Einschlusskriterien erfüllenden Patienten hatten 145 (13 %) ein Mikroadenom. Zusammengefasst waren die wichtigsten Ergebnisse folgende:

  • Es bestand eine positive Korrelation zwischen der Höhe des Serumkalziumwertes und dem Gewicht des NSDA. Da über den 15-jährigen Beobachtungszeitraum die präoperativ erhöhten Kalziumwerte der pHPT-Patienten sukzessive abnahmen, verringerte sich dementsprechend auch die durchschnittliche NSD-Größe bzw. das Gewicht der NSDA. Am Ende des Beobachtungszeitraums war das durchschnittliche Gewicht der NSDA nur noch etwa die Hälfte dessen zu Beginn des Zeitraumes.

  • Die Frequenz von Mehrdrüsenerkrankungen (MDE) lag bei 15 % und veränderte sich über den Gesamtzeitraum nicht. Patienten mit MDE hatten signifikant niedriger erhöhte Serumkalziumwerte und signifikant häufiger eine präoperativ negative Bildgebung verglichen mit Patienten mit einem Einzeladenom.

  • Bei Vorliegen von Mikroadenomen war signifikant häufiger als bei Makroadenomen eine bilaterale Halsexploration erforderlich. Wenn die erste entfernte NSD ein Mikroadenom war, stieg die Rate MDE von 11 auf 40 %, die Häufigkeit initial inadäquater IOPTH-Abfälle von 67 auf 79 %, die Misserfolgsrate von 0,7 auf 6,6 % und die Rezidivrate von 0,3 auf 1,6 %.

Diskussion und Fazit

Die infolge routinemäßiger Serumkalziumbestimmung zunehmende Früherkennung des pHPT hat zur Folge, dass vermehrt NSDA geringerer Größe vorliegen und die Rate präoperativ negativer Bildgebungen steigt. Chirurgisch relevantes Hauptergebnis der Studie ist, dass bei initial im Rahmen der Exploration resezierten Mikroadenomen die Häufigkeit von Mehrdrüsenerkrankungen und das Misserfolgsrisikos signifikant ansteigen. Für die chirurgische Praxis folgt daraus folgendes Fazit:

  • Bei eindeutiger Laborchemie eines pHPT besteht trotz der bei Mikroadenomen mit niedrig erhöhten Kalzium- und Parathormonwerten häufig negativen Bildgebung wegen der fast immer eruierbaren Symptome in aller Regel eine Operationsindikation mit Aussicht auf erfolgreiche Beseitigung des pHPT.

  • Bei Mikroadenomverdacht (niedrig erhöhtes Serumkalzium und Parathormon, negative Bildgebung) sollte primär, spätestens jedoch bei inadäquatem Abfall des IOPTH nach der erstresezierten NSD eine Vierdrüsenexploration erfolgen. Um Misserfolge zu vermeiden, sollten NSD-Operationen bei Mikroadenomen daher nur bei Verfügbarkeit und strengen Erfolgskriterien des IOPTH vorgenommen werden.