Die Herausforderungen in der Transplantationsmedizin haben sich in den letzten 30 Jahren rapide geändert. Zu Beginn dieses recht jungen Zweiges der Medizin, war es oberstes Ziel, das Patientenüberleben durch adäquate Spenderauswahl sowie operative Technik beim Empfänger zu ermöglichen und später durch die Entdeckung potenter immunsuppressiver Medikamente zu verbessern [1, 2, 3, 4, 5]. Diesen anfänglichen Pionierleistungen folgte die Herausforderung, das Langzeitüberleben von Transplantaten und Empfängern zu sichern [6, 7, 8, 9]. Heute haben maligne Tumoren, Langzeitnebenwirkungen der immunsuppressiven Medikamente und Stagnation der Spendebereitschaft mit entsprechender Abnahme der Organqualität (zumindest in der Eurotransplantregion) einen starken Einfluss unter anderem auf Lebensdauer und Lebensqualität nach Organtransplantation [10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19]. Viele der heute als selbstverständlich erachteten Behandlungsmethoden beruhen auf Empirie und wurden in einem ethisch-medizinisch-rechtlich toleranten Umfeld etabliert, welches es erlaubte, frühe, teils fatale Misserfolge und Rückschläge der Transplantation im Menschen zu erfahren und zu erkunden [20, 21]. Dies ermöglichte schließlich Langzeiterfahrungen, durch die Methoden erfolgreich optimiert und für Empfänger sicher gestaltet werden konnten.

Heute sieht man sich mehr denn je einem verbindlichen Druck ausgesetzt, klinische Entscheidungen auf dem Boden medizinischer Evidenz zu treffen, also einem ärztlichen Handeln, auf der Grundlage bewussten, ausdrücklichen und wohlüberlegten Gebrauchs der jeweils besten Informationen für Entscheidungen [22, 23]. Die prospektiv randomisierte Studie stellt hier den Goldstandard zur Klärung wissenschaftlicher Fragestellungen und Schaffung von Evidenz hohen Grades dar [24]. Klinische Evidenz auf höchstem wissenschaftlichem Niveau erfordert einen hohen finanziellen und logistischen Aufwand, der häufig in einem eklatanten Missverhältnis zu vorherrschenden infrastrukturellen Bedingungen an Kliniken steht oder nur durch das Engagement der forschenden Industrie als Sponsor durchführbar erscheint. Dieses offensichtliche Problem werden wir im Folgenden beleuchten, Alternativen und damit verbundene Herausforderungen aufzeigen sowie mögliche problemlösende Ansätze herausarbeiten und anbieten. Als Grundlage unserer Argumentation und Ausführung dient die sog. SiLVER-Studie, ein Beispiel für eine multizentrische, internationale Studie mit translationalen Ansatz, welche als „investigator initiated trial“ (IIT) mit einem universitären Sponsor (Universität Regensburg) durchgeführt wird [25].

SiLVER-Studie

Die SiLVER-Studie untersucht den Einfluss von Sirolimus auf das rezidivfreie Überleben von Patienten nach Lebertransplantation bei einem hepatozellulären Karzinom. Daten aus der Grundlagenforschung weisen auf einen starken antitumorigenen Effekt von Sirolimus, einem mTOR-Inhibitor, hin. Gängige Immunsuppressiva, die sog. Kalzineurininhibitoren (CNI) wie Cyclosporin und Tacrolimus, hingegen fördern möglicherweise Tumorwachstum – diese Annahme gründet auf basiswissenschaftlichen Experimenten und einer Vielzahl von klinischen Langzeitbeobachtungen in großen Patientenkollektiven. So ist die Rezidivrate nach immunsuppressiver Therapie mit CNI höher als nach Therapie mit mTOR-Inhibitoren und auch die Inzidenz an malignen Tumoren nach Organtransplantation ist nicht nur deutlich gegenüber der Restbevölkerung erhöht, sondern zugleich auch eine sehr häufige Todesursache [10, 11, 28, 29, 30, 31, 32]. Aufgrund der niedrigen klinischen Evidenz war daher eine klinische Studie zur Klärung oben genannten Sachverhaltes indiziert und wurde in Form einer IIT schließlich initiiert. Aus der Organisation dieser Studie erwuchs eine Vielzahl an Erfahrungen, die für spätere Vorhaben anderer Arbeitsgruppen in der Planung und Umsetzung einer IIT Hilfestellung bieten soll.

Wissenschaftliche Fragestellung vs. Marketing und „product placement“

IITs beschreiben Projekte, die durch Forscher angestoßen werden, um wissenschaftlich ungeklärte Fragestellungen aus dem klinischen Alltag oder auf translationaler Basis zu untersuchen. Hierbei steht die wissenschaftliche Fragestellung, unabhängig von den möglicherweise eingesetzten Arzneimitteln oder Medizinprodukten im Vordergrund [33, 34]. Allerdings ist oftmals nicht geklärt, wie das Forschungsvorhaben finanziert wird. Dem gegenüber stehen sog. industriegesponserte Studien, die häufig – aber nicht immer – Marketingstrategien und Produktplatzierung mit untergeordneter wissenschaftlicher Fragestellung verfolgen und über eine recht üppige finanzielle Ausstattung verfügen. Industriegesponserte Untersuchungen sind unabdingbar, wenn es darum geht, neue Produkte und Arzneien in den Markt einzuführen und eine breite Zulassung für ein bestimmtes Produkt zu erhalten [35, 36]. Dies sichert den medizinischen Fortschritt und ermöglicht eine stetige Verbesserung der Versorgung unserer Patienten. Für spezifische medizinisch-wissenschaftliche Fragestellungen erscheinen sie aber häufig ungeeignet. Jedes pharmazeutische Unternehmen unterliegt marktspezifischen Regeln und Konkurrenzdruck, der puristische wissenschaftliche Fragestellungen in großen Studien nur bis zu einem bestimmten Maß zulässt.

Die spezifisch wissenschaftliche Ausrichtung ist somit ein wesentliches Merkmal der IIT. Welche Möglichkeiten gibt es nun, ein solches Projekt zu verwirklichen (was in den meisten Fällen gleichbedeutend ist mit „zu finanzieren“) und welchen Herausforderungen muss man sich als Forscher stellen?

Finanzierung einer IIT

Prinzipiell bestehen zahlreiche Möglichkeiten der Finanzierung:

  1. I.

    Ein Industriesponsor kann die finanzielle Unterstützung unter Abgabe der Sponsorverpflichtungen an eine universitäre Einrichtung übernehmen. Hierbei sollten vertraglich die klare wissenschaftliche Ausrichtung, Verbleib der Daten und v. a. die unabhängige Publikation der Daten vertraglich festgelegt sein, um einen Interessenkonflikt auf Seiten der Forscher zu minimieren. Auf diese Weise können große translationale nationale und multinationale RCTs finanziert und durchgeführt werden (Modell SiLVER-Studie).

  2. II.

    Finanzierungsmöglichkeiten für RCTs bestehen zudem in einer Finanzierung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung [37]. Diese staatliche Initiative fördert gezielt die Umsetzung randomisierter klinischer Studien in Deutschland. Das Antragsverfahren ist 2-stufig, hoch kompetitiv und mit einer sehr hohen Ablehnungsquote assoziiert. Nachteilig in diesem Finanzierungsverfahren ist, dass eingereichte Projekte national auf Deutschland beschränkt durchgeführt werden müssen.

  3. III.

    In Zukunft könnte ein weiteres Modell möglicherweise ebenfalls eine Rolle spielen, nämlich die Gründung und Förderung von spezifischen projektbezogenen Stiftungen. Gerade auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin kann man sich hierbei eine Vielzahl an Unterstützern vorstellen: Patienten, Angehörige, Verbände, zuweisende Kliniken, Universität, Stadt, Gesellschaften, Vereine, Alumni und Industrie. Vorteilig hierbei wäre ein rechtlich zweifelfreies Konstrukt, das Interessenkonflikte vermeidet und die ethische Integrität eines Projektes trägt [38].

Ein Überblick über mögliche Finanzierungsmodelle gibt Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der Finanzierung klinischer Studien: „investigator initiated trials“ vs. Industrie

Infrastrukturelle Voraussetzungen zur Durchführung von IITs

Unabhängig von der Art eines Antrages (AMG [Arzneimittelgesetz], MPG [Medizinproduktegesetz], Einreichung beim PEI [Paul-Ehrlich-Institut], Technikstudie) benötigt man als durchführende Einrichtung professionelles Personal. Neben einer gezielten Planung des Forschungsvorhabens (Rationale, Hypothese, zeitliche Planung, Protokoll, Ethik-, Behördeneinreichung, Patientenversicherung, Zentrenrekrutierung, Vertragsverhandlungen, evt. Data Safety Monitoring Board etc.) durch den Sponsor (mit Unterstützung von Studienkoordination, Biometrie und klinischem Studienmanager) müssen entsprechende Strukturen und entsprechendes Personal zur Durchführung des Monitorings, der zentralen und lokalen Betreuung der Studienzentren, der Arzneimittelsicherheit, der Vertragsverhandlungen, des Datenmanagements, Qualitätssicherung, und Versorgung mit beispielsweise Studienmedikation vorgehalten werden [34, 39]. Hierbei gibt es die Möglichkeit, bestimmte Tätigkeiten auszulagern, was sich v. a. bei multinationalen Studien anbietet (Modell SiLVER-Studie).

National durchgeführte Studien können unter Umständen von einer abteilungsinternen professionellen Studiengruppe rechtskonform durchgeführt werden. Mit dem nationalen Netzwerk der Koordinierungszentren für Klinische Studie bietet sich eine professionelle Möglichkeit zum Auslagern aller oder zumindest selbst nicht durchführbarer Aufgaben [40]. Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie bietet zudem professionelle Unterstützung über das an der Universität Heidelberg lokalisierte Studienzentrum der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie an (SDGCH) [41].

International durchgeführte Studien bergen deutlich mehr Herausforderungen als nationale und erfordern u. U. die Zusammenarbeit mit einem Auftragsforschungsinstitut (Clinical Research Organisation, CRO). Der Vorteil professioneller CROs ist eine multinationale Ausrichtung mit Niederlassungen in oftmals praktisch allen für die Studie relevanten Ländern, wodurch logistische, administrative und länderspezifische Prozesse (Behörden-, Ethikeinreichung, Vertragsverhandlungen, länderspezifischer Versicherungsabschluss, Monitoring usw.) deutlich erleichtert werden sollen, auf der anderen Seite aber sehr kostenintensiv sind. Einrichtungen, an die studienspezifische Aufgaben delegiert werden können, sind in Abb. 2 aufgezeigt.

Abb. 2
figure 2

Möglichkeiten zur Ausgliederung studienspezifischer Aufgaben in einem „investigator initiated trial“. CRO Clinical Research Organization, KKS/ZKS Koordinierungs-/Zentren für klinische Studien

Fallstricke bei der Durchführung internationaler IITs nach AMG

Ethikvoten

Das Einholen der Ethikvoten kann im internationalen Setting trotz EU-Gesetzgebung zur Harmonisierung von klinischen Studien ein höchst heterogener Prozess sein, wie von uns in Schnitzbauer et al. [41] beschrieben, und kann damit zu einer signifikanten Verzögerung des Starts einer Studie in manchen Ländern und einem damit verbundenen unerfreulichen Anstieg der Kosten sowie verzögerter Rekrutierung von Probanden führen. Ähnliches gilt für das Einholen der Genehmigung bei allen anderen relevanten Behörden („regulatory approval“).

Rechtliche Verantwortung

Ein grundsätzliches Problem von IITs stellt die rechtliche Verantwortlichkeit dar. Das Sponsoring wird in der Regel durch die Universität übernommen. Vertragliche Beziehungen müssen zudem zum finanziellen Unterstützer der Untersuchung und dem jeweiligen Studienzentrum geklärt sein. Auf EU-Ebene ergibt sich hierbei eine eindeutige Rechtslokalisation für das Land des Sponsors. In Nicht-EU-Ländern müssen rechtliche Sponsorverantwortlichkeiten u. U. an das lokale Zentrum übertragen werden. Hier muss im Einzelfall durch die Rechtsabteilung abgewogen werden, wie sie Verantwortlichkeiten entsprechend den Risiken einschätzt und dann auch übernimmt und trägt. Nachteilig ist zudem, dass es für Verträge bisher keine Harmonisierungsbestrebungen auf internationaler Ebene gibt. In manchen Ländern gibt es Vorgaben, die separate Verträge mit unterschiedlichen Partnern (Prüfarzt, Klinikverwaltung, Pharmazie, Behörde) oder nationale Vertragsvorlagen, unabhängig von den eigenen Vertragsvorlagen, einfordern. Solche Konstrukte können zu einem Scheitern des Forschungsvorhabens im jeweiligen Land führen. Hier benötigt man eine unbedingte Unterstützung einer professionellen Rechtsabteilung mit der Notwendigkeit hoher Flexibilität auf Seiten aller Vertragspartner.

Arzneimittelsicherheit

Eines der wichtigsten Themen in Zusammenhang mit der Durchführung von Studien nach AMG ist die Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit. Pharmazeutische Unternehmen unterhalten in Studien große Pharmakovigilanzabteilungen, die in der Regel an Universitätskliniken nicht vorhanden sind. Unerwünschte Ereignisse müssen von den Studienzentren zentral an den Sponsor gemeldet werden. Die Ereignisse werden beurteilt und eingeschätzt, ob eine Benachrichtigung der Behörde und der Ethikkommission notwendig ist. Jährliche Berichte müssen an zuständige Behörden gesandt werden. Dieser sog. „annual safety report“ (ASR) besteht aus 3 Teilen:

  • Sicherheitsanalyse,

  • „line listings“ aller SAEs, die kausal im Zusammenhang mit der Therapie stehen („suspected serious adverse reactions“) und

  • zusammenfassende Tabellen dieser Ereignisse (nach Körpersystem).

Diese müssen an alle Behörden und Ethikkommissionen gemeldet werden; schwerwiegende unerwartete unerwünschte Ereignisse („suspected unexpected serious adverse reactions“, SUSAR) müssen darüber hinaus an alle Behörden, inkl. European Medicines Agency (EMEA), und alle Prüfzentren gemeldet werden. Wichtig hierbei ist, dass die meisten Behörden mittlerweile nur noch elektronische Meldungen akzeptieren. Hierzu sind eine Online-Registrierung und eine Online-Übermittlung der Daten über ein spezielles Eingabeprogramm zur korrekten Darstellung und Übermittlung der Daten notwendig (hoher Personalaufwand). Ein Modell zur effektiven und v. a. rechtlich integeren Meldung von Pharmakovigilanzdaten in IITs kann daher die Nutzung von Datenbanken von kooperierenden Partnern der pharmazeutischen Industrie darstellen, wodurch die zentrale Eingabe von Fällen und deren korrekte Weiterleitung an alle kompetenten Behörden gewährleistet wird.

Fazit

Klinische Studien sind essenziell für die Umsetzung translationaler Forschung. Daher sollten klinische Akademiker (wissenschaftlich orientierte Ärzte) als Verbindungsglied zwischen Grundlagenforschung und akademischen Klinikern (in einer akademischen Einrichtung tätige Kliniker) fungieren. Nur so können wissenschaftliche Fragestellungen in klinische Medizin umgewandelt werden.

Prospektiv randomisierte Studien in Form von IITs stellen den Goldstandard dar. Finanzierungsmöglichkeiten bestehen auf nationaler Ebene durch die Förderung von RCTs durch das BMBF, im nationalen und internationalen Setting durch die Industrie unter Verbleib der Sponsorpflicht und der wissenschaftlichen Verantwortung bei der universitären Einrichtung. Stiftungen stellen einen weiteren Ansatzpunkt zur Finanzierung dar, sind jedoch in Deutschland, im Gegensatz zu den USA, bisher deutlich unterentwickelt.

Darüber hinaus bergen IITs zahlreiche Herausforderungen und Fallstricke, die funktionierende klinische Studiengruppen mit fundierten Kenntnissen der „good clinical praxis“ (GCP) sowie der entsprechenden zur Anwendung kommenden Gesetze, Infrastruktur sowie ausreichender finanzieller Ausstattung voraussetzen.

Die SiLVER-Studie ist hierbei ein recht gutes Beispiel einer internationalen Zusammenarbeit von Transplantationszentren, die sich einem gemeinsamen wissenschaftlichen Ziel verschreiben und somit evidenzbasierte Medizin durch eine IIT schaffen.

Einen schematischen Überblick über die Entstehung evidenzbasierter Medizin im Vergleich zu „Eminenz“-basiertem medizinischem Handeln gibt Abb. 3.

Abb. 3
figure 3

Evidenz- vs. „Eminenz-“basierte Medizin. Möglichkeiten der Generierung von evidenzbasierter Medizin