Einleitung

Obwohl immer mehr Tätigkeiten potenziell automatisiert werden können [1], hat die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Dies gilt in besonderem Maße für Beschäftigte in Pflege- und Heilberufen. So ist unter den Alten- und Krankenpflegekräften seit 2014 eine Zunahme um 16 % [2] sowie bei Ärzten und Ärztinnen eine Zunahme von 7 % [3] zu verzeichnen. Auch zeigt sich bislang nicht, dass ganze Berufe im nennenswerten Maße vom Arbeitsmarkt verschwinden – ein (Angst‑)Szenario, das in der öffentlichen Debatte häufig genannt wird. Sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass sich Berufsbilder verändern und einzelne automatisierbare Tätigkeiten von Computern oder Robotern übernommen werden [4]. So berechnet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dass in Deutschland derzeit deutlich weniger als 20 % der Berufe automatisiert werden können, mehr als ein Drittel sich jedoch signifikant verändern wird [5]. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit kommt zu vergleichbaren Zahlen [1], zeigt aber auch, dass die Anteile an automatisierbaren Tätigkeiten in einigen Berufen in nur wenigen Jahren drastisch gestiegen sind [4]. Dies gilt jedoch weniger für Gesundheitsberufe, hier sind derzeit relativ stabil etwa 20 % der Tätigkeiten in Gesundheitsberufen durch Computer und Maschinen ersetzbar [4]. Die Autorinnen dieser Studie weisen zudem darauf hin, dass es nicht nur von den technischen Möglichkeiten abhängt, ob menschliche Tätigkeiten automatisiert und substituiert werden. Vielmehr spielen ethische sowie kulturelle und nicht zuletzt ökonomische Gründe eine entscheidende Rolle für die Kollaboration und Aufgabenallokation zwischen Mensch und Technik.

Generell scheinen sich Tätigkeiten durch den Einsatz digitaler Technologien zum Teil sehr schnell zu verändern [4], häufig sind diese Veränderungen jedoch inkrementell [6, 7]. Darüber hinaus verlieren einige Kerntätigkeiten bestimmter Berufe an Bedeutung, andere werden relevanter und verlangen neue bzw. erweiterte Kompetenzen der Beschäftigten [8]. Demgemäß werden Computerkenntnisse in den meisten Berufen ebenso vorausgesetzt wie der Umgang mit neuen Technologien und technisch unterstützten Prozessen. Andere Tätigkeiten stoßen an die Grenzen der Digitalisierung und werden im Kern erhalten bleiben. Darunter fallen auch interaktive Tätigkeiten, die einerseits durch menschliche Unwägbarkeiten und andererseits durch besondere Wertschöpfung aus der menschlichen Interaktion direkt geprägt sind [9].

Es ist anzunehmen, dass sich verändernde Tätigkeiten mit neuen und sich wandelnden Arbeitsanforderungen und -bedingungen von Erwerbstätigen einhergehen und sich somit auch auf Arbeitszufriedenheit und Gesundheit auswirken können [10]. Dementsprechend wird das Pflegen, Betreuen und Heilen zwar wohl auch weiterhin die Kerntätigkeit vieler (nicht-)medizinischer Gesundheitsberufe darstellen. Durch einen flächendeckenden Einsatz von Kommunikations- und Informationsmedien oder aber durch eine zunehmende Verbreitung digitaler Diagnostikinstrumente und robotischer Transportsysteme werden aber auch neue Anforderungen an die Beschäftigten gestellt [11].

Schon die einleitende gesamtwirtschaftliche Beschreibung zeigt, dass es sich bei der Digitalisierung im Kern um einen Wandlungsprozess handelt, der sich durch eine Durchdringung der Arbeitswelt mit neuen (digitalen) Technologien auszeichnet und Menschen sowie Objekte stärker miteinander vernetzt. Diese Veränderungen stellen die Arbeitswelt zwar nicht grundlegend auf den Kopf, verändern aber die Arbeitsaufgaben vieler Erwerbstätiger. Daran anschließend stellt sich die Frage, welche möglichen Auswirkungen der digitale Wandel auf die Arbeitsanforderungen von Beschäftigten nimmt. Es wird angenommen, dass sich Auswirkungen in erster Linie durch arbeitsorganisatorische Veränderungen ergeben, die mit dem technologischen Wandel einhergehen. Dabei kann grundsätzlich zwischen belastenden Anforderungen und förderlichen bzw. entlastenden Ressourcen unterschieden werden. Der Beitrag stellt – exemplarisch für Beschäftigte mit pflegerischen und medizinischen sowie Betreuungstätigkeiten – dar, mit welchen spezifischen Anforderungen Beschäftigte in Deutschland derzeit konfrontiert sind. Insbesondere vor dem Hintergrund des digitalen Wandels soll diskutiert werden, inwiefern sich bekannte Anforderungen für dieses Tätigkeitsfeld verändern und mögliche Risiken an Bedeutung gewinnen. Dies erscheint zunächst deswegen zentral, da auch lange bekannte Problemlagen, wie etwa eine in den betrachteten Tätigkeitsbereichen weitverbreitete hohe Arbeitsintensität oder einseitige körperliche Beanspruchungen, in der Diskussion um eine zunehmende Digitalisierung nicht vergessen werden sollten. Als Datengrundlage dient die Erwerbstätigenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), eine repräsentative Erwerbstätigenbefragung, die auch einen Vergleich der Jahre 2006, 2012 und 2018 ermöglicht [12]. Außerdem werden Chancen und Risiken für das Tätigkeitsfeld des Pflegens, Betreuens und Heilens im digitalen Wandel kritisch diskutiert. Schließlich wird ein Ausblick auf mögliche hinzukommende neue Herausforderungen gegeben.

Ist Digitalisierung eine Form der Restrukturierung?

Die derzeitige Digitalisierung der Arbeit stellt einen weiteren Schritt der bereits seit mehreren Jahrzehnten andauernden Technisierung von Arbeit [13] dar. Nach Schwemmle und Wedde [14] kann unter digitaler Arbeit allgemein sowohl die Arbeit mit digitalen Arbeitsmitteln (z. B. mit stationären wie auch mobilen vernetzten Computern, Tablets, Smartphones) als auch die Arbeit an digitalisierten Arbeitsgegenständen (in erster Linie digital bestehenden Informationen) verstanden werden. Was genau unter digitaler Arbeit gefasst wird und welche Arbeitsmittel zum Einsatz kommen, hängt stark von den jeweils zu verrichtenden Tätigkeiten ab. Daran angelehnt wird Digitalisierung im vorliegenden Beitrag sehr weit als Durchdringung der Arbeit mit neuen Technologien (digitalen Arbeitsmitteln) begriffen. Diese können sehr vielfältig sein und reichen z. B. vom mobilen Arbeiten mit dem Laptop oder Tablet bis hin zum Arbeiten in hoch komplexen cyberphysischen Systemen.

Im Sinne soziotechnischer Systemansätze haben (technische) Arbeitsmittel jedoch nur selten einen monokausalen Einfluss auf die Beschäftigten. Vielmehr sind es die Schnittstellen zwischen Mensch, Technik und Organisation [15], also der menschliche Umgang mit Technik und die organisatorische Einführung neuer Technologien, die Chancen und Risiken für Beschäftigte bergen. Empirische Analysen zeigen, dass organisationale Restrukturierungen eng mit der Einführung neuer Technik und neuer Computerprogramme einhergehen [16]. Dementsprechend kann angenommen werden, dass Arbeitsbedingungen ganz zentral durch den arbeitsorganisatorischen Wandel beeinflusst werden, der mit dem technologischen Wandel einhergeht.

Die am häufigsten mit Restrukturierung einhergehenden Faktoren, die langfristig auch gesundheitliche Risiken bergen können, sind Arbeitsintensivierung [16] und Unsicherheit [17, 18]. Beide scheinen auch in einem engen Zusammenhang mit der zunehmenden Digitalisierung zu stehen. So wird insbesondere Arbeitsverdichtung und -beschleunigung in unterschiedlichen Studien mit Digitalisierung assoziiert [19, 20]. Hierfür werden unterschiedliche, zum Teil vielschichtige Ursachen angeführt. Einerseits wird angenommen, dass ständige (technologische oder technologiegetriebene) Restrukturierungsprozesse den Druck auf Beschäftigte erhöhen, die Aufgabenvielfalt und Multitasking zunehmen und immer mehr Aufgaben gleichzeitig erledigt bzw. im Blick gehalten werden müssen. Andererseits wird angeführt, dass mit zunehmender Digitalisierung die Komplexität vieler Arbeitsinhalte ansteigt und eine wachsende Anzahl an Informationen – potenziell zeitgleich – verarbeitet werden muss [21, 22]. Schließlich scheinen Kommunikationswege verkürzt und Produktions‑, Dienstleistungs- und Kommunikationsprozesse beschleunigt zu werden [23, 24].

Der Zusammenhang zwischen der zunehmenden Digitalisierung und Unsicherheiten hingegen erscheint komplexer. So zeigen erste empirische Untersuchungen, dass einige Beschäftigte aufgrund der Digitalisierung allgemein Angst vor einem Arbeitsplatzverlust haben [25]. Andere Studien deuten jedoch darauf hin, dass nur ein kleiner Teil der Beschäftigten eine Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes wahrnimmt [20]. Folglich scheint ein vergleichsweise allgemeines Unsicherheitsempfinden mit relativer Jobsicherheit auf individueller Ebene einherzugehen. Insgesamt scheint Arbeitsplatzunsicherheit vor allem durch die mediale Wahrnehmung und die in einigen Bereichen fortschreitende Automatisierung getrieben zu sein [25].

Während Restrukturierungen mit einer Reihe von gesundheitlichen Risiken verbunden sind [16], werden mögliche Chancen bislang wenig beachtet. Im Kontext der Digitalisierung als Form einer technologischen Restrukturierung lassen sich dennoch einige Chancen ableiten. So berichten mehr als ein Viertel der Beschäftigten von einer körperlichen Entlastung durch technologische Erneuerungen – bei den Beschäftigten mit hohen Anteilen physisch anstrengender Arbeit sogar mehr als ein Drittel [20]. Auch gehen einige Studien davon aus, dass mit zunehmender Digitalisierung die Handlungsspielräume von Beschäftigten steigen [10, 20]. Im Sinne des Anforderungskontrollmodells von Robert Karasek gilt der Handlungsspielraum, also z. B. die Möglichkeit, die Arbeit selbst planen, koordinieren und einteilen zu können, als Ressource bei der Bewältigung von Arbeitsanforderungen [26]. Einschränkend ist jedoch zu erwähnen, dass tiefer gehende Analysen auf einen differenzierten Zusammenhang zwischen Digitalisierung und dem individuellen Handlungsspielraum hinweisen. Zwar scheinen einige Beschäftigtengruppen durch bestimmte Technologien an Handlungsspielraum zu gewinnen, bei anderen hingegen können abnehmende Handlungsspielräume und steigende Monotonie beobachtet werden [19].

Anforderungen im Tätigkeitsfeld Pflegen, Betreuen und Heilen

Im vorangegangenen Abschnitt wurden Chancen und Risiken, die mit organisationalen Veränderungen allgemein und dem digitalen Wandel im Speziellen einhergehen, dargestellt. Auf Basis der zur Verfügung stehenden Daten lässt sich nicht überprüfen, ob die Digitalisierung eine Zu- oder eine Abnahme der angesprochenen Chancen und Risiken bewirkt. Hierzu werden abschließend einige Überlegungen diskutiert. Was jedoch anhand empirischer Daten untersucht werden kann, ist die Verbreitung der dargestellten Anforderungen im Tätigkeitsfeld des Pflegens, Betreuens und Heilens. Der Tätigkeitsbezug wurde bewusst anstelle eines Berufsvergleiches gewählt, denn so werden in erster Linie Beschäftigte betrachtet, die mit den Kernaufgaben des Pflegens, Betreuens und Heilens betraut sind. Beschäftigte in diesem Feld, die überwiegend andere, z. B. administrative oder Managementtätigkeiten ausüben, werden somit nicht berücksichtigt. Darüber hinaus kann – wie oben diskutiert – angenommen werden, dass sich die Veränderungen durch den digitalen Wandel in Tätigkeiten und nicht sofort in Berufen niederschlagen.

Die empirischen Darstellungen basieren auf der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung der Jahre 2006, 2012 und 2018. Die BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung ist eine repräsentative, telefonische Querschnittsbefragung von Erwerbstätigen, die alle 6 Jahre gemeinsam von BIBB und BAuA durchgeführt wird. Insgesamt wurden zu jedem der 3 Erhebungszeitpunkte jeweils ca. 20.000 Erwerbstätige ab 15 Jahren befragt, die mindestens 10 h pro Woche einer bezahlten Tätigkeit nachgehen [12, 27, 28]. Für die Analysen wurden alle Erwerbstätigen (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ebenso wie Beamte und Selbstständige) bis zu einem Alter von einschließlich 65 Jahren berücksichtigt, soweit sie gültige Angaben zu den für die Darstellungen relevanten Fragen gemacht haben. Im Fokus der folgenden Auswertungen stehen Beschäftigte, die häufig pflegen, betreuen oder heilen. Pflegen, betreuen oder heilen stellen in erster Linie personenbezogene, dialogische Tätigkeiten dar [29, 30]. Dabei sind unterschiedliche Konstellationen denkbar: die passive dialogische Tätigkeit (beispielsweise das Waschen einer Komapatientin oder das Operieren einer narkotisierten Person), die geteilte interaktiv-dialogische Tätigkeit (z. B. das Befragen eines zu diagnostizierenden Patienten) und die gegensätzliche interaktiv-dialogische Tätigkeit (z. B. das Fixieren einer Patientin bei akuter Selbstgefährdung). Bei allen drei Konstellationen wird durch die Handelnden versucht Einfluss auf den „Arbeitsgegenstand“ der Person auszuüben. Zu beachten ist, dass interaktiv-dialogische Tätigkeiten nie isoliert vorkommen. Vielmehr bündeln sich innerhalb einer Person häufig interaktiv-dialogische und monologische Tätigkeiten. Dementsprechend entfällt auf eine Pflegekraft nicht nur das Pflegen als interaktive Tätigkeit, sondern auch die Dokumentation und Administration als monologische Tätigkeit [31].

In der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung können die Befragten für 16 verschiedene Tätigkeitsbereiche angeben, ob sie diese häufig, manchmal, selten oder nie ausüben. Im Folgenden werden Beschäftigte, die angeben, häufig zu pflegen, zu betreuen oder zu heilen, mit Beschäftigten verglichen, die dies nicht häufig tun. Der Tätigkeitsbezug wurde bewusst gewählt, um Anforderungen zu identifizieren, die mit eben diesen Tätigkeiten einhergehen. Eine Einschränkung auf pflegerische oder medizinische Berufe erfolgt aufgrund der gewählten Herangehensweise explizit nicht. Zu berücksichtigen ist somit jedoch, dass sich aufgrund der gleichzeitigen Abfrage unterschiedlicher Tätigkeiten innerhalb der interessierenden Beschäftigtengruppe auch Beschäftigte befinden, die nicht vorrangig in Gesundheitsberufen arbeiten. Zu nennen sind hier z. B. soziale Berufe oder Erziehungsberufe, bei denen die Betreuungstätigkeit im Vordergrund steht. Weitere Auswertungen nach Berufen zeigen jedoch, dass über die Erhebungszeitpunkte hinweg über 90 % der Beschäftigten in Gesundheits- und Pflegeberufen, wie z. B. in der Alten‑, Gesundheits- und Krankenpflege oder Ärztinnen und Ärzte, angeben häufig zu pflegen, zu betreuen oder zu heilen. Innerhalb der sozialen Berufe und Erziehungsberufe geben dies etwa 72–75 % der Beschäftigten an.

Tab. 1 stellt die Verbreitung verschiedener Arbeitsanforderungen für die beiden Gruppen gegenüber. Mittelwertunterschiede werden mithilfe von t‑Tests auf statistische Signifikanz überprüft (Vergleich: nicht häufig vs. häufig). Insgesamt geben über die Jahre hinweg gleichbleibend etwa 17 % der Erwerbstätigen an häufig zu pflegen, zu betreuen oder zu heilen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich die Kerntätigkeiten von Gesundheits- und Betreuungsberufen zwischen den Erhebungszeitpunkten 2006, 2012 und 2018 nicht stark verändert haben.

Tab. 1 Verbreitung verschiedener Arbeitsanforderungen im Tätigkeitsfeld „Pflegen, Betreuen, Heilen“: häufig vs. nicht häufig (in %). Vergleich der Erwerbstätigenbefragungen 2006, 2012 und 2018 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

In Bezug auf den technologischen Wandel zeigt sich, dass die personenbezogene Tätigkeit des Pflegens, Betreuens und Heilens weniger computerisiert ist als andere Tätigkeitsbereiche (Tab. 1, „nicht häufig“) und dass auch die Kommunikation über das Internet eine untergeordnete Rolle spielt. Zudem berichten Beschäftigte des Tätigkeitsfeldes „Pflegen, Betreuen und Heilen“ seltener von einer betriebsbezogenen Einführung neuer Computerprogramme innerhalb der letzten 2 Jahre. Dieser Befund geht mit denen anderer Studien einher, die dem Gesundheitswesen einen geringen Grad der Digitalisierung bescheinigen [32].

Betrachtet man die durchschnittlichen psychischen Anforderungen zeigt sich zunächst, dass einige Anforderungen bei Beschäftigten mit Pflege‑, Betreuungs- und Heiltätigkeiten vergleichsweise weitverbreitet sind. So wird in diesen Tätigkeitsbereichen häufiger von starkem Termin- oder Leistungsdruck, von der Notwendigkeit, schnell arbeiten zu müssen, sowie vom häufigen Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit berichtet.

Darüber hinaus fallen die anhaltend hohen körperlichen Belastungen auf. Etwa jeder bzw. jede dritte Beschäftigte mit Pflege‑, Betreuungs- und Heiltätigkeiten gibt an, häufig schwer heben zu müssen. Und auch über ein Viertel arbeitet häufig in Zwangshaltungen. Über die Jahre hinweg ist kein Rückgang der körperlichen Beanspruchungen erkennbar.

In Bezug auf die Ressource des Handlungsspielraums zeigen sich weniger konsistente Ergebnisse. Während 2006 noch ein höherer Handlungsspielraum zu verzeichnen war, zeigten sich 2012 keine eindeutigen Unterschiede mehr. 2018 berichteten durchschnittlich weniger Beschäftigte mit häufigen Pflege‑, Betreuungs- und Heiltätigkeiten davon, ihre Arbeit selbst planen zu können.

Betrachtet man die selbst eingeschätzte Wahrscheinlichkeit, in nächster Zeit entlassen zu werden, als Indikator für Arbeitsplatzunsicherheit, lässt sich eine zeitliche Entwicklung erkennen. Während im Jahr 2006 Beschäftigte, die häufig pflegen, betreuen oder heilen, signifikant häufiger von einer erhöhten Unsicherheit berichten, schätzen sie die Wahrscheinlichkeit, entlassen zu werden, in den Jahren 2012 und 2018 als geringer ein als jene Beschäftigte, die diesen Tätigkeiten nicht häufig nachkommen.

Es ist nicht auszuschließen, dass die deskriptiven Ergebnisse auf Gruppenunterschiede, wie z. B. nach Geschlecht, Alter, Bildung oder Beruf, innerhalb der betrachteten Tätigkeitsgruppen zurückzuführen sind. Aus diesem Grund werden in einem nächsten Schritt für ausgewählte Arbeitsbedingungen lineare Regressionen geschätzt, die für diese Merkmale kontrollieren (Tab. 2): Geschlecht, 6 Altersgruppen, 8 Bildungsgruppen (nach internationalem Standard ISCED) und 32 Berufsgruppen (nach Klassifikation der Berufe [KldB] 1992Footnote 1). Insgesamt bestätigen die Regressionsanalysen die deskriptiven Zusammenhänge: Auch unabhängig von Geschlecht, Alter, Bildung und Beruf gehen die Tätigkeiten Pflegen, Betreuen und Heilen mit einem erhöhten Termin- oder Leistungsdruck und höheren körperlichen Belastungen durch schweres Heben einher. Bezüglich des Handlungsspielraums, abgebildet über das eigenständige Planen der eigenen Arbeit, sind hingegen zunächst keine Unterschiede erkennbar. Lediglich im Jahr 2018 berichten Beschäftigte, die häufig pflegen, betreuen und heilen, signifikant seltener davon, die Arbeit selbst planen zu können (vgl. Tab. 2). Geringe Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zeigen sich in Bezug auf Arbeitsplatzunsicherheit. Allerdings lässt sich im Einklang mit den deskriptiven Analysen über die Befragungen hinweg (2006, 2012, 2018) die Tendenz erkennen, dass die selbst eingeschätzte Wahrscheinlichkeit, entlassen zu werden, für Beschäftigte mit häufigen Pflege‑, Betreuungs- und Heiltätigkeiten zunehmend geringer ist als für Beschäftigte, die diesen Tätigkeiten nicht häufig nachgehen. Dies spiegelt womöglich den zunehmenden Fachkräftemangel in Pflege- und Betreuungsberufen wider.

Tab. 2 Zusammenhang zwischen ausgewählten Arbeitsanforderungen und dem Tätigkeitsfeld „Pflegen, Betreuen, Heilen“: Regressionsergebnisse (OLS; „Vergleich der Erwerbstätigenbefragungen 2006, 2012 und 2018 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“, ohne Datengrundlage)

Diskussion neuer Chancen und Risiken im digitalen Wandel

Auf Basis der Ergebnisse stellt sich die Frage, wie sich die Anforderungen im untersuchten Tätigkeitsfeld im Zuge der Digitalisierung verändern. Obwohl die dargestellten Zahlen zeigen, dass die Computernutzung vergleichsweise gering verbreitet ist, deuten andere Studien darauf hin, dass die allgemeine Annahme, dass das Gesundheits- und Sozialwesen einen schwach digitalisierten Bereich darstellt [33], zumindest differenziert zu betrachten ist. So zeigen aktuelle Studien, dass die Digitalisierung beispielsweise in Krankenhäusern sehr wohl durchgedrungen ist [34,35,36]. Neben der Verbreitung von Kommunikationstechnologien in der Krankenhausverwaltung sind dabei insbesondere die elektronische Dokumentation und eine zunehmende Technisierung der medizinischen Versorgung zu verzeichnen [36, 37]. Die kontroversen Ergebnisse deuten darauf hin, dass innerhalb der Gesundheitsberufe unterschiedliche Grade der Digitalisierung vorzufinden sind.

Entgegen der allgemeinen Annahme, dass es im Zuge der Digitalisierung zu einer Reduktion körperlicher Anforderungen kommt [20, 38], sind Pflege‑, Betreuungs- und Heiltätigkeiten über die Jahre hinweg mit vergleichsweise hohen physischen Anforderungen konfrontiert. Auch die Arbeitsintensität scheint sich auf einem anhaltend hohen Niveau zu befinden. Hier ist zunächst auch keine Entlastung zu erwarten, da durch digitale Steuerung und Optimierung wie auch eine zunehmende Informationsflut eher von einer weiter voranschreitenden Intensivierung auszugehen ist [19, 22]. Damit verbunden können potenziell positive Wirkungen von Digitalisierung durch die negative Wirkung der Arbeitsintensivierung überlagert werden. Selbst als Entlastung konzipierte Technologien, wie etwa Pflegeroboter oder digitale Sturzpräventionsmaßnahmen, sollten für Beschäftigte zunächst, wie jede technologische Restrukturierung, mit zunehmender Arbeitsintensität einhergehen – oder aber aufgrund von zu hohem zeitlichen Druck nicht korrekt angewendet werden. Wenig Entlastung scheint sich auch durch wachsende Handlungsspielräume zu ergeben. Vielmehr lassen sich im Ansatz Formen des digitalen Taylorismus, also ein Anstieg (digitaler) Vorgaben und Kontrolle, erkennen [39]. Durch die Vorgabe der Arbeitsaufgaben und -abläufe bleibt wenig Raum für eine Mitgestaltung der Arbeitsaufgabe.

Die im Vergleich als vermindert empfundene Arbeitsplatzunsicherheit der Beschäftigten mit pflegenden, betreuenden oder heilenden Tätigkeiten lässt sich vermutlich auf Entwicklungen am Arbeitsmarkt bzw. auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zurückführen. So werden insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zunehmend mehr Beschäftigte in pflegenden Tätigkeiten benötigt [40]. Dies scheint potenziellen Verunsicherungen aufgrund des digitalen Wandels überlegen zu sein. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Beschäftigte mit einem hohen Anteil an Pflege‑, Betreuungs- und Heiltätigkeiten mit anhaltend hohen Anforderungen konfrontiert sind, welche sich wohl zeitnah nicht pauschal durch die Digitalisierung reduzieren werden. Aufgrund des anhaltenden Anstiegs Pflegebedürftiger [41] sowie des damit einhergehenden Fachkräftemangels ist vielmehr zu befürchten, dass sich einige Anforderungen, wie etwa Arbeitsintensität und einseitige physische Beanspruchung, zukünftig noch weiter erhöhen werden. Auf Basis der dargestellten aktuellen Herausforderungen, kritischer Abwägung und unter Berücksichtigung erster weiterführender praxisorientierter Forschungsprojekte lassen sich als Ausblick dennoch einige Gestaltungshinweise geben.

Ausblick

Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) greift Chancen und Herausforderungen für 4 Anwendungsfelder moderner Technologien in Pflegetätigkeiten auf: für die elektronische Dokumentation, für technische Assistenzsysteme, für Telecare (Fernbetreuung) und für Robotik [36]. Basierend auf den Ergebnissen mehrerer Forschungsprojekte zeigen die Autorinnen, dass moderne, digitale Technologien u. a. den Informationsfluss und die Zusammenarbeit von Pflegenden (z. B. durch elektronisch geführte Patientenakten) verbessern und zu einer psychischen Entlastung (z. B. durch den Einsatz von Sensorsystemen) beitragen können [36]. Deutlich wird aber auch darauf hingewiesen, dass – gerade in der Einführungs- und Erprobungsphase – mit einem erheblichen zeitlichen Mehraufwand gerechnet werden muss. Ohne arbeitsorganisatorische Entlastung kann dies zu einer weiteren Verdichtung und Intensivierung der Arbeit führen. Dementsprechend weisen Bleses et al. [42] auf ein Paradoxon in der Pflegebranche hin: Durch die anhaltend hohe Arbeitsbelastung haben Pflegende kaum (zeitliche) Ressourcen, moderne, hilfreiche Technologien zu erlernen und in der Praxis anzuwenden.

Abschließend lässt sich festhalten, dass für eine menschen- und gesundheitsgerechte Gestaltung von Pflege‑, Betreuungs- und Heiltätigkeiten bestehende Problemlagen nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Neben den in diesem Beitrag u. a. dargestellten physischen Belastungen betrifft dies auch weitere Bereiche, wie zum Beispiel die Belastung durch Schichtarbeit und zeitlich entgrenztes Arbeiten [43]. Darüber hinaus sollten Problemlagen, die sich potenziell durch die Digitalisierung, aber auch durch einen zunehmenden Fachkräfteengpass verstärken, adressiert werden. Hierbei erscheint es hilfreich, bestehende Erkenntnisse zu den Auswirkungen betrieblicher Restrukturierung sowie Gestaltungshinweise für eben diese zu berücksichtigen. Schließlich sollten neue durch eine zunehmende Digitalisierung entstehende Problemlagen in den Blick genommen werden, die sich möglicherweise durch die Passungenauigkeit der Technik zur Arbeitsaufgabe, durch technische Fehler- und Störanfälligkeit [36] oder aber durch zunehmende Möglichkeiten der Überwachung und Leistungskontrolle [25] ergeben.