Hintergrund

Aufgrund der demografischen Entwicklung ist in vielen westlichen Ländern, auch in Deutschland, in den nächsten Jahrzehnten mit einem erheblichen Anstieg von Demenzerkrankungen zu rechnen [1]. Insbesondere wenn die geburtenstarken Jahrgänge, die aktuell mit einem Lebensalter von etwas über 50 Jahren den größten Anteil der Bevölkerung in Deutschland ausmachen, in ca. 20 Jahren ein Alter erreichen werden, in dem die Neuerkrankungsrate von Demenz exponentiell zunimmt, wird die Zahl der Erkrankten erheblich ansteigen. Zum aktuellen Zeitpunkt ist nicht absehbar, dass eine Demenz, die in 70–80 % der Fälle durch die Alzheimer-Krankheit verursacht wird, dann geheilt oder substanziell reversibel behandelt werden kann. Zwar wird es mit großer Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft möglich sein, mit Medikamenten den Erkrankungsverlauf zu verzögern. Den Zustand einer Demenz rückgängig zu machen, erscheint aber auch in den nächsten Jahrzehnten nahezu unmöglich [2].

Hieraus folgt, dass insbesondere die Früherkennung und Frühbehandlung sowie die Prävention von Demenzen noch mehr an Wichtigkeit gewinnen, um die weitreichenden Belastungen von Betroffenen, ihren Familien und Sozialsystemen abzumildern. Früherkennung und Frühdiagnostik beziehen sich in diesem Zusammenhang auf die individuelle Verlangsamung der Krankheitsprogression nach Symptombeginn zum Erhalt von Selbstständigkeit und Lebensqualität. Prävention meint die Reduktion der Neuerkrankungen durch die Behandlung molekularer Krankheitsprozesse oder durch die Reduktion von Risikofaktoren im Vorfeld der Symptomentwicklung. Insbesondere bei der Alzheimer-Erkrankung sind aufgrund von sehr erfolgreicher Forschung zu Biomarkern, molekularen Therapieansätzen und lebensstilbasierten Risikofaktoren sowohl Früherkennung als wahrscheinlich auch wirkungsvolle Prävention möglich [3]. Im Folgenden wird der aktuelle Forschungsstand zu diesen Themen zusammengefasst. Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um eine Übersichtsarbeit mit systematischer Literaturrecherche handelt, sondern um eine Zusammenfassung der wesentlichen Entwicklungen aus der Sicht des Autors.

Pathophysiologie und Früherkennung

Wie oben ausgeführt sind bis zu 80 % aller Demenzerkrankungen auf die Alzheimer-Krankheit zurückzuführen [4]. Die Forschung der letzten Jahrzehnte fokussiert daher im Wesentlichen auf diese Erkrankung. Auch zeigen sich hier die größten Fortschritte in der Früherkennung, während sie bei anderen Demenzformen erheblich begrenzter sind. Es besteht aber die Hoffnung, dass die paradigmatische Herangehensweise in der Alzheimer-Forschung auch bei anderen Demenzformen zu Möglichkeiten der Früherkennung und Frühintervention führen wird.

Die Alzheimer-Krankheit ist u. a. gekennzeichnet durch die Akkumulation des körpereigenen Beta-Amyloid-Peptids im Gehirn. Aus dem Amyloid-Precursor-Protein (APP) werden durch enzymatische Schnitte mit sogenannten Sekretasen Beta-Amyloid-Fragmente im Extrazellularraum der grauen Substanz freigesetzt [5]. Die physiologische Funktion dieser Beta-Amyloid-Freisetzung ist bis heute nicht vollständig geklärt. Von pathologischer Relevanz ist das Fragment Abeta 1‑42, welches in geringer Konzentration neben dem hochkonzentrierten Abeta 1‑40 freigesetzt wird. Abeta 1‑42 fügt sich zu sogenannten Oligomeren zusammen, die toxisch für die synaptische Funktion der Nervenzellen sind [6]. Im weiteren Verlauf aggregieren die Oligomere im Extrazellularraum der grauen Substanz zu sogenannten Amyloid-Plaques.

Als Hauptgrund für die Akkumulation von Beta-Amyloid wird die mit dem Alter zunehmende reduzierte Fähigkeit des Gehirns zum Abbau von Beta-Amyloid angesehen. Das aggregierte Beta-Amyloid hat zahlreiche Auswirkungen auf molekularer Ebene. Hierzu gehört u. a. die Verklumpung des neuronalen Proteins Tau über die Vorstufe des hyperphosphorylierten Tau (pTau). Weitere relevante molekulare Prozesse sind z. B. chronische Entzündungen und die Bildung von Sauerstoffradikalen [5].

Diese pathophysiologischen Mechanismen führen zur Schädigung von Neuronen, die in ihrem Verlauf innerhalb des Gehirns einem typischen Muster folgt. Zunächst sind insbesondere Nervenzellen der gedächtnisrelevanten Strukturen im medialen Temporallappen (Hippocampus, Regio entorhinalis) betroffen. Später breiten sich die neuronale Schädigung und Neurodegeneration über das gesamte Gehirn aus [7].

Von zentraler Bedeutung für Früherkennung und Frühintervention ist, dass diese molekularen Prozesse sich langsam über einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren entwickeln. Man geht heute davon aus, dass die ersten Amyloid-Aggregate mindestens ca. 20–25 Jahre vor der Diagnose einer Demenz entstehen [8]. Somit ist theoretisch ein großes Zeitfenster für eine Früherkennung der Erkrankung vor symptomatischer Ausprägung gegeben.

Methoden der Früherkennung

Ein wesentlicher Fortschritt der Alzheimer-Forschung der letzten Jahrzehnte ist die Entwicklung von sogenannten Biomarkern für die molekularen Veränderungen, die die Alzheimer-Erkrankung kennzeichnen. Im Liquor cerebrospinalis ist damit die Messung des Peptids Abeta 1‑42 sowie des Abeta 1‑40 möglich. Bei Aggregation von Beta-Amyloid im Gehirn kommt es regelhaft zu einer Reduktion der Konzentration von Abeta 1‑42 und auch zu einer Reduktion der Ratio Abeta 1‑42/Abeta 1‑40 im Liquor [9]. Mit zwei weiteren Biomarkern ist es möglich, die Konzentration des Tau-Proteins und der phosphorylierten Variante pTau im Liquor zu bestimmen. Beide Marker steigen bei der Alzheimer-Krankheit in der Konzentration an, was mit neuronalem Zelluntergang zusammenhängt [9].

Die Amyloid-Ablagerungen und die Tau-Aggregationen können ferner mittels Positronenemissionstomographie (PET) dargestellt werden [10]. Für die Amyloid-Ablagerungen sind drei zugelassene Tracer in Deutschland verfügbar, wobei die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen für diese Untersuchungen typischerweise nicht gewährt wird. Tracer für die Tau-Aggregation sind bisher nur im wissenschaftlichen Einsatz [10].

Darüber hinaus kann mittels Magnetresonanztomographie (MRT) eine Volumenverkleinerung in den Strukturen des medialen Temporallappens (Hippocampus, Regio entorhinalis) sowie im weiteren Krankheitsverlauf des gesamten Gehirns dargestellt werden.

Mit der Fluordesoxyglucose-PET (FDG-PET) ist es möglich, den verminderten Stoffwechsel von geschädigten Hirnzellen nachzuweisen. Bei der Alzheimer-Erkrankung sind bestimmte Hirnregionen vor allem im Parietal- und Temporallappen in besonderem Maß vermindert aktiv [11].

Mit den genannten Methoden ist es also möglich, Kernmerkmale der Alzheimer-Erkrankung wie Amyloid-Ablagerungen, Tau-Aggregation und Neurodegeneration darzustellen. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass diese Veränderungen bereits lange vor der Demenz bei sehr milden und auch fehlenden Symptomen nachweisbar sind [12].

Symptomatische Entwicklung und Risikostadien

Als Folge des sich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden molekularen Veränderungsprozesses kommt es bei der Erkrankung zu einer langsamen, ebenfalls über Jahre andauernden Symptomentwicklung. Zunächst besteht eine vollständig asymptomatische Phase der Erkrankung, bei der die pathologischen molekularen Prozesse in Entwicklung sind, aber die betroffene Person weder subjektiv Beschwerden hat noch sich objektive Gedächtnisdefizite nachweisen lassen [13]. Diese Phase kann sich über bis zu 15 Jahre erstrecken. Nach aktuellen Studien folgt dann eine ca. 5–10 Jahre lange Phase einer subjektiv verspürten, aber noch nicht objektivierbaren Verschlechterung der geistigen Leistungsfähigkeit. Diese Phase wird als subjektive kognitive Verschlechterung oder Subjective Cognitive Decline (SCD) bezeichnet [14].

Im Anschluss folgt die Phase der leichten kognitiven Störung (Mild Cognitive Impairment, MCI). Hierunter wird eine beobachtbare und in Tests objektivierbare Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten, insbesondere der Gedächtnisfunktionen, bei gleichzeitig erhaltener Alltagskompetenz und Selbstständigkeit verstanden [15]. Die Phase der leichten kognitiven Störung dauert ebenfalls mehrere Jahre an.

In einem kontinuierlichen Prozess entwickelt sich dann zunächst eine leichte, im Anschluss eine mittelschwere und später eine schwere Demenz. Die Phase der Demenz bei der Alzheimer-Krankheit kann sich über wenige Jahre bis zu über 10 Jahre erstrecken.

In den letzten 20 Jahren hat die Früherkennungsforschung sehr stark auf die Prädemenzphasen der Alzheimer-Erkrankung fokussiert. Insbesondere das Syndrom der leichten kognitiven Störung steht aktuell im Fokus der Früherkennungsforschung. In zahlreichen internationalen Studien konnte überzeugend gezeigt werden, dass Menschen mit einer leichten kognitiven Störung ein erhöhtes Risiko haben, eine Demenz zu bekommen [16]. Durch die Anwendung der Biomarker für die Alzheimer-Krankheit ist es möglich, bei diesen Personen das individuelle Risiko für die Entwicklung einer Demenz zu schätzen.

Die leichte kognitive Störung kann grundsätzlich viele Ursachen haben, wovon die Alzheimer-Erkrankung nur eine ist. Entsprechend können bei einem Patienten mit einer leichten kognitiven Störung die Biomarkerbefunde unauffällig bezüglich der Alzheimer-Pathologie sein. Patienten mit einer leichten kognitiven Störung ohne Hinweise für Amyloid- oder Tau-Aggregation oder Neurodegeneration haben eine gute Prognose und eine Verschlechterungswahrscheinlichkeit hin zur Demenz in 5 Jahren von unter 10 % [17]. Ein Patient mit leichter kognitiver Störung und Biomarkerhinweisen für das Vorliegen von Amyloid-Deposition und Tau-Aggregation durch Biomarker hat dagegen ein Risiko von über 90 %, innerhalb von 5 Jahren eine Demenz zu entwickeln [17]. Bei einigen Patienten werden gelegentlich Biomarkerbefunde festgestellt, die nur auf eine Amyloid-Aggregation oder nur auf eine Neurodegeneration bzw. Tau-Aggregation hinweisen. In diesen Fällen ist die Prädiktion weniger eindeutig und die individuelle Anwendung begrenzt. Große Metaanalysen zeigen ein Risiko solcher Patienten, innerhalb von 5 Jahren eine Demenz zu entwickeln, von ca. 50 % [17]. Es ist also möglich, durch eine frühe Diagnostik der Alzheimer-Pathologie bzw. deren Ausschluss anhand von Biomarkern eine individuelle Risikoschätzung für Patienten mit leichter kognitiver Störung in Bezug auf die Demenzentwicklung vorzunehmen.

Jüngere Forschung wendet die gleichen Ansätze auf Personen mit rein subjektiven kognitiven Störungen an. Hier zeigt sich im Prinzip ein ähnlicher Befund. Patienten mit rein subjektiven Störungen, die Amyloid-Depositionen und Tau-Aggregationshinweise durch Biomarker haben, zeigen ein deutlich erhöhtes Risiko, innerhalb weniger Jahre eine leichte kognitive Beeinträchtigung oder eine Demenz zu entwickeln, im Vergleich zu Personen, die einen unauffälligen Biomarker aufweisen [18]. Die Forschung zu rein subjektiven kognitiven Störungen ist allerdings noch jung und die biomarkerbasierte Prädiktion wird bei dieser Patientengruppe noch nicht für die klinische Anwendung empfohlen. In der Forschung werden auch Biomarkeruntersuchungen bei beschwerdefreien Personen durchgeführt. Große Metaanalysen zeigen, dass ältere Menschen, die Amyloid-Ablagerungen aufweisen, ein erhöhtes Risiko haben, sich in den nächsten Jahren kognitiv zu verschlechtern [19]. Somit kann davon ausgegangen werden, dass Amyloid-Deposition mit einem generellen Verschlechterungsrisiko einhergeht. Eine individuelle Krankheitsprogressionsvoraussage ist aber mit den heutigen Verfahren bei kognitiv Gesunden noch nicht möglich, sodass Biomarkeruntersuchungen bei beschwerdefreien Personen außerhalb von Studien heute noch nicht empfohlen werden. Ferner ist der Nutzen der Anwendung von Biomarkern für die Alzheimer-Krankheit bei beschwerdefreien Personen nicht belegt und es besteht das Risiko einer psychischen Belastung, was insbesondere bei möglichen falsch-positiven Befunden nicht vertretbar wäre.

Die biomarkerbasierte Früherkennung bzw. Risikoschätzung für Demenz wird sich in den nächsten Jahren durch die Entwicklung weiterer Biomarker für andere molekulare Prozesse wahrscheinlich erheblich weiterentwickeln. Möglicherweise wird in der Zukunft auch ein Verfahren für Messungen von Amyloid und Neurodegeneration im Blut verfügbar sein. Grundsätzlich sind heute die Früherkennung und Frühdiagnostik der Alzheimer-Erkrankung vor dem Auftreten einer Demenz möglich, was auch prinzipiell eine spezifische Prädemenztherapie erlaubt.

Präventionsansätze

Grundsätzlich werden zwei Ansätze zur Prävention der Demenz bei Alzheimer-Krankheit verfolgt. Ein Ansatz fokussiert auf risikomodifizierende Lebensstilfaktoren. Der zweite Ansatz fußt auf der molekularen Behandlung der Alzheimer-Pathologie im Vorfeld von Symptomen.

Lebensstilbasierte Prävention

In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass insbesondere in westlichen Industrieländern die altersbezogenen Neuerkrankungsraten von Demenz rückläufig sind [20]. Dies führt trotz einer zunehmenden Lebenserwartung aktuell dazu, dass die absoluten Zahlen von Demenzerkrankten kaum ansteigen, was sich allerdings mit dem Älterwerden der geburtenstarken Jahrgänge wahrscheinlich wieder ändern wird.

Diese aktuelle Beobachtung der rückläufigen altersbezogenen Neuerkrankungsrate unterstreicht das Potenzial modifizierbarer Lebensstilfaktoren im Kontext von Demenzprävention. Aus epidemiologischen Studien ist schon seit langer Zeit bekannt, dass kardiovaskuläre Risikoerkrankungen, z. B. Hypertonie, Diabetes mellitus, und Lebensstilfaktoren wie Bewegungsmangel, bestimmte Ernährungsmuster („western diet“), Nikotinkonsum, übermäßiger Alkoholkonsum, Depression, geringe soziale Aktivität und Integration sowie mangelnde geistige Aktivität mit einem erhöhten Risiko für Demenz einhergehen. Basierend auf Modellrechnungen wird geschätzt, dass 20–30 % des bevölkerungsbezogenen Demenzrisikos durch potenziell modifizierbare Lebensstilfaktoren bedingt sind [21]. Der allgemein gesündere Lebensstil, der in erster Linie für Herz-Kreislauf-Prävention seit mehreren Jahrzehnten propagiert wird, ist vor diesem Hintergrund die wahrscheinliche Erklärung für die rückläufigen Demenzneuerkrankungsraten [21].

In prospektiven randomisierten Interventionsstudien wird aktuell das Potenzial dieser Lebensstilfaktoren in Bezug auf Stabilisierung kognitiver Funktionen geprüft. Erste Untersuchungen zu einzelnen Faktoren, wie z. B. körperliche Aktivität, zeigten bereits vor einigen Jahren kleine, aber signifikante Effekte auf Kognition bei älteren Menschen mit subjektiven Gedächtnisstörungen [22]. Jüngere große Studien untersuchen sogenannte Multidomäneninterventionen, bei denen nicht nur ein modifizierbarer Risikofaktor, sondern mehrere gleichzeitig adressiert werden. Ein prominentes Beispiel ist die FINGER(Finnish Geriatric Intervention Study to Prevent Cognitive Impairment and Disability)-Studie. Hier wurden Personen mit einem erhöhten Demenzrisikoscore über zwei Jahre mit einer Intervention aus kognitivem und körperlichem Training, Ernährungsberatung und Einstellung kardiovaskulärer Risikoerkrankungen behandelt und mit einer Kontrollgruppe ohne spezifische Intervention verglichen. Die Interventionsgruppe zeigte signifikant bessere Leistungen in verschiedenen kognitiven Tests. Die Effektgrößen waren allerdings begrenzt [23]. Ein weiteres Beispiel ist die französische MAPT-Studie (Multidomain Alzheimer Preventive Trial). Hier wurden Personen ohne Demenz mit subjektiven kognitiven Beschwerden oder Beeinträchtigungen der Aktivitäten des täglichen Lebens oder Veränderungen des Gehens über drei Jahre ebenfalls mit einer sehr komplexen Multidomänenintervention behandelt. In dieser Studie zeigte sich in der Hauptanalyse kein Effekt der Intervention auf die kognitive Leistung. Es fanden sich allerdings in Subgruppen vielversprechende Ergebnisse. So zeigten z. B. amyloid-PET-positive Teilnehmer eine signifikante Stabilisierung durch die Multidomänenintervention im Vergleich zu der Kontrollbedingung. Dieser Effekt zeigte sich nicht bei amyloid-PET-negativen Teilnehmern [24].

Aus diesen Studien wird abgeleitet, dass die erzielbaren Effekte, die z. T. mit sehr aufwendigen Interventionen erreicht werden, potenziell nachweisbar, aber auch begrenzt sind. Dies unterstützt die Annahme, dass die lebensstilbezogenen Risikofaktoren sehr langfristig wirken und auch in Studienzeiten von 2–3 Jahren in ihrem vollen Effekt kaum abgebildet werden können. Außerdem wird deutlich, dass ein besonderes Potenzial möglichweise in der Anwendung solcher Interventionen bei spezifischen Risikogruppen liegt. In den nächsten Jahren wird das Thema der individuellen Risikoprofilierung basierend auf Lebensstilfaktoren, aber möglicherweise auch mit genetischen und anderen Markern, zunehmend an Bedeutung gewinnen und wahrscheinlich werden Interventionen für spezifische Risikokonstellationen entwickelt und getestet werden. Grundsätzlich ist es aber gerechtfertigt, zum aktuellen Zeitpunkt allgemeine lebensstilbezogene Maßnahmen für Gehirngesundheit und Demenzprävention zu empfehlen. Hierzu gehören die Kontrolle von kardiovaskulären Risikoerkrankungen, ausreichend körperliche Bewegung, geistige und soziale Aktivität, ein mediterraner Ernährungsstil und nach neuen Erkenntnissen auch ein möglichst guter Schlaf [21].

Molekulare Prävention

Basierend auf der oben ausgeführten Annahme, dass die molekularen Veränderungen der Alzheimer-Krankheit bis zu 25 Jahre vor der Demenzdiagnose beginnen, besteht theoretisch ein großes Zeitfenster für Interventionen, die molekulare Mechanismen der Erkrankung beeinflussen und damit eine Symptomverzögerung erzielen. Aktuelle Ansätze hierzu fokussieren auf die Amyloid-Pathologie.

Eine prominente Untersuchung in diesem Kontext ist die A4-Studie, die aktuell in den USA durchgeführt wird. Hier werden kognitiv gesunde Personen, die einen positiven Amyloid-PET-Scan aufweisen, über mehrere Jahre mit dem monoklonalen Antikörper Solanezumab behandelt. Ziel ist es, eine Verzögerung der kognitiven Verschlechterung in der Verumgruppe im Vergleich zur Placebogruppe zu erreichen. Die Rekrutierung für diese Studie ist abgeschlossen. Ergebnisse werden in den nächsten Jahren erwartet [25].

Ebenfalls monoklonale Anti-Amyloid-Antikörper werden in zwei Projekten bei Trägern monogener dominanter Mutationen für die familiäre Alzheimer-Erkrankung untersucht. Hierbei handelt es sich zum einen um das weltweite DIAN(Dominantly Inherited Alzheimer Network)-Projekt , bei dem Familien mit Presenilin 1-(PS1-), Presenilin 2-(PS2-) und Amyloid-Precursor-Protein-(APP-)Mutation rekrutiert werden [26]. Asymptomatische Mutationsträger können an Interventionsstudien mit den monoklonalen Antikörpern Gantenerumab oder Solanezumab teilnehmen. Sie werden über mehrere Jahre mit dem Ziel der Symptomprogressionsverzögerung behandelt. Das zweite Projekt fokussiert auf einen sehr großen Familienstammbaum in Kolumbien. In dieser Familie wird seit Jahrhunderten eine PS1-Mutation weitergegeben. Es sind bereits mehrere tausend Träger dieser Mutation identifiziert worden. In dieser Kohorte wird bei symptomfreien Mutationsträgern der monoklonale Antikörper Crenezumab ebenfalls mit dem Ziel des Aufhaltens von Symptommanifestation untersucht [27].

Ein weiteres Projekt ist noch die Behandlung von symptomfreien Trägern des Apolipoprotein-E4-Risikogens (APOE4) in homozygoter und zukünftig auch in heterozygoter Ausprägung bei zusätzlichem Amyloid-Nachweis (GENERATION-Studie 1 und 2). Hier kommt ein Beta-Sekretase-Hemmer zur Anwendung, der die Produktion von Abeta 1‑42 senkt. Die Behandlungszeit in dieser Studie beträgt ebenfalls mehrere Jahre pro Patient.

Die genannten molekularen Präventionsstudien sind sehr experimentell und mit langer Behandlungszeit im Einzelfall verbunden. Es ist auch eine offene Frage, ob eine solche molekulare Prävention bei möglicherweise zukünftig belegter Wirksamkeit in die Versorgung eingeführt werden wird. Zu klären wären dann Fragen z. B. mit Blick auf das Wirkung-Nebenwirkungs-Verhältnis in der Langzeittherapie und auf ethische Aspekte wie die Exposition gegenüber einer Substanz im beschwerdefreien Zustand sowie den Zugang zu der Substanz. Auch wirtschaftliche Aspekte wie die Kosten einer medikamentösen Langzeittherapie bei symptomfreien Personen mit bestimmten Risikokonstellationen müssen bedacht werden.

Fazit

Grundsätzlich wird aktuell sehr viel Hoffnung auf die Früherkennung und die Prävention der Alzheimer-Krankheit gelegt und es ist davon auszugehen, dass zukünftig weitere Fortschritte erzielt werden. Unwahrscheinlich ist allerdings, dass ein einzelnes Medikament oder eine einzelne besondere Lebensweise besonders starke Effekte zeigen wird. Eher wird es ähnlich wie in der Herz-Kreislauf-Prävention sein, wo ein Risikoscreening und eine gesunde Lebensweise zusammen mit medikamentös präventiven Maßnahmen die größten präventiven Effekte zeigen. Mit großer Sicherheit wird die Diskussion um Prävention und die damit verbundene präsymptomatische, biomarkerbasierte Diagnostik bzw. Risikoprofilierung bei der Alzheimer-Erkrankung in den nächsten Jahren erheblich zunehmen, mit allen damit verbundenen ethischen, rechtlichen, gesundheitsökonomischen und medizinischen Fragen.